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Laufberichte

Hart im Wind

14.09.08

Ich gebe zu, ich habe eine Vorliebe für kleine und überschaubare Laufveranstaltungen. Dazu bin ein Anhänger, wenn es um Landschafts- und Bergläufe geht. Was lag also näher, als eine Woche nach dem Jungfrau Marathon ein krasses Kontrastprogramm in Angriff zu nehmen und nach Norderney zum Marathon zu fahren.

Jawohl Norderney. Hier gibt es einen kleinen und - so der Veranstalter - feinen Marathon. Der Lauf hat hier schon eine kleine Geschichte, wurde er doch bereits zum achten Male ausgetragen. Landschaft gibt es hier auch reichlich, zudem sind auch einzelne Höhenmeter durch die Dünen der Insel zu absolvieren.

Besuch bei Klaus Störtebeker

Samstag fahre ich mit dem Auto vom Kölner Westen in den hohen Norden. Mein Auto parke ich etwa 10 km vor Norddeich in Marienhafe. Der Ort war um das Jahr 1400 herum Rückzugsstätte und Winterquartier der berüchtigten Seeräuberbande um Klaus Störtebeker. Störtebeker und die Vitalienbrüder konnten damals mit ihren Schiffen direkt bis nach Marienhafe fahren.

Ich habe noch etwas Zeit bis zur Abfahrt des Zuges nach Norddeich-Mole. Den Aufenthalt nutzte ich zur Besichtigung des Störtebeker-Turms und der darin befindlichen Störtebeker-Kammer. Oben vom Turm aus hat man einen schönen Weitblick über Ostfriesland. Bei klarem Wetter kann man sogar Norderney sehen. Leider ist es heute nichts mit dem Blick auf die Inseln.

Störtebeker wurde im Übrigen 1401 gefasst und in Hamburg hingerichtet.

Vom Zug auf die Fähre

Der Regionalzug bringt mich rasch über Norden nach Norddeich-Mole. Vom Bahnsteig aus gelangt man unverzüglich zum Anleger der Fähren. Ich löse ein extra für die Marathonteilnehmer angebotenes Eventticket für 13,50 € für Hin- und Rückfahrt und gehe an Bord. Die Fähre legt auch gleich ab und es geht langsam Richtung Norderney. Gut eine Stunde dauert die Überfahrt, bei der ich auf einer Sandbank eine Gruppe Seehunde in der Sonne sehe und gleich auch die ersten Mitläufer kennenlerne.

Zu Fuß gehe ich in wenigen Minuten vom Hafen in die Stadt. Es fahren auch Busse, aber ich möchte ja etwas von der Insel sehen, bin ich doch erstmals hier. Am Kurplatz gibt es im Conversationshaus die Startunterlagen. Alles geht rasch, niemand muss lange warten. Im Nebenraum ist gerade Dichterlesung und die Läufer werden gebeten sich etwas leiser zu unterhalten. Na gut, wenn es der Kultur dient. Schließlich sind wir ja nur Gäste im Conversationshaus. 


Zentrum Kurplatz

Erstmals wird der Marathon 2008 vom Kurplatz aus gestartet und auch die Logistik befindet sich hier. Die bisherigen sieben Austragungen wurden allesamt von der Siedlung aus gestartet. Der Umzug zum Kurplatz mit Conversationshaus für Abholung Startunterlagen und Aufbewahrung der Wechselkleidung und Umkleideraum am Renntag kommt bei den Läufern gut an. Nach dem Lauf gibt es auf dem Rasen des Kurplatzes reichlich Raum zum Niederlegen und nebenan kann man in der Welle baden gehen. Zudem steht die Bühne für die Siegerehrungen zur Verfügung und gibt einen stilvollen äußeren Rahmen ab.

Am Kurplatz findet auch die „Runners Welcome Pasta Party“ statt. Ab 17:30 Uhr ist Party angesagt. Frank Plagge spielt mit der „One Man Band“ Blues-Musik mit nordischem Humor. Am Kurplatz und in der Stadt ist reichlich Betrieb. Viele Menschen sind unterwegs. Norderney ist ausgebucht! Ich hab in der Jugendherberge im Ort gegenüber dem markanten Wasserturm leider keinen Platz mehr bekommen. Es gibt aber noch eine zweite Jugendherberge auf Norderney weit draußen in den Dünen am sogenannten Dünensender und dort hat man noch Platz für mich.

Organisationsteam bei der Arbeit

Ich mache mich langsam auf den Weg zum Dünensender und schaue mich noch ein wenig in der Stadt um. So komme ich u. a. am Theater mit der Heinrich-Heine-Figur vorbei. Die Grundschule hat ein markantes Aussehen. Das rote Backsteingebäude erscheint mir allein zu Zwecken der Unterrichtung von Grundschülern völlig überdimensioniert. Sieht aber gut aus.

