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Laufberichte

„Jetzt geht’s los“

01.04.07
Autor: Klaus Duwe

Kurze Wege in Freiburg

  

Am Samstag hat der Winter noch einmal seinen Auftritt, es schneit im Schwarzwald und die Temperaturen sind so weit gesunken, dass sich sogar in der Rheinebene Schnee und Regen vermischen. Mehr passiert nicht, in Freiburg ist Marathon, und da ist schönes Wetter inklusive. Der versprochene Sonnenschein bleibt allerdings aus, der Nebel hält sich zäh und nur manchmal kommt vereinzelt die Sonne durch. Die Temperaturen liegen bei 15 Grad, ideal also zum Laufen.

 

Zuvor empfiehlt sich aber ein Gang über die Marathonmesse, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient. 70 Aussteller füllen die Messehalle 2, unter ihnen auffallend viele Veranstalter, die für ihren Marathon werben. Die Besucher nutzen die Chance, Informationen aus erster Hand zu erhalten. In der gleichen Halle ist die Startnummernausgabe und die Pastaparty. Die Gratis-Portion Nudeln kann man sich am Samstag vor, oder am Sonntag nach dem Lauf abholen.  

 

Gleich nebenan in Halle 3 ist die Kleiderabgabe und in Halle 1 sind die Umkleiden und Duschen. Weil auch die Anfahrt zum Messegelände problemlos ist und ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen, kann man insgesamt von einer perfekten Infrastruktur und von einer Veranstaltung der „kurzen Wege“ sprechen.

 

Nachdem man die Läuferinnen und Läufer für den Marathon (Start 11.20 Uhr) und Halbmarathon (Start 13.00 Uhr) zeitlich getrennt auf die Strecke lässt, treten die bei meiner letzten Teilnahme 2005 bemängelten Engpässe nicht mehr auf, allerdings ist das Teilnehmerfeld auch auf  7.606 Finisher (bei 11.011 Anmeldern) zurückgegangen.

 

Das ist vielleicht wieder Wasser auf die Mühlen derjenigen, die in den letzten Wochen das Ende des Booms herbei schreiben. Tatsache ist, dass an diesem Wochenende nicht weniger als 9 Marathonläufe in der Terminliste stehen (im letzten Jahr waren es 5), darunter mit dem Zürich Marathon und der Premiere am Hambacher Schloß zwei „Schwergewichte“ im Einzugsgebiet des Freiburger Marathon.

 

Kann sein, dass auch der 2-Runden-Kurs für manchen nicht ganz so „prickelnd“ ist. Ich persönlich laufe einen attraktiven und belebten Kurs lieber zweimal, als dass ich mich auf einer großen Schleife durch einsame Industriegebiete quäle. Und attraktiv ist die Freiburger Strecke, das will ernsthaft niemand bestreiten. Belebt ist sie auch, dafür sorgen schon 42 Musikgruppen und nicht zuletzt die Freiburger Bevölkerung in Feierlaune.

 

Start auf der Madison Allee

 

Der Start wurde auf die breite Madison Allee verlegt, die in diesem Bereich gesperrt ist und komplett den Läuferinnen und Läufern zur Verfügung steht. Gedränge kann da nicht aufkommen. Nach der Präsentation der Favoriten, die Lokalmatadore Max Frei und Birgit Bartels, vor zwei Wochen noch in Antalya (2:57 Stunden) am Start, wollen jeweils zum dritten Mal in Freiburg gewinnen, geht es pünktlich um 11.20 Uhr mit viel Applaus auf die Strecke.

 

Die kritischen ersten Kilometer bei einem 2.000 Läufer starken Feld gehen hier ganz problemlos über die Bühne, denn auch in der Berliner Allee stehen beide Fahrbahnen zur Verfügung. Statt Gedränge gibt es rhythmisches Laufen von Beginn an. Entsprechend entspannt ist die Stimmung unter den Marathonis.

 

Auch die Musiker sind noch frisch und unverbraucht und gehen engagiert  zur Sache. Als es nach gut 2 Kilometern über die Zubringerbrücke geht und sich die Fahrbahn verengt, hat sich das Feld längst auseinander gezogen und jeder läuft ungestört „seinen Stiefel“. Alleine 4, vielleicht auch 5 Musikgruppen sind auf die Haslacher Straße verteilt, einem Wohnviertel, das ab den 60er Jahren entstanden ist. Die Anwohner hält es nicht in ihren Häusern, sie stehen an der Straße und feuern die Marathonis an. „Ist nicht mehr weit“, meint einer, der wohl glaubt, die erste Runde verschlafen zu haben.

