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Laufberichte

Marathon op Kölsch: Echt jot und kein Buhei

07.10.07
Autor: Klaus Duwe

Warum haben die Kölner ihren 11. Marathon nicht gleich auf den 11.11. verlegt? Hat keiner gemerkt, dass der Narrentag genialer Weise ein Sonntag ist? Es wird seine Gründe haben, denn eines muss man den (Marketing-) Strategen des Kölner Marathon bescheinigen: sie verstehen ihr Handwerk. Mit „Marathon op Kölsch“ verpassen sie ihrem Lauf ein Markenzeichen, um das sie viele Veranstalter beneiden werden. Gleichzeitig stellen sie heraus, dass sich ihr Lauf von anderen unterscheidet. 

Und so geht ihr Rezept: man nehme einen populären Sport (Laufen), die lokale Spitzenkraft der Branche  (Sabrina „Mocki“ Mockenhaupt), dazu die unvermeidlichen Kenianer, verspreche seiner jecken Bevölkerung, dass sie außer der Reihe ihre Festtagskleider (=Karnevalskostüme) tragen und lärmen dürfen, sperre Straßen und Gassen und spiele dort ihre Lieder. Weil in Köln der Zusammenhalt (= Kölsche Klüngel) schon immer gut funktioniert, steuerrn treue und potente Sponsoren die Moneten bei. Die Marketingabteilung (wird auch manchmal Pressebüro genannt) produziert Neuigkeiten am laufenden Band, die die nimmermüden Medien mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verbreiten. 

Der Erfolg? 29.280 Läufer, Skater und Walker lassen sich verführen, melden sich an und überweisen bis zu 65 Euro (Marathon). Nach Abzug des zwar nicht erklärbaren aber üblichen „Schwunds“ gehen 23.963 zu den verschiedenen Disziplinen an den Start, davon 10.261 beim Marathon.

Wer hat es bereut? Keiner!

Warum? Marathon op Kölsch ist ein Erfolgsrezept und keine Mogelpackung. 

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“, frage ich mich und bei der 11. Auflage bin ich endlich dabei.

Das Herz des Kölner Marathon schlägt nicht wie man vermuten möchte am Dom, sondern am Rudolfplatz (davon später) und auf der Messe. Auf Geheiß des damaligen Kölner OB Konrad Adenauer wurde 1922 eine Messegesellschaft gegründet und zwei Jahre später in Deutz die erste Messe abgehalten. Heute sind es 50 Fachmessen pro Jahr, die Hälfte davon sind die größten der jeweiligen Branche. Auf dem viertgrößten Messegelände der Welt ist die Marathonmesse bestimmt die kleinste, mit über 100 Anbietern auf 12.000 qm aber im Vergleich zu anderen wieder eine der größten. Alle namhaften Händler und Marken sind vertreten. Hier holt man sich auch die Startunterlagen ab. Im Umfeld der Messe gibt es natürlich auch erstklassige Hotels, die zum Marathon-Wochenende mit Sonderpreisen locken. 

Parkplätze gibt es in der Nähe der Messe auch genügend, wobei es für Auswärtige angesichts der vielen gesperrten Straßen nicht einfach ist, sich zu Recht zu finden. Ganz einfach kommt man dagegen mit der Bahn zum Deutzer Bahnhof und von dort zu Fuß zur Messe. 

Wo am Samstag noch die neuesten Autos vom Hauptsponsor glänzten und sich Messestand und Messestand reihte, findet man am Sonntag eine riesige, leere Messehalle vor, die jetzt als Kleiderdepot dient. Es gibt keine Wartezeiten, sofort ist man seinen Beutel los. Beim Marsch zum Startgelände kommt man dann an den alten Messehallen vorbei, hinter deren Denkmal geschützten Fassaden sich RTL und Gerling gerade neue Domizile errichten. Über den Rhein spannen sich die Stahlbögen der Hohenzollernbrücke, am anderen Ufer sieht man den Dom und Gr. St. Martin. Es ist ein herrlicher Morgen, etwas frisch, aber das soll sich noch ändern. 