Als ich etwas weiter am Wasserturm Fotos mache halten drei freundliche Männer mit Fahrrad, Farbeimer, Pinsel und Holztafeln neben mir. Manfred Plavenieks, Organisator des bekannten Norderney-Laufes und Vater von Helge, dem Organisationschef des Norderney Marathons, und seine zweite Mitstreiter fangen gerade an die Strecke zu markieren. Sie pinseln eine 1 auf dem Asphalt und bringen eine kleine Holztafel mit einer 1 zur Markierung des ersten Kilometers an.

Hinaus zum Dünensender

Wir unterhalten uns ein wenig und dann ziehen die drei weiter. Ich auch, aber mit dem Bus der Linie 4. Ich habe bemerkt, dass ich direkt an einer Bushaltestelle stehe und es einen Bus zur „Oase“ gibt der am Dünensender vorbei fährt. Unterwegs merke ich, wie groß die Insel doch ist. Norderney ist immerhin 15 Kilometer lang. Da kann man schon einen Marathon laufen.

An der Jugendherberge am Dünensender angekommen, steige ich sofort auf die gegenüber liegende Aussichtsdüne und genieße den Blick über die Insel. Dabei stelle ich fest, dass es hier auch einige kleine Birkenwäldchen gibt. Morgen werden wir diese beim Laufen wiedersehen.

Etwas Unbehagen löst bei mir der Fahrplan der Busse aus. Der erste Bus der Linie 4 fährt erst um 9.55 Uhr. Der Start des Marathons ist um 10 Uhr. Das Problem gilt es am nächsten Morgen zu lösen. Ich gehe erst einmal zum Abendessen und lerne m4y-Autorin Gaby Travers kennen. Sie will morgen den Halbmarathon in Angriff nehmen. Würde ich auch gerne, spüre ich doch noch den Jungfrau-Marathon der Vorwoche in den Beinen. Gaby hat Zeit und kann den Bus um 9.55 Uhr nehmen, startet der Halbe doch erst um 11.30 Uhr.

Pünktlich am Start dank Andi

Nach dem Abendessen mache ich noch einen kleinen Spaziergang durch die Dünen. Dabei komme ich auch am Golfplatz vorbei und sehe einige Markierungen von Manfred Plavenieks’ Team.

Am Morgen stehe ich um kurz vor Neun an der Straße und halte den Daumen in den Wind. Ich habe Glück. Andi, ein Insulaner der am Golfplatz arbeitet, kommt gerade vorbei und nimmt mich mit in die Stadt. Danke Andi!


Am Kurplatz deponiere ich meinen Kleiderbeutel im Conversationshaus. Um Neun ist am Kurplatz noch nicht viel los. Anders als in Interlaken vor einer Woche ist auf Norderney noch nicht viel vom Marathon zu sehen und zu spüren.

Bis zum Start finden sich alle Marathonis ein. Der Lauf ist überschaubar. Es ist noch Spielraum für eine Steigerung der Teilnehmerzahlen vorhanden. 39 Männer und 4 Frauen dürfen sich am Ende des Laufes mit der Auszeichnung schmücken den Norderney Marathon erfolgreich absolviert zu haben.

Neu: Zwei Halbe sind ein Ganzer

Die Verlegung des Start- und Zielbereichs an den Kurplatz hat auch eine Änderung der Strecke zur Folge. Nunmehr sind von den Marathonis zwei identische Halbmarathonrunden zu absolvieren.

Die Strecke bietet interessante und vielseitige Einblicke in die die schöne Insellandschaft Norderneys. Nach dem Start vor dem Conversationshaus geht es durch den Kurpark vorbei am Wasserturm hinaus zum ersten Deich. Vorbei am Recycling-Zwischendepot führt die Strecke über den alten Postweg und Planetenweg zu den Salzwiesen am Campingplatz. Es folgt ein weiterer langgezogener Deich vorbei am Leuchtturm und dem Inselflughafen. Nun geht es zurück direkt am Leuchtturm vorbei in Richtung Wasserwerk. In der Höhe "Weisse Düne" führt der Zuckerpad in die Nordhelmsiedlung bevor es für die letzten Kilometer über die Strandpromenade zum Zieleinlauf bzw. zur zweiten Runde zurück auf den Kurplatz geht.

Der Untergrund ist wechselnd. Einige Kilometer sind auf Asphalt zurück zu legen, gut ein Kilometer führt über Wiesen und der größte Teil ist auf gepflasterten Deich- und Dünenwegen zu laufen. In den Dünen sind auch einige kleine Anstiege zu bewältigen. Es sind aber nur wenige Meter. Insgesamt wäre der Kurs schon bestzeitenfähig, was aber wegen des stets vorhandenen Windes nicht realistisch ist.

Wer sich (noch) nicht einen ganzen Marathon zutraut kann auf Norderney auch einen Halben laufen oder als Mitglied einer Marathonstaffel an den Start gehen. Ein Walkingwettbewerb rundet das Angebot ab.

