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Laufberichte

12 Monate ohne Malle Marathon sind hart

 
Autor: Joe Kelbel

Die Laufstrecke geht jetzt kurz über beide Ufer des Torrent Sa Riera entlang. Das ist ein Kanal, der vor 400 Jahren gebaut wurde. Der eigentliche Fluß führt zwischen dem Passeig des Born und der Rambla. Über einen Bogen geht es über die Ringstrassen, die den Verlauf der früheren Stadtmauer erkennen lassen, dann tauchen wir über die Carrer de Sant Miquel in die Altstadt ein. Der Placa Major (km 15) bietet grandiose Stimmung, mit Moderator, Musik und Cheerleader. „Scheiß drauf! Marathon ist nur einmal im Jahr“ steht topaktuell auf dem Shirt meines Vorläufers. Mir geht der Song von Peter Wackel nicht aus dem Kopf. Allein dieser Titel ist schon ein Hit!

Wir kreuzen ein paar alte Strassenbahnschienen, die sind 100 Jahre alt. Bis in die 50er Jahre  herrschte noch Linksverkehr auf der Insel, wie auf den Fotos meiner Eltern zusehen ist. Sie fuhren damals ein winziges Elektroauto. Die Gehsteige durfte man nur in eine Richtung benutzen. § 107 der Strassenordnung von Mallorca schreibt übrigens immer noch den Linksverkehr vor.

Elegante Fassade des Llotja de Palma (15.Jahrh), der früheren Seehandelsbörse, rechts der Almudain Palast, links die Kathedrale. Hinter der Kathedrale ist das Diözesanmuseum. Dort liegt der einbalsamierte Drache, der im Mittelalter den Schrecken nach Palma brachte. Vermutlich war es ein Krokodil, das als Jungtier mit einem der Handelsschiffe nach Palma kam und dann in der Kanalisation aufwuchs. Genauso wüst spielt eine Transe auf der Geige. Trotzdem Danke!

Und wieder zurück in die schmalen Gassen der Altstadt. Im Schutz der Hauseingänge kann ich stehen bleiben, um Fotos zu schiessen. Maximal drei Läufer können nebeneinander laufen. Die Enge der Gassen geben einem das Gefühl, richtig schnell zu laufen. An den Hausecken kann man sich herrlich in die Kurve legen, um den Weg abzukürzen.

Wir sind in der Calle de Palau. Spanien hat lange seinen Kolonien nachgetrauert, die es an Deutschland verkaufen musste. Der Papst hat den Richterspruch nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg um Mikronesien gesprochen. Bremen und Hamburg hatten die besseren Handelsverbindungen in den Pazifik und deren Kaufleute zahlten den Preis an Spanien. Erst als vor der Jahrhundertwende der internationale Druck aufkam, forderten die Kaufleute den Schutz des Deutschen Reiches für ihre Handelsgebiete.

Es gibt noch einen kleinen Schlenker nach Norden in die Stadt zurück, dann geht es in Windeseile den Tankstellenberg hinunter. Wir verabschieden uns von den HM-Läufern und treten eine weite Reise Richtung Arenal an.

Jeder Marathonläufer hat sich vorgenommen, ab hier richtig Gas zu geben. Doch nach den angenehm schattigen Passagen in der Altstadt trifft uns nun die volle Wucht der Sonne. Man sieht erste Geher. Gehen ist ansteckend wie Ebola. Ein bisschen Heilung versprechen die VP´s. Dort gibt es Wasserflaschen, Iso, Bananen Äpfel und hübsche Tänzerinnen.

Eine Stunde später: Große, in deutsch geschriebene Speisekarten kündigen es an. Wir kommen nach Arenal (= Sandfläche). Links das „Riu Palace“, Revier von Mickie Krause, eigentlich Michael Engels, der Schlagerstar, der mit 15 Jahren zum Bravo-Boy gewählt wurde und mit „Zehn Nackte Friseusen“ seinen Durchbruch hatte. Er hat gerade den Halbmarathon in 1:29 gefinisht. Alle Achtung! Und das mit voller Frisur!

