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Laufberichte

Denn erstens kommt es anders....

09.07.05
Autor: Klaus Duwe

Bergmarathon mit eigenen Gesetzen 

 

Vor vielen Jahren war ich mal ein paar Tage in Schruns zum Wandern. Daher ist mir Silbertal, der Startort des Montafon-Arlberg-Marathon bekannt. Ansonsten fragt man sich schon: Silbertal? Wo? Ungleich bekannter ist da schon St. Anton am Arlberg, wo der Marathonlauf sein Ziel hat. Spätestens seit Karl Schranz auf allen Pisten der Welt seine Erfolge feierte, ist die Arlberger Skiregion und St. Anton in aller Munde. 2001 fanden dort die alpinen Skiweltmeisterschaften statt.

 

Von Schruns führt eine schmale Verkehrsstraße ins Silbertal, bis nach ungefähr 5 Kilometer der 900 hoch gelegene Ort erreicht wird und es dahinter für Autos nichts mehr weiter geht. Knapp 900 Menschen wohnen hier, die meisten leben vom Fremdenverkehr. Früher hat man hier Bergbau (Erz und Silber) betrieben, die Geschichte reicht über 1000 Jahre zurück.


Zum dritten Mal findet der Marathon von Silbertal im Montafon nach St. Anton am Arlberg statt. Orga-Chef Willy Säly, gleichzeitig Silbertaler Bürgermeister, und sein Team haben alles im Griff. Wie alte Freunde werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Freitag bei der Ausgabe der Startunterlagen im Feuerwehrhaus und später im Vereinsheim beim Nudelessen begrüßt. Die Herzlichkeit ist sprichwörtlich.


Nach einer Woche Regen ist das Wetter heute am späten Nachmittag besser, die Sonne kommt raus und für Samstag ist bestes Laufwetter vorher gesagt. Erst am Nachmittag ab 14.00 Uhr ist Regen möglich. 14:00, das würde fünf Stunden Laufzeit bedeuten. Genau die haben sich Eberhard und ich ausgerechnet. Seit Kandel im März sind wir wieder einmal gemeinsam am Start. Allerdings plagt mich seit letzter Woche in  Zermatt die rechte Wade. Die ganze Woche bin ich nicht einen Meter gelaufen.

 

Ich habe Bedenken. Aber diesen Berglauf mit moderatem Höhenunterschied, gemächlichen Steigungen und langen Bergab-Passagen (so mein Eindruck nach Studium der Internet-Seiten des Veranstalters) traue ich mir zu. Und natürlich lasse ich die Verabredung mit Eberhard nicht sausen. Das ist auch gut, obwohl ich mich gewaltig verrechnet habe.


Nach dem Essen fahren wir nach St. Anton und finden dort trotz später Stunde auch gleich ein Zimmer. Um es ganz offen zu sagen: es ist tote Hose dort. Viele der großen Hotels machen im Sommer offenbar erst gar nicht auf, und andere haben noch nicht geöffnet. Die Fenster der Restaurants sind meist dunkel, die Parkplätze vor den Pensionen leer.


Unsere Wirtin ist klasse. Obwohl wir fast die einzigen Gäste sind , macht sie uns für 6.00 Uhr Frühstück. Es fehlt an nichts. Gestärkt und gut gelaunt machen wir uns auf zum alten Bahnhof, von wo aus uns der Shuttle-Bus ins Silbertal bringt. Gegen acht Uhr sind wir dort. Das Wetter ist herrlich. Nur die hohen Berge am Talschluß sind in Wolken, sonst scheint die Sonne. Eher gehen unsere  Befürchtungen in die Richtung, dass es zu warm werden könnte.


Etwas über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind angemeldet. Die Gepäckstücke werden in schwarze Müllsäcke gegeben, mit der Startnummer versehen und anschließend nach St. Anton verfrachtet. Alles läuft reibungslos, routiniert und ohne Hektik ab. Es sind viele Deutsche am Start, natürlich auch etliche Bekannte. Ein paar Einheimische begrüßen sich und wünschen sich per Handschlag ein gutes Rennen. Weil ich gerade in Nähe stehe, werde ich in die Zeremonie einbezogen. Eine tolle, kameradschaftliche Atmosphäre.

