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Laufberichte

Im Wald und auf der Heide

03.02.08
Autor: Klaus Duwe

Holland oder Niederlande?

Für mich wird es Zeit, einmal bei unserem nordwestlichen Nachbarn, den Holländern, an den Start zu gehen. Aber halt, nicht gleich zu Anfang einen gravierenden Fehler machen. Richtig heißt das kleine, flache Land mit den frechen Fußballern nämlich Niederlande. (Nord- und Süd-)Holland heißen die an die Nordsee grenzenden Provinzen. Mit den Großstädten Den Haag, Rotterdam und Amsterdam bilden sie allerdings das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Niederlande. Viele Produkte aus dieser Gegend („Käse aus Holland“) haben den Namen in die ganze Welt getragen – so kommt es, dass man das ganze Land mit dem Provinznamen bezeichnet. Teilweise machen es die Niederländer sogar selbst.

 
Wie heißt die Hauptstadt der Niederlande? Falsch, Den Haag ist der Regierungssitz, Hauptstadt ist Amsterdam. Soviel noch kurz aus der Schlaumeierschule.

Apeldoorn erreicht man gut über die Autobahn A 3 Oberhausen Arnheim. Kurz nach der Grenze wechselt man auf die A 12 und später auf die A 50. Ab der Grenze sind es noch ziemlich genau 50 Kilometer. Parkplätze sind in der Stadt rar, deshalb sind außerhalb Parkmöglichkeiten und ein Shuttleservice eingerichtet.

Start und Ziel ist auf der Loolaan. Veranstaltungszentrum ist das Theater Orpheus in unmittelbarer Nähe. Trotz großer Räume geht es hier eine Stunde vor dem Start ziemlich eng zu, 6500 Teilnehmer sind eben eine ganze Menge. Die Veranstaltung hat in den Niederlanden einen guten Namen und eine lange Tradition, es ist dieses Jahr bereits die 35. Auflage.

 


Die Atmosphäre ist wie bei ähnlichen Großveranstaltungen bei uns auch. Die Bevölkerung nimmt großen Anteil und bildet zumindest beim Start eine ansehnliche Zuschauerkulisse. Henk Borgmeijer, einer der populärsten Sprecher im Land, hat die Moderation übernommen. Auch der Reporter des regionalen Radiosenders ist pausenlos am Reden. Alles in Niederländisch eben, aber weil die Sprache teilweise mit dem Hochdeutsch verwandt ist, kann man einige Brocken verstehen. Außerhalb der Niederlande wird die Sprache auch in Belgien (Flandern) gesprochen, sonst nur noch in einigen ehemaligen Kolonien. Fremdsprachen sind für die Niederländer daher von jeher sehr wichtig. Englisch wird schon im Kindergarten unterrichtet, in der Grundschule auch Deutsch und Französisch. Verständigungsprobleme gibt es also keine.

Parallel zur Loolaan ist der obligatorische Radweg, der von hohen Bäumen gesäumt sind. An den Stämmen fallen rote Nistkästen auf. Nicht einzelne, sondern hunderte müssen das sein, 12, 13 oder noch mehr an jedem Stamm. Keiner kann mir sagen, was es damit auf sich hat. Gibt es hier so viele Vögel, oder hat jeder Vogel sein eigenes Haus?

Die vielen Fahrräder vor der Halle werfen dagegen keine Fragen auf. Die Niederlande gelten ja  als DAS Land der Radfahrer. In einer Quizsendung habe ich kürzlich gehört, jeder Niederländer fährt im Durchschnitt 2,5 Kilometer pro Tag.

Zurück zum Laufen. Um 12.00 Uhr ist der Start für den Marathon und für die Asselrunde (27,5 km), der  Minimarathon (18,5 km) und die Acht von Apeldoorn (8 km) werden separat gestartet. 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tragen eine orangefarbene (Männer) oder rote Nummer (Frauen) und sind daran als Marathoni zu erkennen. Pünktlich zum Midwinter Marathon ist auch der Winter zurück. Vorbei ist es mit den frühlingshaften Temperaturen der letzten Tage, mehr als 4 Grad werden heute nicht erreicht, aber die Sonne scheint. Es ist ein herrlicher Tag.

 


Mit viel Applaus geht es auf die Strecke. Die Marathonkurs besteht aus einem Rundkurs von  26,667 km, der einmal komplett und einmal abgekürzt (dann 15,528 km) gelaufen wird.