Same procedure as every year – Themsen gewinnt zum achten Mal
Vor dem Start verkündet Moderator Andreas Schnur, dass der Sieger aller bisherigen sieben Austragungen des Norderney Marathons wieder am Start ist und auch 2008 als der große Favorit gelte. Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Frank Themsen von der TG Bremen-Nord hält Schnur’s Wort und gewinnt souverän auch den 8. Norderney Marathon. Eine stolze Serie!

Sonne von oben und langsame Fahrt voraus

Am Sonntag strahlt die Sonne vom Himmel. Nur wenige Wolken können sich während des Laufes zwischen Sonne und Läufer schieben. Es wird ordentlich warm. Aber der Wind kühlt!


Nach dem Start zieht sich das Feld rasch auseinander. Ich orientiere mich nach hinten. Heute ist bummeln angesagt. Die Jungfrau der Vorwoche fordert ihren Tribut. Es sind nur wenige Zuschauer an der Strecke. Aber die, die da sind, machen richtig Stimmung und feuern die Läufer an. Am Deich bläst den Läufern ein ordentlicher Wind entgegen. Das kann ja noch was werden in der zweiten Runde. Wird es auch. Das Vorwärtskommen gegen den Wind ist schon ein anstrengendes Unterfangen. Jeder Läufer ist froh beim Rückweg durch die Dünen wieder aus dem Wind zu kommen.

Leuchtturm im Blick

Auf dem alten Postweg steht ein Schild mit der Aufschrift: Leuchtturm 43 m. Der Leuchtturm ist fast auf der ganzen Strecke im Blickfeld der Läufer und es wäre zu schön gewesen sich ihm schon bis auf 43 m angenähert zu haben. Leider war der Schild etwas ramponiert. Richtig hätte es lauten müssen: 4,3 km. Am östlichsten Punkt der Strecke amüsiert mich ein Schild mit Aufschrift: „Ab hier bitte zu Fuß“. Am Golfplatz warnt ein Schild vor fliegenden Golfbällen. Aber alle Läufer kommen ohne Treffer durch das „gefährliche“ Gelände. Niemand muss bei KM 38 in die Notaufnahme des Krankenhauses, an der wir unmittelbar vorbei laufen und sich eine Verpflegungsstelle befindet. Später sehe ich kurz vor der Strandpromenade ein Schild mit der Aufschrift: „Annemie`s Fußpflegestübchen“. Hier könntest Du doch bleiben ist mein spontaner Gedanke.

Unterwegs tanke ich an den fünf Verpflegungsstellen mit Apfel- und Bananenstücken, Keksen, Wasser, Iso und Cola neue Kraft und Energie. Hier werden wir Läufer auch immer von den freundlichen Helfern aufgemuntert.

Highlight Strandpromenade

Bis KM 34 sind Markus, Andreas und Martin von der LG Rheine-Elte lange Zeit meine Wegbegleiter. Dann wird es noch einsamer für mich und ich bin allein unterwegs. Das tut meiner Stimmung jedoch keinen Abbruch. Ich betrachte die schöne Dünenlandschaft, höre nicht am Dünensender auf zu Laufen um zur Jungendherberge zu gehen, sondern halte durch und genieße die Anfeuerungen an der Strandpromenade. Es ist schon beeindruckend hier entlang zu laufen. Rechts das Meer, spielende Kinder am Strand, Menschen in den Strandkörben, links Menschen schlendernd oder auf Bänken bzw. im Cafe sitzend. Und überall Anfeuerung und Begeisterung für die Marathonis.

Besonders stimmungsvoll ist das Verlassen der Strandpromenade. Man läuft durch ein Spalier von Menschen hinunter zum Kurplatz. Dort sind mittlerweile alle Plätze in den Cafes gefüllt und es herrscht eine tolle Stimmung. Die letzten Meter geht es mit Blick auf das Conversationshaus zum Ziel unter einem gelben Bogen. Moderator Andreas Schnur gibt sein Bestes und begrüßt jeden Läufer im Ziel mit Namen.


Im Ziel treffe ich die Lauffreunde der LG Rheine-Elte wieder. Sie liegen schon auf dem Rasen des Kurplatzes und lassen sich alkoholfreies Weizen aus dem tiefen Süden der Republik schmecken. Ich freue mich, dem Wind der zweiten Runde und den Attacken meines inneren Schweinehundes getrotzt zu haben und nehme die verdiente Medaille in Empfang. Dann hole mir auch gleich mein Lieblingsgetränk und lege mich auf den Rasen zu Markus, Andreas und Martin.

Fazit

Schöner Landschaftslauf mit Sonne und Wind. Gute Organisation, familiäre Stimmung. Sehr gut mit einem (Kurz)Urlaub zu kombinieren. Ein kleiner - und wie nun auch ich meine - feiner Marathon.

Sieger
Frauen

1. Simone Hengmith München 3:57,30h
2. Gunda Wragge Lübeck 4.02,45h
3. Monika Ruhr  Lübeck 4.02,50h

Männer

1. Frank Themsen Bremen 2:54,39h
2.  Wolfgang Ehmsen Dortmund 2.58,30h
3. Markus Neumann Köln  3.01,44h

 

Informationen: Norderney Marathon
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