 

Zwischen km 5 und km 6 laufen wir über die Blaue Brücke, jetzt Wiwili-Brücke genannt, nach der Freiburger Freundschaftsstadt in Nicaragua. Zusammen mit der Stühlinger Kirche im Hintergrund gibt die Radlerbrücke ein herrliches Fotomotiv ab. Die Stimmung bei den zahlreichen Zuschauern und Aktiven erreicht einen ersten Höhepunkt.

 

In der Wilhelmstraße kommen wir zur 1457 gegründeten Universität, die in diesem Jahr 550 Jahre alt wird zu den ältesten in Deutschland zählt. Nach ihrem Gründer, dem österreichischen Erzherzog Albrecht VI., wurde sie Albertina genannt. Als 1806 das Land Baden gegründet wurde, stand die Uni auf der Kippe, weil das relativ kleine Land in Heidelberg bereits eine bedeutende Hochschule hatte. Der Freiburger Professor Carl von Rotteck setzte sich aber vehement bei Großherzog Ludwig von Baden für den Fortbestand ein, der dann schließlich weiterhin einen Etat bewilligte. Viele bekannte Persönlichkeiten haben in Freiburg studiert und gelehrt, darunter etliche Nobelpreisträger.

 

Nach dem engagierten Professor ist der Rotteckring benannt, der sich der Wilhelmstraße anschließt. Zweimal biegen wir danach rechts ab, dann sind wir auf der Freiburger Shopping-Meile, der Kaiser-Joseph-Straße (km 7). „Jetzt geht’s los“ spielen die Wiesensteiger Straßenmusikanten und das stimmt auch. Die Freiburger sind wieder total aus dem Häuschen und die feiern die Marathonis wie sonst nur ihren SC, wenn er wieder mal in die Bundesliga aufsteigt.

 

Immer dem Bächle nach

 

Rechts und links der Straße fließen die für Freiburg typischen schmalen und flachen „Bächle“, die es seit dem 13. Jahrhundert in vielen Gassen gibt. Sie dienten aber nicht, wie man leicht vermuten könnte, etwa der Entsorgung von Fäkalien, sondern der Brandbekämpfung. Zwischenzeitlich gibt es dafür natürlich wirkungsvollere Einrichtungen, aber die Freiburger pflegen diese Tradition und beschäftigen noch heute zwei „Bächlesputzer“, die für Sauberkeit und damit für die richtige Fließgeschwindigkeit sorgen.

 

Auch rund um Martins- und Schwabentor, beide aus dem 13. Jahrhundert und ehemals Teile der Stadtbefestigung, stehen die Zuschauer dicht gedrängt, unterhalten und animiert von Rock- und Sambaklängen.

 

Das berühmte Freiburger Münster, mit dessen Bau um 1200 begonnen wurde und der sich über 300 Jahre hinzog, sehen wir von der weniger bekannten Rückseite . Wegen der engen Gassen und der schon erwähnten Bächle rund um den Münsterplatz kann das Freiburger Wahrzeichen leider nur so in die Strecke einbezogen werden. Ansehen sollte man sich den Platz vor oder nach Lauf aber auf jeden Fall, denn sonst war man nicht in Freiburg, sagen nicht nur die Einheimischen.

 

Wir kommen auf die Schlossbergstraße (km 9), wo sich links gleich der 456 hohe gleichnamige Berg erhebt, auf dem die Geschichte von Freiburg ihren Ursprung hat. 1091 hat hier der Zähringer Herzog Berthold II das „Castrum de Friburch“ errichtet und sein Sohn Konrad 1120 der Handwerker- und Dienstleute-Siedlung am Fuß des Berges das Marktrecht verliehen.

 

Gleich kommen wir noch einmal zum Schwabentor und genießen die tolle Stimmung. Dann werden in der Hermannstraße aber andere Töne angeschlagen. Eine große Jahrmarktorgel weckt das Interesse der Läufer und Passanten. Vor 200 Jahren hat in Simonswald Ignaz Bruder mit dem Bau einer Drehorgel begonnen. Später, er war inzwischen nach Waldkirch umgezogen, begründeten seine Nachkommen ein Imperium, das mit seinen Musikautomaten, Dreh- und Jahrmarktsorgeln weltberühmt wurde. Später, vor dem Gebäude des SWR sehen und hören wir ein weiteres Prachtstück in modernem Design.