Jachtlaan, Bosweg und Valkenberglaan heißen die Straßen durch die westlichen Wohngebiete von Apeldoorn. Hochhäuser und große Wohnanlagen sind in ganz Apeldoorn die Ausnahme, und hier gibt es die typischen, verklinkerten  Einfamilienhäuser ganz ausschließlich. Durch das große Fenster zur Straße kann man die Wohnung sehen und meist durch das rückwärtige Fenster wieder hinaus. Vorhänge, falls überhaupt vorhanden, sind nie zugezogen. Und wenn doch? „Dann hat einer was zu verbergen“, sagt mir ein Einheimischer, mit dem ich mich über diese Eigenart unterhalte, schmunzelnd.

 


Im Abstand von ungefähr 5 Kilometern sind Verpflegungsstellen eingerichtet mit immer dem selben Angebot: Wasser, Tee, Iso und Bananen, später gibt es auch Würfelzucker (wirkt bei manchem Wunder). 

Wir sind jetzt im größten Waldgebiet der Niederlande, der Veluwe, in Richtung Hoog Soeren unterwegs. Auf den geteerten Radweg ist gut zu laufen, der Wald ist mit seinen alten Buchen und Kiefern abwechslungsreich und sehr schön. Schau ich nach vorne oder mal zurück, sehe ich ein nach wie vor fast geschlossenes Läuferfeld. Ich sehe aber auch, dass sich der Weg in deutlichen Wellen dahin zieht. Man spürt es auf dem ersten Teil der Strecke kaum, aber die Strecke ist auf keinen Fall als ausgesprochen flach zu bezeichnen.

 


Darauf deutet auch der Name des Gasthauses in Hoog Soeren ( km 9) hin: „Berg en Dal“. Spezialität sind Pannenkoeken. Was für den Italiener die Pizza, für den Türken der Döner und für den Bayern die Weißwurst, ist  für den Niederländer der  Pfannenkuchen. An fast jeder Ecke findet man ein Pannenkoekenhus mit bis zu 100 süßen und deftigen Varianten. Wir werden ein kurzes Stück weiter wieder mit Getränken und Bananen versorgt. Alles zu seiner Zeit.

Auf dem sandigen Geestboden der Veluwe wurden im 18. und 19. Jahrhundert Kiefermischwälder angepflanzt, um die Landwirtschaft vor Sandverwehungen zu schützen. Das Holz wurde im Wohnungsbau und zur Papiererzeugung genutzt. Häufig sind Dünenhügel, ein kleiner See oder wie hier in Hoog Soeren eine Heidefläche (Asselse Heide) zu sehen. Mich wundert es nicht, dass die Veluwe ein bevorzugtes Naherholungsgebiet ist, das auch bei den Deutschen sehr beliebt ist. Es ist wunderschön hier, der weite Weg hat sich gelohnt.

 


Auch Landwirtschaft wir noch betrieben. Wie hier auf dem Mariahof, wo man per Pferdekutsche und Planwagen den Wald erkunden kann, bessern die Bauern ihr Einkommen mit Angeboten für Touristen auf. Natürlich bin ich wie immer, wenn es so viel zu sehen gibt, fleißig am Fotografieren. Als ich zum wiederholten Mal angesprochen werde, ob man nicht einmal ein Bild von mir machen solle, lehne ich dankend ab und informiere den freundlichen Läufer, dass ich die Bilder für einen Laufbericht mache.

„Laufbericht? Für welche Zeitung?“, will er dann wissen. Ich nenne ihm meine Website und zu meinem Erstaunen sagt er mir dann: „Marathon4you? Kenn ich! Da schau ich immer rein, wenn ich mich über Marathons in Deutschland informieren will.“ Was er mir sonst noch sagt, verschweige ich. Ich will mich nicht dem Verdacht der übertriebenen Eigenwerbung aussetzen.

Inzwischen haben wir den äußersten Punkt der großen Schleife erreicht und laufen auf einem Waldweg schnurgerade (aber wieder nicht eben) durch eine eigenartig anmutende Allee noch niedriger Buchen in Richtung der Verkehrsstraße (N 344, Amersfoortseweg, km 15,5), die uns zurück nach Apeldoorn führt.

Die Straße ist halbseitig für die Läufer gesperrt und ansonsten nicht stark befahren. Auf über einen Kilometer steigt sie zwar nur leicht an, aber wer auf einen „flachen Holländer“ eingestellt ist, bekommt leichte Motivationsprobleme. Ich beginne hier jedenfalls meine Aufholjagd, denn ich kann jetzt immer mehr Läuferinnen und Läufer ein- und überholen.

