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Laufberichte

Goldene Stadt mit vielen Brücken

09.05.10

Lang, lang ist’s her. Nach exakt 20 Jahren wieder in Prag. Mein letzter Besuch datiert aus Ostern 1990, also kurz nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes, damals gab’s hier allerdings noch keinen Stadtmarathon, der feiert nämlich am Sonntag seine 16. Ausgabe, Maraton Praha.

Als Transportmittel wählen wir den Zug, die Anreise erfolgt am Freitagnachmittag bequem und stressfrei über Budweis. Nach etwas mehr als vierstündiger Bahnfahrt Ankunft am Prager (Jugendstil-) Hauptbahnhof. Mit der Straßenbahn Nr. 9 rumpeln wir weiter in den historischen Stadtteil Mala Strana, die Prager Kleinseite, sozusagen die linke Moldauseite. Unser Quartier, eine kleine Pension, wird unweit der berühmten Karlsbrücke bezogen, mittelalterliches Flair allerorts, Moldaublick inklusive.

Am Samstag werden die Startunterlagen abgeholt. Das Industriepalais Prumyslovy Palac im Stadtteil Praha 7, einfach erreichbar, bietet hiefür eine beeindruckende Kulisse, die Marathonmesse ist groß aufgezogen, viel Aktionsraum für Schnäppchenjäger.

Sonntag, Renntag. Der Start erfolgt am Altstädterring, dem Staromestska namesti, mittendrin in der Läuferschar das Denkmal von Johannes Hus, dem großen tschechischen Reformator des 14./15. Jahrhunderts. Dichtes Gedränge im Startbereich, der süßlich-frische Geruch von Muskelöl liegt in der Luft, nervös tänzelnde Afrikaner an der Startlinie ganz, ganz vorne, Temperatur geschätzte 10 bis 12 Grad Celsius, aber strahlender Sonnenschein. Tausende Marathonläufer und etliche Staffelteilnehmer drängen herein. Ganz schön eng.

Von meinen bisherigen Startplätzen ist der hier zweifellos einer der Imposantesten. Keine üppige Grünanlage irgendwo in der gesichtslosen Peripherie, keine mehrspurige, extrabreite Stadtautobahn; nein, eine unebene, gepflasterte Fläche im mittelalterlichen, denkmalgeschützten Herz einer Millionenstadt - gibt’s auch nicht alle Tage. Ich stehe irgendwo eingezwickt im Niemandsland in einer Seitengasse, habe diesmal aber auch keinerlei Zeitambitionen, möchte einfach locker drüberkommen. Stressfrei. Vor mir der Mann mit dem Luftballon 3 : 45. Na ja, den möchte ich doch hinter mir haben, soviel Ehrgeiz muss sein.

Punkt 9 Uhr, zu den angenehmen Klängen von Smetana’s „Die Moldau“ werden wir auf die Strecke geschickt. Bunte Luftballons über uns. Auf geht’s, aber zu Beginn ist ohnehin Gehen angesagt. Hatte ich auch noch nie! Langsam kommt doch so etwas wie eine Laufbewegung zustande, unter dem Startbogen durch, die Startuhr zeigt bereits gute 4 Minuten an. Schulter an Schulter geht’s weiter auf den ersten Kilometern, Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen. Nur nicht stolpern und verletzen. Noble Zurückhaltung ist angesagt.

Runter Richtung Moldau, Abbiegen nach links und rauf auf die erste Brücke, auf der Kleinseite wieder runter, Rückstau bei einer Straßenenge. Nach einer kleinen Schleife geht es flussabwärts. Der Hradschany, die Prager Burg mit dem Veitsdom, ihres Zeichen größte Burganlage der Welt (!), thront mächtig auf einer Anhöhe und überwacht das bunte Treiben zu ihren Füßen. Nach 5, 6  Kilometern lockert sich die Meute auf und jeder findet seinen Platz. Mittlerweile muss auch einer meiner Söhne gestartet sein, er gibt sich den 4,2 Kilometer- Family-Run.

Bei Kilometer 7 folgt die nächste Flussüberquerung, es wird nun Richtung Stadtteil Josefov, dem jüdischen Viertel, weitergelaufen. Franz Kafka guckt um die Ecke. Die Moldau weist uns den Weg. Bunte Ausflugsschiffe. Kilometer 10, erste Zeitabnahme in einer langezogenen Eisenbahnunterführung. Hier unten ist auch die erste Staffelübergabe, heimelig-schummrige Bunkeratmosphäre, wartende Staffelteams begrüßen uns lautstark. Dann wieder Einbiegen zum Startgelände, dem Altstädter Ring. Es wird diesmal durchgelaufen. Kinder mit den Fahnen der teilnehmenden Nationen stehen am Rand, nette Idee.

In weiser Voraussicht habe ich nicht meine superdünnen Rennpatschen, sondern stabileres Schuhwerk aufgezogen, das Pflaster massiert nämlich ordentlich durch. Eine Ehrenrunde in der Altstadt, überall viel Publikum und Szenenapplaus. Wieder entlang der Moldau flussaufwärts. Es wird wärmer, schließlich haben wir schon Mai. Getränkestände alle 2,5 Kilometer, alles prima organisiert. Dann weg vom Wasser und rein in den 2. Prager Stadtbezirk. Rund um einige Häuserblocks. Nach gut 2 Kilometern wieder laufend entlang der Moldau, Wendepunkt bei der Halbmarathonmarke. Musik - live oder aus der Retorte - sorgt für gute Stimmung.

Bei Kilometer 25 über die nächste most = Brücke. Seitenwechsel. Lange Gegengerade. Wendepunkt bei Kilometer 28. Gewerbezone, Autohändler. Dem Auge wird wenig Interessantes geboten. Da vorne wird schon der 30-iger markiert. Mein persönliches Lauftempo ist auf Joggingniveau. Bilde ich mir jedenfalls ein. Aber wie schon gesagt, heute einfach nur Durchlaufen. Kein Blick auf die Uhr. Diesmal ganz ohne K(r)ampf um Zeit oder Platzierungen. Die Sonne sticht etwas böse vom Himmel. Trinken bei jedem Stand. 

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Informationen: Prague Marathon
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