 

Über Lautsprecher wird noch einmal die Strecke detailliert erklärt und jede noch so kleine Änderung gegenüber dem Vorjahr erläutert. Dann aber endlich der Countdown. Willy Säly gibt den Startschuß und los geht’s.


Wir laufen durch den Ort auf der Fahrstraße Richtung Schruns. Es geht leicht abwärts. Nach ungefähr zwei Kilometern biegen wir links ab, laufen über den Litz-Bach und auf der anderen Seite mit entsprechend leichter Steigung zurück nach Silbertal, vorbei an der Kirche  und dann zum Startgelände, wo wir mit viel Applaus begrüßt und gleich wieder verabschiedet werden.

 

Wir laufen zunächst noch auf asphaltierter, später auf geschottertem Weg, immer leicht ansteigend hinein ins Tal. Das Rauschen des Litz-Baches, der oben an der Grenze zu Tirol seinen Ursprung hat, ist unser ständiger Begleiter. Wir passieren saftige Wiesen und einsame Almhütten. Meist scheint die Sonne,  die Temperaturen sind ideal und das Laufen macht einen Riesenspaß.

 

Nach 8 Kilometer erreichen wir eine Verpflegungsstelle und Hansi, ein einheimischer Läufer, sagt uns für den nächsten Kilometer einen giften Anstieg voraus. Zunächst geht es gemütlich weiter. Das Bachbett links ist durch das viele Schmelzwasser sehr breit ausgespült. Dann wird es tatsächlich deutlich steiler. Vor mir wird nur noch gegangen. Ich sehe schon, wie es oben nach links ab geht und flach wird, kann aber meinen Laufschritt nicht halten und gehe dann die letzen 150 Meter. Sobald ich mit dem Vorfuß auftrete, macht mir meine Wade Probleme. Sonst komme ich ganz gut zurecht. Genau 1:10 Stunden sind wir unterwegs, als wir das Ende der Steigung bei km 10 erreichen.

 

Sehr abwechslungsreich geht es weiter. Mal ist es flach, mal leicht steigend und dann ist es wieder steil. Nur die ganz steilen Abschnitte gehe ich. Alle 2 Kilometer kommt eine Hinweistafel mit Angabe der Höhenmeter. Wir kommen an der Dürrwall-Kapelle vorbei und gleich nach einem kleinen Bergsee, ungefähr bei km 15, dann eine erste Unsicherheit. Geradeaus geht es steil aufwärts, halb rechts ist es etwas flacher. Eine Markierung ist nicht zu sehen. Zu Dritt sind wir mittlerweile und entscheiden uns für die flachere Variante. Sicher ist sich niemand, aber der Weg ist bequemer. Nach der nächsten Kurve sehen wir vor uns 4 weitere Läufer, die entweder auch verkehrt sind, oder sich auskennen. Von weitem sehe ich  aber jetzt die nächste Tafel (km 16 – 1531 m) und wenig später sind wir an einer weiteren Verpflegungsstelle.


Die Verpflegungsstellen sind alle hervorragend bestückt. Es gibt Iso und Wasser, manchmal auch Fruchtsaft, Waffeln, Riegel, Äpfel und Bananen. Zwischen den Servicestellen sind immer wieder Sanitätsposten oder Leute der Bergwacht mit Funk. Für die Sicherheit der Läuferinnen und Läufer ist also auch bestens gesorgt. 

 

Bei km 19 verengt sich der Weg jetzt zu einem schmalen Pfad der immer steiler nach oben führt. Ich bin wieder zum flotten Marschieren übergegangen. Wir kommen an großen Flächen mit herrlich blühenden Alpenrosen und am Langersee vorbei und erreichen km 20 (1852 m). Unsere Zeit ist 2:36 Stunden. Laut Höhendiagramm sind es noch 2 Kilometer Laufstrecke und 100 Höhenmeter, dann geht’s abwärts. Könnte noch reichen für eine Gesamtzeit knapp unter 5 Stunden. Könnte ........