Der Start ist nur für die Marathonis ungewöhnlich spät (11.30 Uhr), für die „Halben“ trifft das nicht zu. Sie müssen ungewöhnlich früh (8.30 Uhr) ran. Das liegt an den etwas beengten Platzverhältnissen für Start und Ziel auf der Mindener Straße. Im nächsten Jahr will man das vielleicht schon anders lösen. 

Nicht „We are the champions“ oder andere Rockhymnen sorgen für Stimmung, dafür hat man in Köln eine eigene Musik. Trotz BAP versteht man Kölsch zwar außerhalb der Region noch immer nicht, aber man hört es gerne. Langeweile kommt nicht auf, dafür ist es viel zu interessant, die teilweise lustigen Kostüme und Verkleidungen zu studieren. 

Die 7.740 gestarteten Halbmarathonläuferinnen und –läufer sind noch nicht alle im Ziel, als der erste Block mit den schnellen Marathonis gestartet wird. Eine riesige Menschenmenge hat sich versammelt, die auf der Fußgängerbrücke und entlang der Straße bis auf die Deutzer Brücke verteilt sind. Der Blick von hier auf die andere Rheinseite gehört mit zum Schönsten, was die Strecke diesbezüglich zu bieten hat. Und das alles bei wolkenlosem Himmel, herrlich. 

Nach knapp drei Kilometern erreichen wir erstmals den Rudolfplatz. Die Trommler tun ihr Bestes und die Stimmung ist nicht schlecht. Aber die Kölner können das besser, viel besser. Zweimal kommen wir hier noch durch, dann werden sie es uns beweisen. 

Über Sachsenring (km 5) und Chlodwigplatz kommen wir zum Rhein und laufen auf dem Gustav-Heinemann-Ufer südwärts. Die Zuschauer haben sich hauptsächlich an den Zufahrten zu dieser Hauptverkehrsstraße versammelt und hauen mächtig auf den Putz. Hier im Kölner Süden liegt Bayenthal, wo das Dom-Kölsch herkommt. Kölsch, das ist jene Sorte Bier, das aus kleinen, schmalen Gläsern getrunken wird und nur den Kölnern schmeckt – sagen die Auswärtigen und die Düsseldorfer. Nach der Kölsch-Konvention dürfen sich nur obergärige, helle, hoch vergorene Vollbiere so nennen, deren Braustätte noch dazu im Stadtgebiet liegen muss. 

1830 sollen in Bayenthal nur drei Häuser gestanden haben. Dann ließ sich die „Kölnische Maschinenbau“ hier nieder und sorgte mit dem Bau der Dachkonstruktionen für den Dom, den Hauptbahnhof und die Flora für 1500 Arbeitsplätze und rasantes Wachstum. Das weckte schon damals Begehrlichkeiten, 1888 wurde der Ort nach Köln eingemeindet. 

Von der Bonner Straße laufen wir links in die Marktstraße und sind nach der Markthalle (km 9,5) plötzlich im Grünen. Nicht lange, Richtung Barbarossaplatz stehen sie schon wieder, die Jecken. Erst in der Luxemburger Straße (km 13) wird es etwas ruhiger, fast 2 Kilometer geht schnurgerade aus. 

Was will denn der Oldie im Holzfällerhemd und dem schwarzen Hut mit den zwei Bräuten? Man sieht ihnen den Spaß am Laufen an, ständig haben sie Kontakt zum Publikum und manchmal greift der Oldie in seinen kleinen Rucksack und verteilt Bonbons. Als er einmal seinen Hut abnimmt und ins Publikum winkt, erkenn’ ich ihn: es ist Manfred, der Ältere der Steffny-Brüder. 1972 ist er in München seinen schnellsten Marathon gelaufen (2:16), heute peilt er mit seinen Begleiterinnen entsprechend dem Anlass eine 4:44 an. Während er in der Sülzburgstraße noch mit den vielen Zuschauern feiert, mach ich mich fort und atme durch. 