 

In der Kartäuserstraße (kurz vor km 10) haben wir eine kurze Begegnung mit den vor uns liegenden Läuferinnen und Läufern und kommen zum Flüsschen Dreisam, nach dem in Kreuzworträtseln oft gefragt wird. Ganz müssen wir auch hier nicht auf Musik und Zuschauerunterstützung verzichten, obwohl es schon etwas ruhiger ist. Richtig zum Genießen ist der Lauf entlang des Wassers und durch die herrlich blühenden Grünanlagen.

 

Feiertag in Herdern

 

Dann queren wir den Fluß und laufen zurück in die Schloßbergstraße in der Altstadt und kommen in die Stadtteile Neuburg (km 14) und Herdern (km 15). Feiern scheint den Leuten hier im Blut zu liegen. Jedenfalls erreicht der Geräuschpegel Orkanstärke und die Stimmung könnte auch bei einer Fasnetveranstaltung nicht besser sein. Zur Fasnet nämlich scheinen die Leute hier eine sehr enge Beziehung zu haben, jedenfalls haben sie den Dorfbrunnen mit einem Hästräger geschmückt. Das ist in der Alemannischen Fasnet das Narrenkostüm, das aus einer geschnitzten Holzmaske und dem Narrenkleid besteht. Jede Narrenzunft hat ihr eigenes Häs, das der Träger ein Leben lang behält und meist weiter vererbt.

 

Karibische Klänge muntern uns auf der Zähringerstraße (km 18) auf. Wo Musik ist, wird auch gefeiert, da macht man auch hier keine Ausnahme. Nach der Waldkircher Straße geht es rechts in die Kaiserstuhlstraße (km 20), die leicht ansteigt. Gleich sehen wir auf das Messegelände, das einem riesigen Heerlager gleicht. Rechts geht es zum Ziel, geradeaus auf die zweite Runde.

 

Ich finde es angenehm, dass ich nicht erst durch’s Ziel und dann auf die zweite Runde muss, wie es zuvor immer der Fall war. Auch die Eliteläufer werden diese Neuregelung zu schätzen wissen, weil sie den verdienten Applaus nicht mit den Marathonis teilen müssen, die hier erst Halbzeit haben.

 

2. Halbzeit

 

Kilometer 21 wird nach der neuen Regelung in der Emy-Noether-Straße erreicht, wenig später sind wir aber schon wieder auf der Berliner Allee und bei km 24 im Stadtteil Haslach.

 

Ein Wort zur Verpflegung. Mit den Startunterlagen gibt es unter anderem einen Streckenplan, wo alle Getränke- und Verpflegungsstellen (jeweils 4 pro Runde) eingezeichnet sind. Wasser, Iso, Bananen und Riegel stehen zur Auswahl. Einer anschaulichen Skizze ist zu entnehmen, wie die einzelnen Tische angeordnet sind. Wenn’s da noch die Problemen kommt, ist der Läufer selber schuld.

 

Die Regelung mit den Startzeiten für Marathon und Halbmarathon finde ich genial. Bereits in der Kaiser-Joseph-Straße (km 28) laufe ich auf die langsamen „Halben“ auf und bald ist das Läuferfeld belebter als Mitte der ersten Runde. Dass ich praktisch nur am Überholen bin, ist für die Psyche auch nicht schlecht. So ist es kein Zufall, dass mir in Freiburg wieder mal ein Marathon gelingt, bei dem ich die zweite Hälfte schneller als die erste laufe.

 

Alles bestens also, bis auf die Musik, die ist nicht zu 100 % marathontauglich, zumindest was die Kondition der Künstler betrifft. Einige haben den Betrieb ein-, oder von „live“ auf Konserve umgestellt. Ausdrücklich loben will ich die, die durchgehalten haben und damit Solidarität mit den Marathonis zum Ausdruck bringen.

 

Nach dem Martinstor überhole ich drei Mädels. Sie haben nacheinander „die“, „Ersten“ und „sein“ rückseitig auf ihre Shirts gedruckt. Ich frage mich, was das soll und komme nicht drauf. Also erkundige ich mich. „Alles hat zwei Seiten, du musst auch von vorne lesen“, bekomme ich zur Antwort. Da wäre ich nicht drauf gekommen. Ich lese nach: „die“ „letzten“ „werden“ steht da. Aha, jetzt paßt es. Die Mädels haben ihren Spaß und ich weiß Bescheid.

