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Laufberichte

Laufausflug ins Mittelalter

 

Regensburg ist eine Stadt mit ganz besonderem Flair: Mit einer mittelalterlichen Altstadt, wie man sie in dieser Größe und Geschlossenheit in Deutschland kaum noch findet. Berühmt sind der Dom, dessen "Spatzen" und die Steinerne Brücke über die Donau. Ein Erlebnis ist, sich im Labyrinth der Gassen zu verlieren. Kein Wunder, dass das komplette Altstadtensemble als UNESCO-Weltkulturerbe unter besonderem Schutz und auch touristisch hoch im Kurs steht. Gleichzeitig ist die Oberpfälzer Metropole eine junge Stadt. Mit einer renommierten Uni, vielen Studenten und einer überaus bunten Kneipenszene.

Regensburg ist aber auch "Marathonstadt". Und das schon seit 1990. Nur: Marathonisch hat die Stadt zuletzt zunehmend an Strahlkraft eingebüßt. Noch 2005 war Regensburg mit 1.645  Finishern nach München die unangefochtene Nummer zwei der bayerischen Marathonszene. Danach ging es bergab. 2014 fanden gerade einmal noch 455 nach 42,2 km ins Ziel, 2012 musste die Veranstaltung gar abgesagt werden. Letztlich sind es die Zusatzbewerbe über die Halb- und Viertelmarathondistanz, die das Teilnehmerfeld auf einem respektablen Gesamtniveau halten. Und 2015? Zumindest scheint der Abwärtstrend gestoppt, obwohl just und ausgerechnet am 17. Mai auch beim unterfränkischen Dauerrivalen Würzburg die Marathonfete steigt. Denn über 600 haben sich für den Marathon, gut 4.000 in allen Bewerben angesagt.

 

 

Start im Regensburger Outback

 

Einiges ausprobiert wurde in all den Jahren bei der Streckenführung. Als Einrundenkurs führte sie schon einmal entlang der Donau bis zur Walhalla hinaus. Ein Highlight war lange die Querung der Steinernen Brücke, doch darauf müssen die Streckenplaner schon seit 2010 und noch bis 2017 restaurierungsbedingt verzichten. Der aktuelle Zweirundenkurs südlich der Donau hat aber zumindest viel Altstadt – insgesamt immerhin etwa 11 km - im Programm.

Gestartet werden alle Läufe allerdings in Regensburgs „Outback“, konkret auf dem weitläufigen Parkplatz des Infineon-Betriebsgeländes beim Westbad. Gut organisiert ist die Anreise für Autofahrer. Auf verschiedenen Parkplätzen am westlichen Stadtrand kann man sein Auto stehen lassen und sich von einem Shuttlebus zum Start- und Zielgelände chauffieren lassen. Im großen Festzelt bekomme ich hier auch noch am frühen Sonntagmorgen meine Startunterlagen. Und auch sonst ist viel los: Die Marathonmesse ist selbst am Lauftag und schon früh morgens voll im Gange. Draußen bieten allerlei Fressbuden Gelegenheit zum vormarathonischen Frühstück. Gewaltig ist die Zahl der im und vor dem Zelt aufgebauten Biergartentisch- und bankgarnituren. Jetzt müsste nur noch das Wetter mitspielen, denn am Himmel dräuen dunkle Wolken. Zum Laufen allerdings sind die Bedingungen ideal. Auf den umliegenden Wiesen finde ich die Pavillons und LKWs für die Gepäckaufbewahrung. Alles ist großzügig und übersichtlich angelegt - ein Startgelände zum Wohlfühlen. Entsprechend entspannt ist die Stimmung.

Ich freue mich Christian zu treffen. Er ist der Einzige aus meinem Freundeskreis aus Jugendtagen, der wie ich im Alter (also so ab 40) zum Langstreckenlauf gefunden hat. Allerdings in einer deutlich verschärften Form: Als Ironman-Triathlet. Radfahren ist ja ganz nett, aber das Wasser …. wenn es nicht gar so nass und kalt wäre …. Ich denke, in diesem Leben bleibe ich beim Laufen.

