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Laufberichte

Laufen statt saufen

01.01.11

Vor 25 Jahren führte mich meine Arbeit nach Dubai, wo ich fern der Heimat, Kälte, Schnee und Matsch den Jahreswechsel feierte. Die Mitarbeiter unserer Firma wurden – als Stammgäste gewissermaßen – von der Hoteldirektion eingeladen, zu einem Vorzugspreis an der großen Silvesterfeier teilzunehmen. Da wurde geklotzt, nicht gekleckert. Die Showband waren Profis bis auf die Knochen und schafften das Kunststück, den King of Pop so zu interpretieren, dass fast nur noch die Tanzkünste den Unterschied machten. Die aus Paris eingeflogene Revue-Truppe war den örtlichen Gepflogenheiten entsprechend mit bis unter die Achseln hochgezogenen Strumpfhosen ausgestattet, ansonsten aber das Original. Die erlesensten Speisen wurden aufgetischt, Hummer, Austern und Kaviar inklusive, dazu wurden ausgesuchte Tropfen edelster Provenienz gereicht. Es war die Art von Sause, wie die meisten von uns sie in der Regel nur aus Filmen kennen. Ein opulentes Fest, an welchem nichts fehlte, fast nichts.

Es war ein eindrückliches Erlebnis – aber mir fehlte etwas Bleibendes, das mir noch lange ein gutes und befriedigendes Gefühl verliehen hätte. Ein Gefühl, wie es sich nach einem Lauf einstellt, wenn ich im Anschluss daran müde und zufrieden unter der Dusche hervorkomme. Weil ich dieses Gefühl so mag und ich kein Festbruder bin, war es vor zwei Jahren verlockend einmal auszuprobieren, wie mir ein Jahreswechsel in der äußeren Gestalt eines Marathons bekommt. Dass ich nun zum dritten Mal in Folge für diesen Zweck nach Schlieren pilgere, ist wohl aussagekräftig genug.

„Schlieren? Ich dachte, der Neujahrsmarathon finde in Zürich statt!“ Richtig, genau genommen liegt die Laufstrecke nicht auf dem Stadtgebiet, sondern in der Vorstadt. Ein Ort ohne Glimmer, Glitter und Glamour – was in Paris die Banlieu, ist in Zürich Schlieren. Was der Strukturwandel und die Segregation aber nicht geändert haben, sind die Spazierwege der Limmat entlang, auf welchen der Neujahrsmarathon zum zweiten Mal auf vier Runden ausgetragen wird.

Zentrum der vor- und nachgelagerten Aktivitäten ist die Sporthalle Unterrohr, welche vom großen Parkplatz in einem kürzeren, vom Bahnhof aus in einem 10minütigen Spaziergang erreicht werden kann. Start, Ziel, Garderoben, Duschen und Festwirtschaft, alles ist an diesem Ort konzentriert.

Auf den Startnummern der 180 Voranmelder prangen Vorname, Name und Flagge der Nationalität. Letzteres erleichtert die Zuordnung in die jeweilige Jahresbestenliste, denn die Rangierung am Neujahrsmarathon ist gleichbedeutend mit der Position in der ersten Jahresweltbesten-  und Jahreslandesbestenliste. Aus diesem Grund sind im ganzen Teilnehmerfeld, inklusive Halb- und Viertelmarathon, insgesamt über zwanzig Nationen vertreten. Ich habe diesbezüglich keine Ambitionen und kann mich sogar auf ein Experiment einlassen. Das Teilnehmergeschenk, für welches ich mich entscheide, eine Laufmütze, soll gleich ausgetestet werden, zusammen mit meiner neuen Stirnlampe.

Den Countdown zum Jahreswechsel und zum Start erlebe ich für mich ohne Pathos in Bezug auf den Beginn eines neuen Jahres. Es ist schlichtweg der Start zu einem weiteren Lauferlebnis. Drei, zwei, eins und los, die umgekehrte Ziffernfolge meiner Startnummer. Mich erstaunt, wie sich so viele Marathonis im Eingangsbereich der Halle so dünn machen können und lasse die Eiligen mal ziehen. Vor der Halle werden wir von einer Menschentraube, später startende Läufer der kürzeren Strecken und Angehörige, mit Zurufen, Wunderkerzen und Vulkanen aufs erste Laufabenteuer des neuen Jahres verabschiedet.  

Wie angekündigt ist die Strecke vorwiegend schneefrei und feucht aber nicht matschig. Mit meiner Schuhwahl liege ich also richtig. Für allfällige Abschnitte mit Resten von Schnee sind sie noch mit im Mesh festsitzendem Salzstaub und im Profil eingeklemmten Salzkristallen vom Untertage-Marathon ausgerüstet.

Am Anfang der Strecke sind noch vereinzelt Zuschauer am Rand und stehen Bewohner einer nahe gelegenen Siedlung auf den Balkonen und schenken uns ihre Aufmerksamkeit. Die Kolonne der vorbeiziehenden Stirnlampen hat einen höheren Attraktivitätswert als die ringsum den nebligen Nachthimmel erleuchtenden Feuerwerke.

Wachsame Streckenposten achten darauf, dass niemand schon bei der ersten Brücke die Limmat überquert und verabschieden uns bis zum nächsten Mal.  Unter der nächsten Brücke ist einer der beiden Verpflegungsposten bereits aufgebaut. Bevor ich etwas in mich hineinschütte, muss ich erst die Betriebstemperatur erreichen. Bei einer Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt kriecht der Nebel nämlich ganz unangenehm in die Ärmel.

Beim Unterqueren der Autobahnbrücke, also nach drei Kilometern, sehe ich auf der anderen Seite der Limmat schon einige Stirnlampen sich behände flussabwärts bewegen, was gleichbedeutend mit eineinhalb Kilometer Vorsprung für die Spitze ist. Der Fußgängersteg ans andere Ufer kann nicht verfehlt werden. Die Streckenposten sorgen dafür und auch für lautstarkes Anfeuern mit einer Rätsche.

Das auf der rechten Seite der Limmat folgende Wegstück ist von ein paar kräftigen Wurzelstücken durchzogen. Diese sind allesamt mit oranger Farbe so deutlich markiert, dass sie auch ohne Licht der Stirnlampe unübersehbar sind. Gabriele hat – wie alle Mitglieder des OK – mit ihren Helfern ganze Arbeit geleistet. Dabei könnte sie selbst als Läuferin auf die Piste und sich dabei auf einen der vorderen Plätze Hoffnung machen.

Nach erneuter Unterquerung der Autobahnbrücke geht es der A1 entlang. Diese verbirgt sich jedoch auf weiter Strecke hinter einer verglasten Schallschutzmauer. Ich wünsche mir für dieses Jahr dann und wann eine solche Barriere, die alles übermäßig Eilige auf Distanz hält. Wünsche darf man wohl noch haben?

Nach sechs Kilometern kommt – selbe Brücke, anderes Brückenlager – die zweite Verpflegungsstelle. Wasser und Iso werden wohl temperiert und mehrsprachig angeboten, dazu Gel, Riegel und Bananen. Den Schnellen werden die Getränke schon vorher gereicht, die anderen dürfen sich bedienen und werden geduldig an die gewünschte Tanksäule eingewiesen. Wer mit dem Fotoapparat hantiert, dem wird angeboten, dass man von ihm ein Bild knipsen würde. Es sind einfach besonders freundliche Menschen, die sich freiwillig die Silvester- und Neujahrsnacht im Dienst für ein paar Laufverrückte um die Ohren schlagen – herzlichen Dank!

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Informationen: Neujahrsmarathon Zürich
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