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Laufberichte

Himmelswege, Sternstunden der Jahrtausende

04.09.11
Autor: Joe Kelbel

Auch wenn die Streckenführung dem Himmelsweg (s.o.) entspricht, so berühren wir die Sehenswürdigkeiten kaum, dafür muss ich schnell laufen, die Strecke ist topfeben und schnurgerade.  Aber ich fürchte, irgendwann der Hitze Tribut zollen zu müssen.

Im Schloßhof in Merseburg steht ein großer Käfig mit zwei Raben drin. Die Geschichte dazu: Der Bichof von Trotha (um 1500) ließ seinen Diener köpfen, in der Annahme, er hätte seinen Ring gestohlen. Später fand man den Ring in einem Rabennest. Seit mehr als 500 Jahren büßt nun ein Kolkrabe für den Diebstahl. Tierschützer setzten vor 5 Jahren einen größeren Käfig und eine Partnerin für das schwarze Tier durch.

Schkopau ist bekannt vor allem durch die VEB Chemische Werke Buna. Wer zu DDR Zeiten die Transitautobahn nutzte, erinnert sich vielleicht noch an die große Tafel: „Plaste und Elaste aus Schkopau.“ Meine Schuhe klatschen auf das heiße Pflaster, meine Füße brennen. Ach könnte ich doch in meinen Ultralaufstil verfallen.
Die Burganlage ist schemenhaft hinter den Bäumen erkennbar, der Aufbau Ost hat hier Luxus geschaffen. Das Läuferfeld ist weit auseinandergezogen und ewig lang ist die Strecke vor uns, die Sonne glüht, glücklicherweise gibt es alle 2 bis 3 Kilometer Wasser, Cola und Iso.

Korbetha mit dem großen Chemiepark Buna und dem Braunkohlekraftwerk. Hier ging die römische Via Regia durch, eine Handelsstrasse, die von Mainz bis Breslau führte.

Rattmannsdorf. Endlich direkt an der Saale-Elster-Aue, schöner Lauf direkt auf der Landstrasse. Unheimlich großer Aufwand, damit wir sicher und schnell die Strassen passieren können. Wenn ich könnte, dann gäbe es hier eine neue Bestzeit.

In Hohenweiden beginnt der bereits im Mittelalter angelegte Mühlgraben für die Wassermühle in Holleben, ein kleiner Abstecher nach rechts und ich wäre in einer paradiesischen Naturlandschaft wie damals, vor dem Sündenfall. Aber ich esse lieber die Bananen am VP, lasse die Äpfel liegen.

In Holleben erinnert ein Denkmal an den Kartoffelkrieg von 1178. Viel Sinn steckte nicht dahinter, dass die Preußen gegen Österreich zogen. Es ging ein bißchen um Bayern. Aber Ende August fiel der erste Schnee, und der Feldzug blieb im Matsch stecken Die Soldaten starben wie die Fliegen an Seuchen oder wanderten nur planlos durch die Felder. Daher der Name „Kartoffelkrieg“. Damals entstand der Begriff „Saupreiß“. Die Österreicher hatten aus Langeweile zuviel Pflaumen am Weg abgeerntet, litten an Durchfall und Bauchschmerzen.  Darum heisst dieser Krieg in Östeerreich auch „Zwetschgengrummel“.

In Holleben wurde das größte Mädchen der Welt (2,55 Meter) unterrichtet (1866-1884). Die hätte mich schon scharf gemacht. Nun wandelt sie irgendwo auf einem Himmelsweg und ich hier in der Mörderhitze.

Empfehlenswert ist ein Besuch der Muschelgrotte (18. Jahrh) im Schloß. Nach dem Krieg waren hier Flüchtlinge untergebracht. Auf der Rückseite, in der Muschelgrotte, wurde Kohle gelagert. Dann vergaß man das Schlösschen mit seiner Grotte. Erst 2005 erinnerte man sich wieder an dieses wunderbare Zimmer, das dem Bernsteinzimmer ähnlich sein könnte und machte es für die Öffentlichkeit zugänglich.

Schlettau, dann Angersdorf, der Name sagt es schon, war ein Runddorf zum Schutz vor den häufigen Slawenüberfällen. Auch ich habe lange gekämpft, aber nun bremst die Mittagssonne meine Ambitionen.

Halle Neustadt wurde in den 60er Jahren gebaut. Plattenbauten . Wer es sich leisten konnte, ist weggezogen. Mittlerweile sind viele Plattenbauten abgerissen worden. Gut, dass ich noch eine isotonische Anlaufstelle finde, denn die letzten Kilometer durch die Plattenbauten und über die überdimensionierten Strassen sind eine Tortur. Aber auch das ist der Himmelsweg: Brutale Mittagssonne, Sonnenbrand und heißer Asphalt. Für mich ist es nun wunderbar, ich ziehe an sämtlichen Leidensgenossen  vorbei.

Der Zieleinlauf auf dem Hansaring ist klasse. Die Reste der alten Stadtmauer haben  eine Tribüne  hinterlassen, von der man chillen, regenerieren  und beobachten kann. Während ich mit Waldemar und André Cierpinski quatsche, ziehen Läufer mit vom Pfannkuchen weissgepuderten Gesichtern an mir vorbei. Es ist gut, dass das Läufertrio Cierpinski überall motiviert.

Lange nach mir kommt der Schwergewichtsboxer Timo Hoffmann (Kampfname: die deutsche Eiche) ins Ziel. Er wurde von Waldemar Cierpinski trainiert. Für Timo ein Bestandteil der Vorbereitung auf seinen Europameisterschaftskampf am 03. Dez. Nun, nach seinem ersten Marathon in  4:50  wird er von Waldemar glücklich begrüßt.

Der Mitteldeutsche Marathon bietet eine verdammt schnelle Strecke, durch die Sternstunden der Jahrtausende, von knallharten Profis für ebensolche gemacht. Nur leider haben sich  meine Fußsohlen, die letzten Monat viel geleistet hatten, bei diesem Marathon vom Rest des Körpers getrennt und wurden auf dem heißen Asphalt geröstet. Ein neues Gräberfeld wollte ich dafür jetzt nicht mehr anlegen, die Anlage wäre zu groß geworden.

Ich danke den Cierpinski-Männern für ein einmaliges, olympisches Erlebnis.

Marathonsieger

Männer

1 Götte, Jürgen (DEU) ESV Lok Potsdam  02:52:11
2 Trilsch, Florian (DEU) 02:55:33
3 Renftle, Georg (DEU)errmann & Tallig 02:58:14

Frauen

1 Renz, Sylvia (DEU)02:59:44
2 Borggrefe, Katja (DEU)SG Spergau 03:03:36
3 Schmied, Silvia (DEU) 03:15:53

212 Finisher

123
 
 

Informationen: Mitteldeutscher Marathon
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