Nebenan in der „Schlagersuite“ treten die Atzen („Hey, das geht ab!“) auf. Und Costa Cordalis singt von seiner Anita. Die Diskothek „Soul Suite“, sage ich  mal, ist anspruchsvoller. Anspruchsvoller müsste auch mein Laufstil werden. Im Tran höre ich einen Schrei: „JOE!“ 15 Jahre nicht gesehen und jetzt erkennt mich Steffi sofort wieder -  an meinem einzigartigen Laufstil. Ihre Töchter sind hübsch geworden. Die Welt ist klein.

Arenal  hat einen blitzsauberen, feinen Sandstrand, flach, einfach gemütlich. Das Wasser ist klar, am Abend schwimmen hier Bierdosen. Jetzt geht es zurück nach Palma. Wir sind beim Balneario (= Heilbad) Nr 7. Es gibt 15 „Heilbäder“. Die Bezeichnung stammt aus der Zeit, als Männlein und Weiblein nur getrennt baden durften. Heilbad Nr 6 ist 100 Meter von der Wendemarke entfernt. „Balneario seis“ lässt sich auch nüchtern schlecht aussprechen, deswegen kurz „Ballermann“.

Zehn Kilometer geht es jetzt an der Beachfront entlang zurück nach Palma, bis zum Heilbad Nr 1 und dann noch weiter. Was gab es gestern noch für hochwertige Schlager? „1000 Träume weit“ und das Fliegerlied „ Und ich flieg, flieg, flieg“. Von fliegen kann keine Rede sein. Es ist brütend heiß. Dazu passet das Lied: „Du bist flach wie der Bodensee“, welches sich auf das Meer bezieht, nicht auf das Mädchen, das gekonnt an der Stange turnt.

Über dieses besondere Fleckchen Deutschland berichte ich im Anschluß, wenn die After Race Party mit Mikie Krause („Nur noch Schuhe an“) steigt. Zunächst ruft die Arbeit. Und die ist gewaltig. 30 Grad im Schatten, den es hier auf dem Uferweg nicht gibt.

Irgendwann wieder ein Schrei, der mich weckt : „JOE!“  Diesmal ist es ist HaWe, unser M4Y-Hero, der mich beim Gehen erwischt. Dann beginnt das….

 

Blutbad

 
Wir sind mitten im Gemetzel, im Blutbad, so kann man den Namen des Naturschutzgebietes El Carnatge übersetzen. Hier wurden früher Tierkadaver ausgeweidet. Die Haut wurde zum Trocken  ausgebreitet, aus den Knochen wurde Seife gekocht. Ironie der Natur, denn die zum Meer abfallenden Felsen sind auch aus Knochen, aus versteinerten Knochen des Pleistozäns, und von hoher wissenschaftlicher Bedeutung.

Scharf abgeschnittene Felsen zeugen davon, dass man Zeugnisse der Erde als Baumaterial missbrauchte. Misshandelt werden wir auch. In den zahlreichen Buchten steht die Hitze. Das angeschwemmte, jetzt gärende Seegras versaut die Luft, die uns fehlt. Marathon ist härter, als ich dachte. Jetzt überholt mich auch noch M4Y-Kollege Klaus Klein.

„Aber scheiss drauf, Malle ist nur einmal im Jahr!“ Aus einer Bar dröhnt mein Lieblingssong. Peter Wackel, eigentlich Steffen Peter Haas, seit 1999 in den Après Skibars und natürlich auf Malle mit seinem „Bussi Bussi“ und „Manchmal möchte ich schon mit dir“ großgeworden, hat seinen WM-Song umgetextet und nun gröhlt man auch hier auf den 10 km Strand dieses „Scheiß drauf“.

Für mich Anlaß, mich zusammenzureissen. Das Zeitlimit von 6 Stunden ist nicht in Gefahr und meine Haltung gebe ich erst auf der After Race Party auf. Eine besondere Herausforderung ist der wiederholte Abstecher zum Hafen, nachdem man den Zielbogen schon passiert hat. Der Teer ist frisch verlegt und stinkt in der prallen Sonne. Ich wandere wieder, will mich nicht kaput machen auf den letzten Metern. Erst unter dem Zielbogen wird wieder gelaufen. Ich habe einen schweren Kampf. Gründe gibt es genug. Der Leser weiß, welches Programm ich abziehe. Genau ein Jahr nach meiner OP sage ich: Scheiss drauf! Malle ist nur einmal im Jahr! Was mich sehr traurig macht. 