Die Universitätsstraße (km 15) ist nämlich fast verwaist, aber schon in der schattigen Dürener Straße geht es mit Trommelwirbeln wieder richtig zur Sache. Dazwischen dröhnt von Balkonen oder aus am Straßenrand platzierten Boxen laute Musik. Den Toten auf den Melaten-Friedhof (km 18) lässt man aber ihre Ruhe. 

Was sich dann aber wenig später bei unserem zweiten Eintreffen auf dem Rudolfplatz (km 20) abspielt, war noch nie da. Eine unübersehbare Menschenmenge bereitet den Marathonis einen Empfang, der nicht stürmischer ist, wenn in ferner Zukunft der 1. FC Köln wieder in der Bundesliga spielt, Deutscher Meister wird und die Champions League gewinnt. Trillerpfeifen, Trommelwirbel, Gekreische und Zurufe erreichen eine gesundheitsgefährdende Lautstärke. 

Durch die Menschenmasse bewegt sich ein schmales Band nordwärts, das sind die Läuferinnen und Läufer. Körperkontakt ist angesagt, Schulterklopfen und Abklatschen. So geht das fast zwei Kilometer. Das Beste: diese Traumkulisse erwartet uns nach 12 Kilometern erneut, denn bis Nippes (km 24) verläuft gegenüber der Rückweg. 

Wir laufen weiter nordwärts und kommen nach Niehl, das ein kleines Fischerdorf war, bis 1931 die Fordwerke von Berlin hier her gezogen sind. Inzwischen ist nicht nur die Deutschland-, sondern auch die Europazentrale hier ansässig. Auf der Amsterdamer Straße ändern wir die Richtung und laufen nach Süden Richtung Riehl.  Zwischendurch halten uns Fan- und Musikgruppen bei Laune. 

Den großen Schwung gibt es aber auf der DuMont-Meile. Alleine hier vor dem gläsernen Verlagshaus (km 30), Heimat unter anderem der Frankfurter Rundschau, dem Kölner Stadtanzeiger und dem Boulevard-Blatt Express, feiern 4000 Menschen ausgelassen.  Verschiedene Live-Bands und prominente Moderatoren spulen routiniert und professionell ein Show- und Unterhaltungsprogramm erster Güte ab. Die Belebung eines einstmals „toten Winkels“ ist mehr als gelungen. Einigen Marathonis gefällt es so gut, dass sie das Laufen lassen und nur noch feiern. 

Die anderen zieht es weiter. Auf der Gegenbahn und rund 6 Kilometer zurück sieht man den Schluss des Feldes. Darunter ist eine Gruppe in bunten Kostümen, die wohl nichts dem Zufall überlässt. Sie haben ihren eigenen Trommler, Trompeter und Getränkewagen dabei. Ich wette, in dem Fass ist Kölsch. Einen Moment überlege ich, ob ich für ein Foto über das Bahngleis sprinte. Dann lass ich es sein, der Gesundheit wegen. 

Bei km 31 kommt Richtung Zoobrücke eine kurze, aber deutliche Steigung. „Im vollen Lauf den Berg hinauf“, singen die Zuschauer. Wir biegen rechts in die Riehler Straße. Nach dem Ebertplatz (km 33) nimmt die Zuschauerdichte deutlich zu und steigert sich am Hohenzollernring wieder ins Unüberschaubare. Es ist der helle Wahnsinn, der sich hier abspielt. Während auf unserer Straßenseite der Karneval ausgebrochen ist und gefeiert wird, ist auf der anderen Fahrbahnseite bereits Aschermittwoch. Kehrmaschinen und Müllautos beseitigen den Marathonmüll. Die Tribünen am Hahnentor, einem alten Stadttor aus dem 13. Jahrhundert, sind voll besetzt. Wer dort keinen Platz findet, steht an der Straße und macht den Läufern den Weg immer schmaler. 