Erst gegen 8:15 Uhr wird es voll im Startkanal auf der Clemont-Ferrand-Allee. Etwa 3.000 Halb- und Vollmarathonläufer sammeln sich musikbedröhnt zum kollektiven Starterlebnis. Ein letztes gemeinsames Händeklatschen, schon knallt um Punkt 8:30 Uhr der Startschuss.

Flott geht es noch dichtgedrängt durch das morgenstille Gewerbegebiet West. Unter der von Glaswänden eingehausten A 93 hindurch wechseln wir hinüber in zentrumsnahe Wohngebiete und traben morgenfrisch, vorbei am Stadtpark, geradewegs dem Stadtkern entgegen.

 

Altstadt zum Ersten

 

Das Jakobstor nach 2,5 km signalisiert uns: Wir haben den westlichsten Rand der Regensburger Altstadt erreicht. Im 13. Jahrhundert war das Jakobstor eines der vier Eingangsportale der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Bis heute erhalten sind noch die beiden zinnengekrönten Rundtürme der Toranlage. Burg-Feeling versprühen sie allerdings wenig. Dafür sind einfach zu ordentlich hergerichtet. Zwischen den Türmen hindurch treten wir ein in eine ganz andere Welt, eine Welt, in der sich zumindest architektonisch viel Mittelalter bewahrt hat.

Sightseeingmäßig geht es nun Schlag auf Schlag. Zur Rechten passieren wir die ehemalige Klosterkirche St. Jakob, auch als „Schottenkirche“ bekannt, da sie im 12. Jahrhundert von irischen Wandermönchen begründet wurde. Nur: Was haben die Schotten mit den Iren zu tun? Des Rätsels Lösung: Im Volksmund wurden die irischen Mönche auch Skoten genannt. Auffällig und berühmt ist vor allem das finstere Nordportal mit seinem nordisch-mystischen Bildrelief. Viel Zeit zum Gucken bleibt nicht, denn schon queren wir gleich dahinter den Bismarckplatz mit dem Stadttheater Regensburg und der ehemaligen französischen Gesandtschaft.

Auf Kopfsteinpflaster trappeln wir entlang der  Gesandtenstraße durch eine enge Häuserschlucht.  Hier und da prunkt ein Kirchenportal, mal spitzt ein Turm hervor, weitet sich die Gasse zu einem kleinen Platz. Als gewissenhafter Autor habe ich mir vorher auf einem Plan angeschaut, was es alles zu sehen gibt und das sind vor allem jede Menge alter Kirchen: St. Kassian, Stift zu unserer lieben Frau, Karmeliterkirche St. Josef heißen sie etwa. Aber offen gesagt: Ich habe keine Ahnung, was mir im Laufschritt im verschachtelten Häuserlabyrinth letztlich so begegnet. Ein lokaler Laufführer wäre da hilfreich. Auf der anderen Seite ist das aber auch egal: Denn das eigentliche Highlight ist das bloße Erlebnis, durch die schmalen Gassen zu kurven. 

Nur bei zwei Türmen, die ich schon aus der Ferne über die Altstadtdächer ragen sehe, weiß ich sofort, wo ich sie einordnen muss. 105 m hoch überragen die beiden Haupttürme des Regensburger Doms St. Peter mit ihren prachtvoll-schnörkeligen Spitzen die Altstadt. Wir müssen allerdings erst noch einen Schlenker durch das Gassengewirr drehen, ehe wir durch einen Torbogen nach 4 km auf den Domplatz hinaustreten und den Dom in seiner ganzen Dimension zu Gesicht bekommen. Seit dem Jahre 1273 wurde an dem filigranen Prachtbau gewerkelt, der heute als Hauptwerk gotischer Architektur in Süddeutschland gilt. Ein wenig wie der  Kölner Dom mutet er an, nur eben eine Nummer kleiner. 

