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Laufberichte

Köln, ich will dich Knutschen!

14.10.12
Autor: Joe Kelbel

Letztes Jahr wendeten wir tatsächlich bei km 13 an der Bismarcksäule, jetzt laufen wir weiter nach Süden, den Rhein entlang, dort wo im 16. Jahrhundert die Leprahäuser standen. Für die finanzielle Versorgung der Leprakranken befuhr der (gesunde) Nachenmann mit dem Siechennachen den Rhein und bettelte um Almosen bei den Schiffern. Ich würde jetzt betteln für etwas, wofür Köln berühmt ist. Thorsten, der Robin Hood, verabschiedet sich. Verletzungsbedingt macht er den Ausflug nach Süden nicht mit. Würde gerne mit ihm gehen, denn diese Strecke kann ich auch ohne Marathon-Orga laufen. 

Unvorstellbar, irgendwann kommen wir tatsächlich nach Rodenkirchen. Das war im 17. Jahrhundert ein großes Weinanbaugebiet, das vornehme Köln mit seinen Gründerzeitvillen Wohngegend in gehobener Qualität. Der Marathon ist Neuland für die Einwohner. Die kennen sich nicht mit so Verrückten aus, glotzen uns nur an, statt zu feiern.

Karl-Uwe läuft mit vielen Luftballons im Heck seinen 100ten.

Über die Maternusstrasse und wieder zurück (km 15,5) ans Rheinufer Richtung Norden. Gefallen finde ich an diesem Streckenabschnitt nicht, schon gar nicht, als auf der Gegenseite die Armada der Putzfahrzeuge erscheint und den übergewichtigen, aber bewundernswerten Läufer unbarmherzig mit Rotationsbesen vor sich her treibt. Ganz Ultimatives: „I do not like!“

Das ist, wie wenn die Hausfrau die Geschirrspühlmaschine einräumt, während ich noch bei meinem dritten Gänseschenkel bin. Liebe Orga: Dies ist ein No Go! Wenigstens ein Polizeifahrzeug, ein Radfahrer, ein paar Mariechen, irgendwas Angenehmes, aber bitte nicht dieser Armada von Großbesenwagen!

Bei km 20 passieren wir wieder den Bayenturm, hier erklang 1262 das erste Mal der Schlachtruf  „Kölle Alaaf”, als die Bürger den Turm stürmten. Davon ist jetzt nichts vorhanden. Die Zuschauer haben Herbstferien, das Läuferfeld ist zerrissen und bald ist Weihnachten.

Linker Hand das Serverinstor, wo alljährlich das Reiterkorps loszieht, um die Kölner Mädchen zu warnen, bei Männern nicht allzu wählerisch zu sein, damit es ihnen nicht erginge wie der Griet, die ihrem Jan den Laufpass gab. Siehe mein Bericht vom letzten Jahr: „Jan, wer et hät gewoss!” „Griet, wer et hätt gedonn!”

Aber Köln, die Stadt meiner Jugend, kann sich schnell wandeln. Ab der Halbmarathonmarke kommen wir endlich nach Kölle, dem richtigen, dem Kölle, weswegen ich hier laufe. Es geht nach Westen in die Innenstadt. Einsam sitzt Michael vor dem Tisch: „Minge Joongs sinn aal Pibbi maache!” Den Kerl kann ich doch nicht alleine mit seinen drei leeren Stühlen und dem halben Bierkasten da sitzen lassen.
„One day baby, we´ll be old and think of all the stories we could have told” so klingt es zaghaft aus dem Tischlautsprecher, als der 4:30 Pacemaker vorbeizieht. Erinnerungen werden wach. Nicht beim Golf, Zoobesuch oder sonntäglichem Brunch, sondern bei jedem meiner Läufe und bei einem leckeren Mühlenkölsch.

Bei Km 25 passieren wir die Uni. Wie nennt man eine Kölnerin an der Uni? Putze!

Endlich km 27, dort wo mein Freund Hans Süper lebt. Ich hatte letztes Jahr berichtet: Hans Süper war Teil des unvergesslichen Colonia Duetts, zusammen mit seinem Freund  „Zimmermäään”. Bei denen habe ich Tränen gelacht, denn über die politischen Mainzer Karnavals”witze” konnte ich schon damals nicht lachen. Also geh ich in Hänschen sinne Kneip: „Dö is net do!“  „Wo isser denn?”  „No, de zieht doch um!”  „Wohin denn!” „No, zum …“ (Name dem Autor bekannt)  „Ah suu, dann jebens mer zwee Kölsch“. Natürlich bin ich der Sprache nicht mehr so mächtig, schon gar nicht schriftlich. Aber ich erfahre, dass Hans wie immer auf Malle abhängt. Nun habe ich für Köln mit Bahncard 70 Euro hin und zurück bezahlt. Malle kostet ohne Bahncard 100, mein nächster Marathonbericht erfolgt also logischerweise aus Malle. Bin doch nicht blöd! Das Kölschglas mit Inhalt, worauf et ankütt, kostet 1,30, die folgenden auch, wie immer aufs Haus. Köln kann man knutschen!

„Gebt den Affen Bananen und sie werden laufen!” Ultra-Helmut schenkt mir Bierchen ein. Ist mir auch lieber, bin doch kein Affe. Witzig aber, immer mehr Bekannte stehen an der Strecke. Und jeder weiß was ich brauche, bis ich mir wie  Butler James vorkomme: „Oh must I ???!”