 

Es gibt Badische und …

 

Nicht ganz so aufschlussreich verläuft das Gespräch mit einem Läufer, der ein Trikot des FC Freiburg trägt. Für Auswärtige: das ist der zweite Freiburger Fußballverein, der ursprünglich sogar der größere war. Irgendwie ist er in der Versenkung verschwunden und ich wusste gar nicht, dass es ihn noch gibt. Also frage ich den Trikotträger, wie es dem Verein so gehe und was er macht. „Fußballspielen.“ Ok, das ist mir nicht neu. „Wo“, will ich wissen, und füge, weil ich merke, dass er aus dem Westfälischen kommen muss und mich vielleicht nicht gut versteht, noch hinzu: „Welche Liga?“ Er antwortet mit einer Gegenfrage: „Woher soll ich das wissen?“ Jetzt weiß ich, wie man seinerzeit auf den Spruch gekommen ist: „Es gibt Badische und Unsymbadische“.

 

Auf der Wiese an der Dreisam (km 32) wird jetzt kräftig gegrillt. Der Geruch von Bratwurst und Zwiebeln macht mir Appetit. Die vielköpfige Familie würde mir tatsächlich was abgeben, ich mache aber im letzten Moment einen Rückzieher und ziehe das Bananenstückchen und den Becher Wasser der fettigen Kalorienbombe vor.

 

Die Zeit vergeht im Flug. Schon bin ich wieder in der Zähringerstraße und biege rechts zum Messegelände ab. Der letzte Kilometer hat es noch einmal in sich, der Anstieg ist jetzt deutlich spür- und sichtbar: viele gehen. Dann geht’s aber mit Schwung abwärts ins Ziel, wo erstaunlich viele Zuschauer den Finishern einen tollen Empfang bereiten.

 

Die Zielverpflegung ist reichlich und vielseitig. Wasser, Apfelschorle, noch einmal Bananen und Joghurt. Für die Schnelleren soll es auch noch Hefegebäck und Wärmefolien gegeben haben. Hab ich was vergessen oder übersehen?

 

Und wie ging es eigentlich den Favoriten? Birgit Bartels hat nicht nur den dirtten Sieg geschafft, sondern sich auch gleich den Streckenrekord zurück geholt. 2:50:21 Stunden lautet ihre Bestmarke.

 

Auch für Max Frei wäre es optimal gelaufen, wenn sich am Morgen nicht Gerhard Schneble spontan vom "Halben" auf den Marathon umentschieden hätte. "Ich will in Hamburg starten und brauchte noch einen langen Lauf. Also dachte ich, den mach ich hier. Als es dann vom Start weg super lief, habe ich zum zweiten Mal umdisponiert und durchgezogen." So gelang dem sympatischen 38-jährigen ein überraschender Sieg und mit 2:27:21 Stunden ein neuer Streckenrekord.

 

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Die Marathonsieger:

 

Männer

1. Gerhard Schneble, TV Gailingen  2:27:21 h
2. Max Frei, PTSV Jahn Freiburg  2:29:03 h
3. Stefan König, USC Freiburg  2:30:53 h

 

Frauen

1. Birgit Bartels, SV Kirchzarten  2:50:21h
2. Doro Grupp, Team LeoSport  2:53:41 h
3. Beate Roth, SSV Ulm  2:53:51 h

 

Streckenbeschreibung:

Rundkurs von 21 Kilometer, keine wesentlichen Steigungen. Gute, asphaltierte Straßen.

 

Zeitnahme:

Champion-Chip.

 

Rahmenprogramm:

Marathon-Messe 

 

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon

 

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde aus dem Internet

 

Logistik:

alles spielt sich in den Messehallen 2 (Marathonmesse, Startnummern-Ausgabe), 1 (Kleider-Depot) und 3 (Massage, Umkleide, Dusche) ab. Das Messegelände ist mit der S-Bahn und per Auto (großer Parkplatz) gut zu erreichen.

 

Verpflegung:

8 Getränke- und Verpflegungs-Stationen pro Runde mit Wasser, Iso, Bananen und Riegel.

 

Zuschauer:

Eine Riesenstimmung auf der Strecke mit 42 Musikgruppen von Rock  über Blasmusik bis zu Samba. Die Freiburger stehen hinter ihrem Marathon wie eine Eins. Höhepunkt die Innenstadt am Martins- und Schwabentor.

 

Informationen: Mein Freiburg Marathon
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