Zur Hälfte umrunden wir den Dom, schon verschwinden wir Unter den Schwibbögen. So heißt die enge Gasse, der wir jetzt folgen. Nicht ganz so auffällig, aber umso geschichtsträchtiger ist die  Porta Pretoria, die wir hier passieren. So bezeichneten die Römer einst das Haupttor ihrer Militärlager. Das Tor wirft ein Schlaglicht auf die lange Geschichte der Stadt und ihre strategische Bedeutung schon zu Zeiten der alten Römer, als in „Castra Regina“ 179 n Chr. unter Kaiser Marc Aurel eine Legion mit 6.000 Soldaten stationiert war und damit die Keimzelle der heutigen Stadt gelegt wurde. Die erhaltenen Reste des Tores sind heute in die Bebauung integiert, heben sich durch den Schwarz-Weiß-Kontrast des Mauerwerks aber gut ab. 

Nach rechts geht es in die Dr. Martin Luther-Straße, vorbei am Historischen Museum, über den Minoritenweg und entlang einer weitläufigen Klosteranlage langsam aus der Altstadt hinaus. 

 

Die andere Seite Regensburgs

 

Quasi als Gegenstück zum Jakobstor im Westen markiert nach 5,5 km das trutzige Ostentor den östlichen Rand der Altstadt. Schießscharten und Gusserker im Haupt- und in den beiden Nebentürmen erinnern daran, wie man den Zugang zur Stadt einst gesichert hat.

Nach so vielen Eindrücken stört es wenig, dass wir ab km 6 entlang der Straubinger Straße den schlichten Charme eines gesichtslosen Gewerbegebiets erleben dürfen. Ein wenig chicer, wenn auch nicht wirklich aufregender wird die Architektur im wenig später folgenden businessPARK, der immerhin belegt, dass Regensburg eine ökonomisch prosperierende Kommune ist. Echte Abwechslung schaffen dafür diverse Musikgruppen. Rock, Samba, Blech – alles mögliche hat sich am Straßenrand eingefunden und heizt uns mit viel Lust und Laune ein. 

Gehupe und Blaulicht scheucht mich bei km 9 auf. Achtung Gegenverkehr heißt es: Denn die Spitzenläufer, wie Staatsgäste bewacht und begleitet, sind schon auf ihrem Rückweg gen Altstadt.  Erst tröpfeln sie nur vereinzelt heran, dann werden es mehr und mehr, die mir entgegen kommen. Viele Kilometer des Parcours durch die Gewerbezonen im Osten der Stadt sind gegenläufig angelegt. So habe ich die Gelegenheit, fast das gesamte Lauffeld an mir vorbei ziehen zu sehen, kann also die schnellen Topläufer an der Spitze ebenso bewundern wie die schnaufenden Rösser im hinteren Feld bedauern.

Auf langen Geraden geht es nun durch das Gelände der Großkonzerne. Im Gewerbegebiet Siemensstraße macht sich vor allem ein Unternehmen breit: Die Continental Automotive GmbH. Gemeinhin bekannt ist Continental als „der“ deutsche Reifenhersteller, aber das Unternehmen ist in vielerlei Hinsicht ein Schwergewicht auf dem Markt der Autoteilezulieferer. Und hat in Regensburg auch eine eigene Teststrecke. „Jetzt geht’s rund“ verheißt eine große Leinwand am Zugang. Das dürfen wir wörtlich nehmen. Denn als spezielles Highlight dürfen wir eine Schleife auf dem sogenannten „Systemprüfkurs“, auch Carrerabahnweg genannt, drehen. Exakt 1.306 m ist die in Graspampa eingebettete Asphaltpiste lang, mit erhöht angelegten Kurven. Im richtigen Leben werden hier Bremsen und Reifen getestet, ausnahmsweise zu besonderen Anlässen aber auch schon einmal Radfahrer, Inlineskater oder wie heute die Marathonis auf den abgesperrten Rundkurs losgelassen. Nun ja: High-Speed-Feeling will nicht wirklich aufkommen, eine nette Idee ist dieser Rundkurs aber allemal.

Auf schon weitestgehend bekannter Strecke und ab km 13 via Straubinger Straße geht es sodann auf direktem Weg zurück in Richtung Altstadt.

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Informationen: Regensburg Marathon
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