Der Mallorca Marathon ist ein anderer Marathon. Die erste Hälfte ist der Knaller, die zweite Hälfte für Masochisten. Ich bin ein Laufmaso, liebe diese ewiglangen Kilometer am Strand entlang, die Meditation und diese Sehnsuchtsblicke hinaus aufs Meer. Die Sonne gehört dazu, so wie sonst die Jahre auch mal der Regen und die Wellen, die bis zum Uferweg peitschen. Marathon ist und bleibt eine Extremsportart. Ich hatte es fast vergessen.

 

 

Schmiedefeld ist auf Malle

 

11.294 Läufer! Wenn man Begleitpersonen hinzuzählt, dann sind in diesen Tagen über 100 Extraflugzeuge unterwegs gewesen, um uns zum schönsten Inselmarathon der Welt zu bringen. Nicht ganz soviele Läufer wie in Berlin. Berlin hat heute die City-Trophy gewonnen, nachdem Reutlingen jahrelang geführt hatte. Franky Freerunner erklärt: Es gibt einen Koordinator, der animiert die Läufer aus seiner Stadt, sich für diesen Wettbewerb ausdrücklich anzumelden. Franky hat dafür den Kreis Reutlingen sehr weit definiert, die Starterliste durchgeackert und die Leute angeschrieben. Fünf Jahre lang haben sie als Gewinner der City-Trophy in den besten Locations der Insel gespeist und nicht nur das.

Man kann es nicht ignorieren, Mallorca ist Party. Von Palma aus, vorausgesetzt man hat die coolen Duschzelte besucht, nimmt man den Bus 15 oder 25, am Besten ab Tankstellenberg bis nach Arenal. Das deutsche Zentrum entstand hier, weil man Lieder, wie „Geh mal Bier holen, du bist schon wieder häßlich“ auf dem Weg zur Arbeit nicht hören mag.

Steigt man aus dem Bus (für Läufer gratis), landet man unweigerlich in der Schinkenstrasse. Beim Bierkönig muss man auf die Uhrzeit achten, man bekommt zu bestimmten Zeiten die doppelte Anzahl von Getränken, als geordert. 10.000 Menschen fasst der Bierkönig. Wir verlassen diesen schönen Ort mit den hübschen Tänzerinnen und gehen zur After Race Party in den Mega Parc.

Der Mega Parc ist eine Mischung aus Biergarten, Freiluftdiskothek und Partyclub im Keller, der „MegArena“ und dem „Prince“. Nach oben hin ist der Megapark offen. Wer den Marathon heute gefinisht hat, dem steht eh Malle und die Welt offen! Die MegArena ist das Revier von Jürgen Drews, den von Thomas Gottschalk ernannten „König von Mallorca“. Jetzt steht Mikie Krause mit Finishermedaille auf der Bühne, bringt die Halle zum Brodeln, die Mädchen zum Heulen, die Männer zum Träumen:

„Wie auf Kommando
Der Typ von Zalando
kaum lass ich ihn rein
schon fängt er an zu schrein

Hey

Sie hatte nur noch Schuhe an
Sie hatte nur noch Schuhe an
Sie hatte nur noch Schuhe aaaaaaaaaan“

Die letzten Gäste verlassen den Mega Parc, als schon sämtliches Mobilar auf Lastwagen verladen ist. Arenal macht zu. Winterpause.  Zur postmarathonalen Depression gesellt sich ein schmerzhafter Abschied von dieser Insel. Es ist nicht scheißegal. 12 Monate ohne Malle Marathon sind schon hart!

 

Siegerliste Marathon

 

Männer

1 Dr. Roldan Mercadal, Antonio (ESP)  02:30:08  
2 Serbessa, Mulugeta (CZE) 02:31:17  
3 Dahmani, Toumi (MAR)  02:33:35  

Frauen

1 Gilardi, Daniela (ITA)  03:10:02  
2 Teichmann, Claudia (GER) 03:18:01  
3 Schlender-Kamp, Angelika (GER)  03:19:12  

1318 Finisher

12
 
 

Informationen: Palma de Mallorca Marathon
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