 


Kurz vor km 20 kommt von rechts der Kampsteeg, auf dem die verkürzte zweite Runde verläuft. Schon taucht der Pole Tomek  auf und nicht viel später auch Petra  Kaminkova. Sie sind hier bereits bei km 36 und gewinnen ihr Rennen in einem Abstand von nur 12 Minuten. Schlauerweise läuft man die zweite Runde auf dem Radweg, der etwas versetzt im Wald angelegt ist. So werden die Schnellen nicht behindert  und die Verkehrsstraße kann frühzeitig wieder ganz den Autos überlassen werden. Erst ab der Abzweigung links nach Apeldoorn, es sind noch 4 Kilometer zu laufen, haben wir wieder denselben Weg.

Noch einmal machen wir einen kleinen Umweg in die attraktiven Wohnviertel der Beuken- und Wildernislaan. Dann geht es für die Läufer der Asselrunde geradeaus zum Ziel,  die Marathonis laufen rechts in den Bosweg zur zweiten Runde.

 


Zuvor ist mir noch ein unscheinbarer Hinweisschild aufgefallen: „Het Loo“ war zu lesen, der Pfeil zeigte aber entgegen unserer Laufrichtung. Schade, denn Het Loo ist das 1680 erbaute königliche Schloss, das mit seinem wunderschönen Park direkt in der Verlängerung der Loolaan (ihr erinnert euch, dort wird gestartet) liegt und der Königsfamilie bis 1975 als Sommersitz diente. Viele Staatsbeamte bauten ihre Villen in der Nähe und Behörden und Dienstleister zog es nach Apeldoorn. Heute hat die Stadt 138.000 Einwohner, flächenmäßig ist sie die größte Gemeinde der Niederlande. Das Schloss ist ein Museum. 

Bis nach Hoog Soeren ist der Weg gleich, nur dass man auf dem Radweg läuft, wo für die Marathonis jetzt genug Platz ist, obwohl ich hier im hinteren Feld alles andere als ein einsames Rennen laufe. Dauernd ist irgend jemand um mich rum. Kurz vor dem vorhin beschriebenen Gasthof laufen wir rechts in den Kampsteeg. Nach gut 2 Kilometern sind wir dann an der N 344 Richtung Apeldoorn auf dem schmalen Radweg. Hier sind die Bodenwellen deutlich ausgeprägter als vorhin auf der Verkehrsstraße. Da müssen einige deutlich vom Gas und sich von mir überholen lassen.

 


Als ich endlich die Loolaan erreiche und Richtung Ziel laufe, sind kaum noch Zuschauer da, was ich keinem verdenke. Bei der Kälte läuft man, oder man bleibt zu hause. Rumstehen ist doof. Unmittelbar am Ziel sind doch noch ein paar Unentwegte mehr und der Sprecher freut sich, wieder einen Deutschen begrüßen zu können.

Dann hängt man mir die Medaille um den Hals und legt mir eine wärmende Decke um. Isogetränke sollen den Mineralhaushalt wieder in Ordnung bringen. Duschgelegenheit gibt es in der Sporthalle, die man per Busshuttle erreicht, verpflegen kann man sich im Orpheus. Viel Zeit dafür bleibt mir nicht, es dämmert und der Heimweg ist weit. 

 
Marathonsieger

Männer

1  Tomek Chawawko  Polen 2:27:34
2  Janicki Jaroslaw  Gryfino (POL) 2:28:20
3  Jiri Zak  Praag Tjechie 2:33:35 
..........
14  Rainer Koch  Dettelbach (GER) 2:48:32



Frauen

1  Kaminkova Petra  Praag Tjechie 2:39:20 
2  Milesova Iva  Praag Tjechie 3:00:58 
3  Ines van Rinsum  Utrecht 3:04:34 

 

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Start und Ziel:

Apeldoorn Loolaan, Veranstaltungszentrum Orpheus Theater

Streckenbeschreibung:

Sehr schöne und abwechslungsreiche Strecke durch Wald und Heide und schöne Wohngebiete. Zwei Runden (27 und 15 km), leicht  welliger Kurs.

Auszeichnung:

Medaille und Funktionsshirt

Verpflegung:

Alle 5km warmen Tee, Wasser und Iso, Kekse und Zuckerwürfel.

Logistik:

Alles perfekt organisiert. Parkplätze teilweise außerhalb (Busshuttle).

 

 

Informationen: Midwinter Marathon
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