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Laufberichte

An der silbernen Moldau

 

Kurz hinter dem Nationaltheater ruft mich Thomas aus Münster aus meinen Erinnerungen wieder zurück in Marathonwirklichkeit: „Mach mal ein schönes Bild von mir und meiner Frau!“ Kein Problem: Ich lege einen kurzen Sprint bis hinter eine Querstraße ein, welche den ansonsten von prächtigen Häusern gesäumten Uferboulevard kurz ins Sonnenlicht taucht: Das Bild gelingt in der Tat, prächtig mit dem Nationaltheater im Hintergrund! Kurz danach kommt auf der linken Straßenseite, wo wir laufen, das Kilometerschild 16, während die hier entgegen kommenden Läufer bereits auf die 24 treffen. Es folgt allerdings keine vier Kilometer lange Wendestrecke, sondern es geht für uns gleich darauf links in ein Seitental des Moldautals hinein, immer längs einer Eisenbahnstrecke. Auch wenn Prag hier im Tälchen des Botič eigentlich kein touristisches Ziel ist, ist es hier recht nett, und selbst die zweimal unterquerte Schnellstraße, unter deren Brücke auch die „rote Metrolinie C“ eingehängt ist, stört kaum, weil sie viele Dutzend Meter höher verläuft. 

 


Beim Rückweg zur Moldau zeigt sich dann vor uns eine gewaltige Mauerbastion: Der Vyšehrad, der Standort einer früher wichtigen Burganlage, die zeitweise sogar die Bedeutung des Hradschin übertraf. Um sich auf die jahrhundertelange Tradition der Přemysliden zu berufen, führte Karl IV. im 14. Jahrhundert wieder die Tradition des Krönungszugs ab dem Vyšehrad ein und ließ Felsen und Festung weiter ausbauen. Unter den Hussiten wurde sie zerstört und erst als barocke Festung später weiter ausgebaut. Schließlich wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts die Kirche von Peter und Paul mit ihren heutigen Doppeltürmen festgestellt, die schon von weither den Vyšehrad kennzeichnet. Wer Prag einmal ohne allzu große Touristenströme genießen möchte, sollte sich zu einem halbtägigen Ausflug dorthin aufmachen.

Zurückgekehrt an die Moldau müssen wir den Felsen des Vyšehrad mit einem kurzen Tunnel unterqueren, ehe die Wendestrecke noch zwei Kilometer weiter, bis kurz hinter die Halbmarathonmarke, nach Süden führt. Dann laufen auch wir den langsameren Läufern entgegen, drei Kilometer mit immer schönem Moldau-, später auch Hradschin-Blick nach Norden, und überqueren auf Kilometer 25 zum fünften Mal den Fluss. Unterhalb der Brücke kann man die Läufer sehen, die mittlerweile auf dem 31. Kilometer sind. Ein kurzer Abstecher in die Vorstadt, dann wieder eine längere, hier nicht so schöne Pendelstrecke.  Solche Strecken gibt es aber beim Prag-Marathon relativ wenig und meist werden sie als Begegnungsstrecke und mit Musik aufgelockert. 

 

 

Wer den Streckenplan aufmerksam studiert hat, weiß, dass es bei Kilometer 32 zum sechsten Mal über die Moldau und direkt auf das Nationaltheater zugeht, und dass man dann einen Kilometer später, am „Panoramaufer“ der Moldau entlang, an der Ostseite der Karlsbrücke vorbei läuft. Ab hier, ab Kilometer 32,2, ist die Strecke mit der schon vorher ab Kilometer 2,8 gelaufenen Strecke identisch – was mich eigentlich nicht stört, denn Langeweile kommt nach einigen spannenden Stunden auch beim zweiten Lauf auf dieser Runde nicht auf. Es ist eher ein Vorteil zu wissen, was einen erwartet. Und das ist jetzt, beim Lauf zur weit im Osten gelegenen Libeňský-Brücke, nicht ohne. Allmählich nähere ich mich trotz Mütze einem leichten Sonnenstich. Aber immerhin weiß ich noch: Auf der Brücke steht die „37“, und danach geht es schnurstracks dem Ziel entgegen!

Trotz kurzen Gehpausen tut es gut zu wissen: Gleich ist es geschafft. Und einen Kilometer vor dem Ziel bin ich noch so klar im Kopf, dass ich merke, dass ich durchlaufend problemlos das Ziel sub fünf Stunden erreichen werde. So ist der dritte Lauf über die Pařížiská zum Altstädter Ring – zum zweiten Mal in dieser Richtung – ein Hochgenuss. Welch ein Zieleinlauf – immer noch herrscht auf dem Platz eine Riesenstimmung!

 

 

Zweieinhalb Stunden später: Am unteren Ende des Wenzelsplatzes haben bereits die Aufräumarbeiten angefangen, aber mit meiner Medaille bekomme ich trotz inzwischen „theaterfeiner Kleidung“ noch ein Bier und sogar binnen kaum zwei Minuten die Medaillengravur. Dafür, dass ich überhaupt nicht fit war, ist 4:58:01 eine tolle Zeit. 

Und ich habe mich damit nicht zu sehr verausgabt. In einer Loge des Nationaltheaters habe ich während der gut zweieinhalbstündigen Aufführung von „Libuše“ zwar Angst vor Krämpfen, weil ich die Beine nicht ausstrecken kann, aber ich bin überraschend frisch und im Kopf kein bißchen müde. Während die herrliche Musik von Smetana auf Weltklasseniveau das Theater flutet, denke ich daran, wie wir vor wenigen Stunden den Libuše-Felsen des Vyšehrad zweimal durchquert und beim Rückweg zu den hohen Befestigungsmauern über der Moldau hinaufgeschaut haben. 


Der Prag-Marathon ist tatsächlich nicht nur für mich mit vielen persönlichen Erinnerungen verbunden, sondern darüber hinaus für jeden der fast 5.800 Finisher ein tolles Lauferlebnis in einer der schönsten Metropolen Europas: Teilnehmen und Prag besuchen lohnt sich!

 

Fazit:

 

Ein reiner Marathon ohne Halbmarathon-Konkurrenz auf einem zu einem großen Teil an der Moldau verlaufenden, weitgehend sehr flachen Kurs. Trotz des gelegentlichen, meist aber guten Pflasters sind sehr schnelle Zeiten möglich. Als Genusslauf ist der Prag Marathon ein Muss!

 

Impressionen
 

(Klaus und Margot Duwe)

 

 





 

 

Siegerliste

 

Männer


1 CHERONO LAWRENCE    KEN  02:07:24  
2 KANDIE FELIX KIPCHIRCHIR    KEN  02:08:14  
3 YEGO SOLOMON KIRWA    KEN  02:08:31  

 

Frauen


1 KARIMI LUCY    KEN     02:24:46   
2 RIONORIPO PURITY C.    KEN  02:25:00  
3 CHEBET RISPER    KEN  02:27:23   

 

5778 Finisher

 

 

 

 

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Informationen: Prague Marathon
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