.....aber die nächsten gut 3 Kilometer haben es in sich. Der Weg ist abwechselnd steinig und matschig, geht dauernd rauf und runter und wird immer wieder von kleinen Bächen gequert. Es ist kein Laufen und kein Gehen, eher ein Schauen, Springen und Balancieren. Es bleibt nicht aus, dass ich mehrmals tief im Morast einsinke. Der Dreck wird mir am nächsten Bächlein, dem ich wieder nicht ausweichen kann, abgewaschen. Ich muss höllisch aufpassen, um nicht auszurutschen, umzuknicken oder mich sonst wie zu verletzen. Auch das steilste Stück war einfacher und schneller zu laufen, als das hier. Nicht falsch verstehen, liebe Freunde. Ich will mich nicht über die Streckenführung beklagen. Der Montafon Arlberg Marathon ist ein Lauf durch alpines Gelände. Und da gehört das einfach dazu. Aber ich habe in meiner Naivität nicht damit gerechnet und mir eine Fabelzeit ausgemalt. Und die wird gerade über den Haufen geschmissen. 36 Minuten brauchen wir für die 3 Kilometer, hat Eberhard ausgerechnet. Und wir sind nicht die Langsamsten. Wir haben einige Läufer auf diesem Stück überholt. Trotzdem: jetzt brauche ich mich nicht mehr zu beeilen.

 

Aber schön ist es hier. Eine herrliche Hochfläche in sattem Grün, mit unzähligen bunten Alpen-Blumen und dem vielzackigen, mit 3056 Meter alles überragenden Patteriol. Irgendwo hier oben ist auch die Grenze zu Tirol. Der Wind bläst und es ist etwas frisch. Wir erreichen das Silbertaler Winterjöchel (km 22 - 1945 m). Bei km 23 sind wir an der nächsten Verpflegungsstelle und endlich auch wieder auf einem „laufbaren“ Weg. Wieder werden wir freundlich empfangen und bestens bewirtet. Die Getränkepalette wird durch Cola ergänzt.

 

Dann geht’s abwärts auf der breiten Schotterstraße durch das Verwalltal. Das erste steile Stück ist auch nicht gerade eine Wohltat für die Beine, aber gleich wird das Gefälle moderat und wir machen etwas Tempo, um schnell an Höhe zu verlieren und die windige Gegend hinter uns zu lassen. Bei km 26 haben wir schon über 200 Meter verloren und ich fühle mich wieder pudelwohl. Genusslaufen pur in herrlicher alpiner Landschaft entlang des Maroi-Baches. Kommt ein Gegenanstieg, wie jetzt wieder kurz nach km 28 (1607 m), ist das immer schmerzhaft. Da will ich mich nicht plagen und gehe das Stück. Kaum bin ich oben, geht’s wieder runter. Ziemlich steil diesmal. Zwei, drei Kehren, dann bin ich unten. Bei km 30 (1546 m) bin ich nicht ganz 4 Stunden unterwegs. In Kenntnis der Strecke und in Anbetracht meiner lädierten Wade bin ich damit sehr zufrieden.


Die Sonne scheint und wenn ich nicht im Schatten laufen kann, wird mir schön warm. Jetzt ist die Straße asphaltiert. Das ist doch gleich ein ganz anderes Laufen. Locker trabe ich dahin. Es ist ruhig auf der Strecke. Eberhard hat sich etwas abgesetzt. Ich habe vor und hinter mir immer die gleichen Läufer in Sichtweite. Wanderer begegnen mir selten. Links unten liegt jetzt der türkisfarbene Verwallstausee. Zur Zeit ist sein Umfeld durch eine Baustelle etwas verunstaltet. Links der Gasthof Verwall. Auf der Terrasse sitzen viele Leute, trinken ihren Kaffee und sonnen sich.


Immer öfter kommen jetzt asphaltierte Straßenabschnitte. Rechts sehe ich einen kleinen Landeplatz für Helikopter  (km 35 - 1428 m) und erreiche dann bald die ersten Häuser oberhalb von St. Anton. Am Hotel „Mooserkreuz“ wird die Hauptstraße überquert und ich laufe auf einem schmalen Teerweg (km 36)  weiter. Die Pensionen links und rechts machen einen gespenstischen Eindruck. Die Fenster sind dunkel, die Parkplätze sind leer und kein Mensch ist zu sehen. An der nächsten Verpflegungstelle kühle ich meine Wade mit reichlich Wasser und laufe dann tatsächlich die nächsten Kilometer ohne Probleme. 