Und dann stehen da die vier sexy Cindy´s aus Marzahn. Statt in rosa, ganz in schwarz. Schock! Mit Rot-Kreuz-Tittenhaltern als Zielscheibe und diese kleinen  Feuerdingchen (Kokos-Chili!) in den Händen, die mir die Luftröhre wegbrennen und süchtig machen: I ´ll kill that Cat!

Aber einer geht immer, und noch einer: „Well….I will do my very best!”
Die nächsten Fotos sind halt verschwommen… Jugendschutz. Kontrolle. Ich habe keine schwarzen Abdrücke im Gesicht.

An einem Grill kann ich nicht vorbeilaufen. Liebe Marokkaner, lieber Lahcen, lieber Rachid, lieber Mohamed, lieber Mustafa! Ihr habt ja keine Ahnung, wie man Datteln futtert: Die Dinger muss man mit ganz fettem Schweinespeck umwickeln und dann auf den Grill legen! Das ist so geil wie Zuckerschneckchen, wenn die Zähne durch den knusprigen Speckrand in die weiche Dattel dringen. Ihr müsst noch viel lernen!


Rechter Hand Blick auf das Hahnentor am Rudolfsplatz, oder „Rudi” wie er genannt wird. Das Stadttor war eines der zwölf mittelalterlichen Torburgen. Die Kaiser, die in Aachen gekrönt wurden, betraten durch dieses Tor erstmalig Köln, das westliche Jerusalem, nach dessen Grundriss die Stadt erbaut wurde.

Zunächst sage ich mal, die Kölner waren Schießer, als sie die Franzosen kampflos durch das Hahnentor in die Stadt ließen. Die Einwohner waren verwundert über diese runtergekommene Truppe, die barfuß und zerlumpt, ohne einheitliche Uniform in Köln erschienen. Verwundert darüber, dass die Obrigkeit den französischen General alles beschlagnahmen ließ. Als dann Tage später Napoleon vor der Stadt erschien, spannten die Bürger sogar die Pferde vor seiner Kutsche aus und zogen ihn mit eigener Kraft in die Stadt hinein. Schießer, Liberale oder Pragmatiker? Habe lange nachgedacht, bin dann zum Schluss gekommen, Köln muss man knutschen!

Und dann die Kneipe “Weisser Holunder”. Der Name sagt alles. „Dumms`se Tünn“, „Die Axt” oder “Frischse Pitte” so hießen die Helden der Rotlichtszene. Als ich an der Pinte vorbeikomme, kündet nur das Graffiti „This Too Won´t Last” von der bewegten Vergangenheit. Wie oft habe ich hier, wo mich jeder (vom Marathon!) kennt, dem Moderator das Kölsch und die Fluppe geklaut.

Jupp Menth, der pensionierte Kriminalbeamte, sagt es ganz direkt, weckt urplötzlich meine MS-Sympathie: „Schläge haben damals dazu gehört, manchmal wurde eine Frau auch auf die heiße Herdplatte gesetzt.“ #

“Karate Jacky” sitzt hier, einst für Oympia nominiert, lebt er nun in einem Männerwohnheim, so wie all die anderen Hartz IV-Empfänger hier. Ganz im Hintergrund auch Anton Dumm, der nun Tauben züchtet. Einst war er der große Gegenspieler von “Schäfers Nas”. Aber egal, alte Zeiten. Ich muss weiter, nicht ohne zwei Bier und eine Fluppe.

Kleiner Witz, ich habe mir danach ein Power-Gel reingedrückt, ehrlich!

Km 37, die Gereonsmühle. Klar, ich muss ein bisschen Musik mit meinen Jungs Wolle und Ralle machen: “I heard a dark voice beside me say: Would you like something harter…”. Nun, Wolle und Ralle haben längst schon ihre Haare eingebüßt und tragen Rastafari-Perücken, aber eigentlich ist alles wie früher. Ich könnt´ Köln  knutschen.

Der Strecke vor dem Kölner Dom ist natürlich der Hit, aber leider zu schnell vorbei und meine Fotos bei der Geschwindigkeit auch nicht so der Hit. Die Gebeine der Drei Heiligen Könige aber, die nun im Kölner Dom liegen, die wurden von der Mutter des römischen Kaiser Konstantin aus Palästina ganz frisch mitgenommen. Kaiser Friedrich Barbarossa nahm sie dann 1158 aus Mailand mit. Schnell erklärt, so wie ich jetzt schnell ins Ziel laufe und Platz 40 mitnehme.

Ist doch schön, so wie früher während der Schul- und der Partyzeit in Köln. Nicht berühmt, aber das Wichtigste nehme ich immer mit! Köln, ich finde dich zum Knutschen! 

Marathonsieger

Männer

1 Kering, Alfred (KEN) 02:07:37
2 Getachew, Limenih (ETH) 02:07:39
3 Koech, Duncan (KEN) 02:07:53

14 Cierpinski, Falk (GER) 02:18:52

Frauen

1 Kiprop, Helena (KEN) 02:25:34
2 Bedasa, Shetaye (ETH) 02:27:29
3 Harun, Makda (ETH) 02:29:32

7 Lüring, Sandra (GER) 02:47:39


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Informationen: Generali Köln Marathon
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