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Laufberichte

Das wird mal ein ein ganz Großer

20.06.10
Autor: Klaus Duwe

Bis Wangen (km 29) kann ich ihn nicht abschütteln. Dort vor dem Niedertorturm spielt eine Rockband, was natürlich viele Zuschauer anzieht. Ich denke, auch unter der Bevölkerung wird sich die Veranstaltung noch mehr herumsprechen und dann noch mehr Zuspruch finden. Die, die den Lauf für sich bereits entdeckt haben (egal, ob als Läufer oder Zuschauer), sind jedenfalls mit einem Riesenspaß dabei. Was gibt’s zu essen? Feine Fleischwurst und Baguette, dazu den guten Riesling.

Das Dorf ist wie die Kulisse zu einem Film aus dem Mittelalter. Einzig die asphaltierte Dorfstraße und ein paar Autos passen nicht ins Bild. Ganz gut ins Bild passt Laurent, der sich von seiner Freundin Body und Strumpfhose ausgeliehen hat und gerade an den brav gekleideten Kirchgängern vorbei düst.
Den Ort verlassen wir, wie wir ihn betreten haben: Durch ein Tor und mit viel Applaus. Allerdings abwärts, sehr erfreulich. Gleich geht es aber wieder in die Weinberge, das heißt bergauf. Knackig rote Kirschen dienen als kleine Zwischenmahlzeit.

„Da oben gibt’s Johannisbeere“, ruft der Joe. Ich muss den armen Städter aufklären. „Das sind Reben, lieber Joe, Reben. Aus den Früchten macht man Wein. So nennt man den Saft, den Du heute ständig in Dich rein kippst.“ „Aber letztes Jahr gab’s da Johannisbeere.“ „Ja, lieber Joe, letztes Jahr war es sehr, sehr warm.“

Der Weg ist zwar schlecht, aber es geht abwärts. Weil kein Alkohol meinen Schmerz betäubt, spüre ich jetzt deutlich, dass 30 zum Teil recht anspruchsvolle Kilometer absolviert sind.  Aber das sonst schon mal aufkommende „es reicht“ ist weit entfernt. Mir fehlt noch was. Mein liebster Käse nämlich. Meine Frau nennt ihn „Stinkerkäs“. Bringe ich ihn mit nach Hause, muss ich ihn innerhalb von zwei Tagen essen. Länger ist er im Kühlschrank nicht geduldet. Länger würde er auch nicht halten.

Wer’s nicht schon weiß, vom Münsterkäse ist die Rede. Der streng riechende Weichkäse  wurde von Mönchen im Münstertal in den Vogesen erfunden, die dort seit 660 ansässig sind. Die Elsässer essen ihn gerne mit Kümmel, mir schmeckt er am besten mit Senf. Serviert wird er wie immer mitten in den Weinbergen bei Traenheim (km 31). Dazu gibt es einen Gewürztraminer, dessen Hauptanbaugebiete hier im Elsass liegt. Aus den Rückständen (Trestern) wird übrigens ein ganz hervorragender Schnaps gebrannt, der Marc de Gewürztraminer. Sein Italienischer Verwandter ist der Grappa.

Bis Dangolsheim sind es 6 Kilometer, die nicht ganz einfach sind. Außer dass es ständig rauf und runter geht, sind die Wege hier besonders rustikal. Auch ohne Promille hoppelt mancher wie besoffen durch die Gegend. Der Grauburgunder hilft dann wieder in die Spur. Dazu gibt es verschiedene Pasteten. Von Wildschein ist da gar die Rede und von Gänseleber. Die Leute schauen keineswegs ängstlich, greift man ein zweites oder drittes Mal zu. Nein, sie freuen sich, dass es schmeckt. Manchmal gibt es sogar Nachschub aus dem ganz privaten Spezialitätenkeller.

Noch 5 Kilometer, es wird hart für mich. Der Akku meiner Kamera ist leer, als Fotostopps getarnte Verschnaufpausen entfallen. Gehpausen sind angesagt. Ein „Halber“ überholt mich, schaut auf die Nummer, identifiziert mich als Marathoni und überschüttet mich mit Komplimenten. Er liest meinen Namen, spricht mich damit an und will mich aufmuntern. Das ist ganz typisch für diesen Lauf. Man hat nicht nur Zeit zum Essen und Trinken, sondern auch zum Schwätzen. Irgendwie versteht man sich.

Für’s Auge wird auf den letzten Kilometern nicht mehr so viel geboten. Ist man in Soultz les Bains vorbei, läuft man meist auf einem ebenen Radweg, der zur Abwechslung auch hin und wieder Schatten bietet.  Bemerkenswert sind lediglich die zwei letzten Verpflegungsstellen, denn in Avolsheim (km 39) gibt es praktisch zum Dessert Lebkuchen und Muscat und knapp einen Kilometer vor dem Ziel Kekse und Crémant. Das ist der Elsässische Champagner. Obwohl er nach dem Champagnerverfahren hergestellt wird, darf er so nicht genannt werden. Was sagen die Läufer? „Macht nichts, her damit.“ Mit der gesündesten Gesichtsfarbe der Welt erreichen sie das Ziel in Molsheim und werden freudig begrüßt, die Kostümierten natürlich ganz besonders. Sie bekommen eine Sonnenbrille als Geschenk. Ein Schelm, wer Schlimmes dabei denkt ….

Erste kleine Verpflegung gibt es gleich an Ort und Stelle, ebenso die Medaille, das Shirt und eine Flasche Wein. Den Bon für den Marathoni-Teller löst man in der Münze ein und feiert im Saal oder im Freien seine neue „Bestzeit“.

Sieger und Siegerin werden übrigens mit Wein aufgewogen. Das kostet den Veranstalter erfahrungsgemäß nicht viel, bei diesen Leichtgewichten. Ich überlege mir, wie wir den Joe 90 Minuten schneller machen, ohne dass er Gewicht verliert. Wenn er dann noch 2 ½ Stunden ohne Stoff auskommt, hat er gute Gewinnchancen und kann einen ordentlichen Weinvorrat nach Hause nehmen.

Als ich die Feierlichkeiten verlasse, muss ich einer m4y-Leserin versprechen, nicht so viel Reklame für den Elsässer Weinmarathon zu machen. Es seien schon genug Leute hier. Ich hab mich dran gehalten. Alles ist alles noch viel schöner, als beschrieben.

Marathonsieger
Männer
1. Abdelkerim Abdoulaye France                2:34:06
2. Michael Boch, Sport 2000                        2:41:46
3. Yves Ducret, Strasbourg                          2:47:31

Frauen
1. Annette Sattler,  Spiridon Frankfurt         3:21:25
2. Marie-Christine Schatz, Sport 2000       3:28:45
3. Stephanie Ponthus, St. Cergue              3:29:36

562 Finisher

123
 
 

Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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