 

Rechts unten sehe ich jetzt St. Anton und auch das WM-Stadion, wo ja das Ziel ist. 5 Kilometer sind es noch, der nächste Anstieg ist der letzte - denke ich. Ich laufe auf einem schmalen Schotterweg, immer wellig rauf und runter. Ich höre schon den Lautsprecher vom Ziel. Was ist das? Ein Streckenposten weist mich nach links ein. Dort geht es steil in Kehren nach oben. So eine Gemeinheit. Es ist nur ein kurzes Stück, dann bin ich bei der „Rodelalm“. Aber es geht links vorbei, weiter bergauf. Dann aber ist es geschafft, ab km 38 geht es auf der Rodelbahn abwärts. Ich muss mich konzentrieren, denn der Weg ist stellenweise sehr steil und steinig. Ich erreiche die Ortsteile St. Jakob und Nasserein. Es kommt noch eine Verpflegungsstelle und für die, die ganz heiß gelaufen sind, gibt es eine Dusche.


Erst geht es vorbei an der Talstation der Nassereinbahn, dann über die Hauptstraße auf einen asphaltierten Radweg Richtung Zentrum St. Anton. Der letzte Kilometer. Vor mir die Pfarrkirche zum Hl. Antonius (1698 erbaut und 1932 erweitert) und dann die Fußgängerzone. Obwohl es leicht ansteigt, zeige ich den Schaulustigen keine Schwäche. Gleich bin ich beim Kreisverkehr und laufe dann rechts vorbei am alten Bahnhof zum Zielbogen am Stadion. Der Applaus tut gut. Glücklich und dankbar laufe ich nach 5:27 Stunden ins Ziel und lasse mir die Medaille umhängen. Ich hab mich zwar verrechnet, aber ich hab’s geschafft.

 

Kurz nach mir kommt Wolfgang (Nr. 48) ins Ziel. Er hat mich fast die ganze Strecke begleitet. Mal war er vorne, mal ich. Hier wird er von seinem Sohn, der ihm freudig gratuliert, in Empfang genommen. 


Im Zielraum gibt’s dann eine einmalige Verpflegung: Iso, Wasser, Fruchsäfte und Riegel. Der Gipfel ist das Obst-Büffet mit allem was gut und teuer ist: Äpfel, Birnen, Pfirsiche, verschiedene Melonen, Trauben und Bananen. Alles appetitlich präsentiert in Schalen aus Edelstahl. Fast hat man Hemmungen zuzugreifen. Daneben stehen Tüten mit Vollkornbrot vom  Bäcker Ruetz zum Mitnehmen.


Wer will, kann das anlässlich der Ski-WM gebaute Well.com-Bad kostenlos benutzen. Im Foyer gibt es Massagen und die Kleiderbeutel zurück.


Alles hat bestens geklappt, an der gesamten Organisation gibt es nichts auszusetzen. Herzlichen Dank an die Verantwortlichen und die vielen freundlichen Helferinnen und Helfer.

 

Streckenbeschreibung

Punkt-zu-Punkt-Kurs mit Start in Silbertal (881 m) und Ziel in St. Anton am Arlberg (1304 m), höchster Punkt bei 1945 m. Anspruchsvolle aber sehr schöne und abwechslungsreiche Strecke.

 

Rahmenprogramm

Pasta-Party im Vereinsheim am Freitag Abend. Kostenloser Eintritt im well.com Bad in St. Anton nach dem Lauf.

 

Auszeichnung

Medaille, tolles Finisher-Shirt.

 

Logistik

Abgabe der Kleiderbeutel in Silbertal. Kostenlose Rückfahrt von St. Anton nach Silbertal, oder am Samstag früh um 6.30 Uhr von St. Anton zum Start nach Silbertal.

 

Verpflegung

ungezählte Getränke- und Verpflegungsstellen  mit Wasser, Iso, Cola, Bananen und Riegel (Verpflegungsplan). Sensationelles Obst-Buffet im Ziel und verschiedene Getränke.

 

Zuschauer

Am Start und im Ziel. Sonst bist Du mit Dir alleine.

 

Temperaturen

Unbedingt den Wetterbericht beachten. Erhebliche Temperaturunterschiede zwischen Berg und Tal.

 

Informationen: Raiffeisen Montafon Arlberg Marathon
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