So geht es bis zum Neumarkt. Ganz fremdartig hört sich die Blasmusik aus dem Festzelt an, in dem das erste Kölner Oktoberfest gefeiert wird. Ein großer Erfolg scheint das nicht zu sein. Überlasst das doch den Münchnern, feiert ihr lieber Karneval und vor allem Marathon, Marathon op Kölsch. 

Wir machen einen Schlenker in die Altstadt und können in den engen Sträßchen etwas durchatmen. Mancher Marathoni lässt sich jetzt deutlich hängen und gibt dem Schweinehund nach. Auch den Zuschauern sieht man verschiedentlich die Strapazen der mehrstündigen Feier an. Standfestigkeit und sicherer Gang sind nicht mehr immer ganz gegeben und auch die Zurufe sind etwas unverständlich. 

Am Kartäuserwall  (km 37) sehen wir ein Stück der mittelalterlichen Stadtmauer mit zwei Wehrtürmen und der Ulrepforte, die aus dem 13. Jahrhundert stammt und zurzeit renoviert wird. Jetzt laufen wir links in die Annostraße und machen bei der Verpflegungsstelle an der St. Katharinenkirche (km 39) eine kurze Pause. Neben Wasser, Tee und Cola wird auch Red Bull ausgeschenkt, Bananen gibt es sowieso. Noch den Schwamm ins Wasser getaucht und den Kopf gekühlt, dann geht es weiter. 

Endlich tauchen die Türme des Doms auf. Die Hohe Straße ist nicht ganz so belebt, wie man es vielleicht erwartet, dafür stehen die Zuschauer vor dem Dom (km 40) wieder dicht gedrängt. Mit über 6 Millionen Besuchern jährlich ist der Kölner Dom das populärste Bauwerk Deutschlands. 632 Jahre (1248 bis 1880) wurde an ihm gebaut. Nach seiner Fertigstellung war er das höchste Bauwerk der Welt. 

Eine Pflastergasse quält kurzfristig die Füße. Dann kommt der letzte Kilometer. Ihn sollte man abwechselnd rückwärts und vorwärts gehend absolvieren. Es ist einfach ein Genuss, die vielen Zuschauer, die Stimmung und der herrliche Blick von der Deutzer Brücke zum Dom. 


Aber Tour-Maskottchen Dieter „Didi“ Senft treibt die Läufer mit seinem Dreizack zum Endspurt. Wenn man von der Brücke kommend links auf die Zielgerade einbiegt, taucht man in eine unbeschreibliche Geräuschkulisse ein. Die Läuferinnen und Läufer werden bejubelt, als hätten sie Gold für Deutschland erlaufen. Dass das Gelände rein optisch nicht so viel hergibt, ist dabei unwichtig wie nur was. 

Nach der Medaille wird den Läufern eine Folie umgehängt und dann geht’s in das von der REWE gesponserte Verpflegungsdorf. Die lassen sich wahrlich nicht lumpen. Aber was ist im Ausschank? Erdinger! „Ich denke die Kölner trinken nur Kölsch?“ „Kölsch oder Freibier“, verbessert mich einer. 

Teilnehmer:
23.963 Starter insgesamt, davon 10.261  Marathonis 

Streckenbeschreibung:
Rundkurs mit dem Rudolfplatz als absoluten Stimmungshöhepunkt, Dom und Deutzer Brücke sind optische Highlights

Weitere Bewerbe:

Walken, Skaten, Rollis, Halbmarathon, 63 km (Halbmarathon und Marathon)

Zeitnahme:
ChampionChip  

Auszeichnung:
Urkunde aus dem Internet. Medaille für alle. Schicke Puma-Finishershirts gibt es zu kaufen. 

Logistik:
Startunterlagen auf der Messe, dort auch Kleiderdepot. Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe, vom Deutzer Bahnhof zu Fuß in wenigen Minuten. 

Verpflegung:
Viele Getränkestellen, meist alle 2,5 Kilometer mit Wasser, Tee, Cola und Bananen. Großen Verpflegungsbereich im Ziel. 

Zuschauer:
Die Presse spricht von 700.000, ich habe sie nicht gezählt. 

 

Informationen: Generali Köln Marathon
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