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Laufberichte

Stadt, Land, Fluss: 42 Kilometer in 420 Bildern

05.06.11
Autor: Klaus Duwe

„Du hast noch einen weiten Weg“, sagt mir der Sprecher, als es auf einer Wendepunktstrecke ungefähr 2,5 km ostwärts geht. Ich weiß, denke ich mir. Und ich bin froh. Ich erinnere mich an einen Satz aus der Predigt gestern im Dom.  Aber  ich lass das jetzt, ich bin schon genug vom Thema abgewichen. 

Auch die Trommler unter der Eisenbahnbrücke und die Blasmusik beim  Wendepunkt  kann nichts daran ändern, dass man heute bei der Hitze schon bei knapp der Hälfte der Strecke am Kämpfen ist. Für jedes Erfrischungsangebot und jede Ablenkung ist man dankbar. Ich beobachte, wie ein Läufer sich von einem Anwohner mit Wasser bespritzen lässt. Weil ihm das nicht reicht, kippt er sich seinen letzten Wasservorrat über den Kopf. Als er kurz darauf zu zwei Mädels aufschließt, fragt er locker: „Na, wie geht’s?“ „Gut, und Dir?“ „Auch gut. Ideales Laufwetter heute. Auch nicht zu warm.“ Da fällt den Mädels nichts mehr ein und ich kann nur mühsam einen Brüller zurückhalten.

„Hey, da drüben läuft Klaus“, ruft eines der Trommel-Girls, die sich daran erinnert, dass ich eben beim Hinweg ein paar Fotos von ihnen machte. Schon legen sie einen Zahn zu. Ich auch. Dann Iso für innen, Wasser für außen, ein Bananenstückchen und auf geht’s durch Ostentor erneut in die Altstadt. Nicht nur auf der Strecke ist es jetzt bedeutend ruhiger, auch die Stadt ist bei weitem nicht mehr so belebt wie noch vor zwei Stunden. Sogar die Touris fehlen. Ist es auch zum Schauen schon zu warm? 

Am Dom ist natürlich noch einmal ganz gute Stimmung, auch am Kohlen- und Rathausplatz. Spätestens aber bei km 26, als uns auf einer kurzen Begegnungsstrecke die 3:30Läufer entgegenkommen, beginnt die mentale Prüfung. Umkehren und 90 Minuten „sparen“?  So einen Scheiß hab ich noch nie gemacht und auch jetzt ist Aufgeben keine Option.  Das hebe ich mir für wirklich schlechte Tage auf. Heute geht es mir gut. 

Ich suche das andere Donauufer nach der Walhalla ab. Hab‘  ich den Ruhmestempel  bei der ersten Runde übersehen? Ich frage eine Helferin. Nein, sagt sie mir. Die Walhalla ist in der anderen Richtung, flussabwärts.  Schade. König Ludwig I. ließ die „Halle der Gefallenen“ im Stile eines griechischen Tempels  errichten. An 195 bedeutende deutsche Persönlichkeiten wird mit Büsten und Gedenktafeln erinnert.

An manchen Stellen haben sich Badegäste eingefunden, andere  Ausflügler sind mit Booten auf dem Fluss unterwegs. Ich erinnere mich an meine Zeit bei den Pionieren. Da war ich auch viel auf der Donau  unterwegs, mit Sturmbooten und Amphibien. Das war wie Urlaub. Ich musste aber auch Pontons schleppen, um eine Brücke zu bauen.  Das war dann Knochenarbeit. Meine heutige Aufgabe liegt so in etwa dazwischen.

Mag ja sein, dass es lustlos ausschaut, wie ich dahin trabe.  Ist es aber nicht. Ich habe einfach nicht mehr drauf. Die Trommler bei der Eisenbahnbrücke sehen das von weitem und werden aktiv.  Noch 10 Kilometer. Ich schaff das. Alles nur eine Frage der Zeit.

Aus mächtigen Lausprechern schreit mir Mick Jagger „Jumping Jack Flash“ entgegen, dann dringen leisere Töne an mein Ohr. Eine wunderbare Melodie, live gespielt und gesungen. „Here I stand,  head in hand ….“  Ich beeile mich, will beim Refrain bei der Band sein. Es  klappt, gemeinsam  singen  wir: „Hey, you've got to hide your love away - hey, you've got to hide your love away”.  

Das Lied ist von den Beatles und erschien 1965 auf der LP (das waren große schwarze Scheiben) „Help“.  Mein Vater fällt mir ein. Er konnte mit dieser Musik natürlich nichts anfangen und meinte, „in drei, vier Jahren hört man von denen nichts mehr.“  Gestern auf der Jahninsel hörte ich  drei Mädchen zu, 14 oder 15 Jahre jung. Sie spielten und sangen „Let it be.“  Ein guter Prophet war mein Vater nicht.

Ich habe frischen Schwung, der reicht für 2 Kilometer. Die Frau, die mir bei der ersten Runde noch von ihrem Frühstück was angeboten hat, steht jetzt mit der Gießkanne bereit. Auch das tut sie nicht umsonst  - Lynn aus den USA  lässt sich spontan abkühlen. Fast hört man es zischen. 

Den einen oder anderen müden Krieger kann ich trotz meiner gemächlichen Gangart einsammeln, überholen tut mich keiner.  Um mich abzulenken und mir ein Päuschen zu verschaffen, scherze ich mit den Helfern oder gebe einem Passanten meinen Fotoapparat: „Da, drück mal ab.“  Von der Altstadt  sehe ich nichts mehr.

Anstieg Nibelungenbrücke, noch 2 km. Ich will nur noch ins Ziel. Kai geht es auch so. Er macht seinen ersten Marathon. Torsten, sein Begleiter, hat da schon mehr Erfahrung und noch Reserven. Aber er lässt seinen Freund nicht hängen. 

Letzter Kilometer Walhalla-Allee. Ich muss noch einmal stehenbleiben. „Machst Du ein Bild von mir?“ Ein medaillengeschmückter Finisher erbarmt sich. „Reiß di zomm“, ruft er hinter mir her. „Alles Gute“, heißt das auf Deutsch.  Ein paar Meter fehlen noch. Deshalb läuft man nicht direkt in die Halle, sondern macht noch eine kleine Schleife. Ist mir völlig egal. Jetzt würde ich auch bis Passau laufen.

Ein roter Teppich weist den Weg vom gleisenden Sonnenlicht in die dunkle Halle. Blitze zucken, rot und gelb, blau und grün. Musik, Applaus. Ich breite die Arme aus und fliege ins Ziel. 

 
 

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