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Laufberichte

Monopoly to go

 

Später wurde die Hauptwache bis 1904 militärisch genutzt. Seit den 1960ern fährt hier Frankfurts erste U-Bahn. Zurück zur Gegenwart. Im Hintergrund der Hauptwache sticht das mit 259 Metern höchste Gebäude Mainhattens, der Commerzbank Tower, hervor. Rechter Hand ist die 1678-81 erbaute  Katharinenkirche, von der man sagt, es wäre Goethes Taufkirche. Hier in der Seitenstraße ist Goethes Elternhaus. Im Mittelalter wurden an der inneren der beiden Frankfurter Stadtmauern tatsächlich Hirsche gehalten: Als lebender Fleischvorrat für eine eventuelle Belagerung.

Auch hier ist eine Großbildleinwand, auf der die Läufer wie ein Meer aus bunten Punkten zu bestaunen und zu bejubeln sind. Arthur Schmidt, Moderator-Urgestein, berichtet von der Strecke und unterhält mit Geschichten und Geschichtchen rund um den Frankfurt Marathon. Ihn werden wir bei Kilometer 39 nochmals wiedersehen.

Die Verbindungsstraße (KM 8 Große Eschenheimer Straße) von der Hauptwache zum Eschenheimer Tor wird unter die Laufschuhe genommen. Das 14. Fünf-Sterne-Luxushotel in Frankfurt ist das Jumeirah. Flair aus 1001 Nacht und hoteleigener Bienenzucht auf dem Dach. Jumeirah ist die kleine Schwester des teuersten Hotels Dubais dem „Burj Al Arab“. Eine Nacht in der Präsidentensuite hoch über den Dächern Frankfurts kostet 5.000 EURO.

Ein Highlight jagt in Frankfurts Skyline das andere. Im PalaisQuartier-Ensemble mit historischer Adresse ragt der 135 Meter hohe NEXTOWER in den Himmel. Gerade unpoliert im Regen ist er für mich Frankfurts schönstes Glas-Juwel.

Piep, piep, piep. Eine elektronische Matte stoppt die Zwischenzeit. Früher Autostraße heute Fußgängerzone (KM 8,5 Kalbächer Gasse). „Kalbächer Gasse? Nie gehört wo soll die sein?“ Im wahrsten Sinne des Wortes eine genüssliche Flanierzone. Die Freßgass‘ ist die Bezeichnung der Frankfurter für den Straßenzug Kalbächer Gasse und Große Bockenheimer Straße zwischen Opernplatz und Börsenstraße. Die Ladenmieten in der Freßgass‘ zählen zu den teuersten in ganz Frankfurt und die Preise der zu erwerbenden Genüsse sind folglich hoch.

Erneut nähe Opernplatz (KM 9). Tausende Sportbegeistere drängen sich rechts und links der Laufstrecke auch die Idee des Public „Marathon“ kommt an. Die Rhythmen von Ritmo Candela machen gute Laune und sie reißen das Publikum und die Läufer mit. Wenn die letzten Läufer über den Platz laufen, nehmen kurz darauf die Opernfreunde auf den Stühlen (von denen der Frankfurter Friedrich Stolze sagte, sie seien zu eng geraten) Platz; denn dann beginnt auch schon der „Tannhäuser“. Das Opernhaus gewann in diesem Jahr den "International Opera Award" und nimmt damit unter den weltweit bekannten Opernhäusern den Spitzenplatz ein.

Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Das Läuferfeld ist dicht beisammen. Die (KM 10)  Bremer Straße eingebettet zwischen Grüneburg-Park und Holzhausenpark. Der Holzhausenpark ist die Schnittstelle zwischen Westend, Holzhausenviertel und dem Universitätscampus Westend. Eine Umgebung mit viel Grün und altem Baumbestand. Statt buntem Herbstleuchten ist es jedoch grau und regnerisch. Kuschlig (weil zu eng) ist es zurzeit nur in den Hörsälen.

Dunkle Wolken ziehen auf und kurz darauf wird es von oben nass. Nass sind auch meine Erinnerungen hier an der Hochstraße, die wir gerade queren. Dort wo heute das Hilton Hotel steht, habe ich Schwimmen gelernt - vom Seepferdchen bis zum Jugendschwimmer. Einmal pro Woche ging meine Mutter mit mir in das beliebte Stadtbad Mitte. Typische 60er Jahre Steinmosaiken in Grau-, Türkis- bis Schwarztönen und einem Zehn-Meter-Sprungturm, zu hoch für die kleine Andrea. Meine Mutter musste zuerst springen. Das Sprungbrett ist abgebaut, das Becken nicht mehr so tief wie früher.

Nach dem Schwimmen ging´s auf ein Stück Kuchen ins Café Wipra oder zum Kauf einer Garnitur neuer Strümpfe ins Kaufhaus Schneider. Das Café, das Kaufhaus und das Stadtbad Mitte gibt es schon lange nicht mehr, aber schwimmen kann man dort noch heute, im größten Hotelpool Europas. Heute heißt es „Wave“ und gehört zu einem Fitnessstudio im Hilton Hotel. 1998 hatte Frankfurt der amerikanischen Hotelkette zur Auflage gemacht, ihren Neubau an der Hochstraße um das Stadtbad herum hochzuziehen. Hinter dem Hotel liegt die damals sogenannte „Haschwiese“ in der Bockenheimer Anlage, vor der mich meine Eltern warnten.

Vor knapp sieben Jahrhunderten war der 40 Meter hohe Eschenheimer Wach- und Wehrturm der erste Hochbau, heute das älteste Bauwerk der Innenstadt, welches wir jetzt erreichen. Heute entrückt der Turm in der Menge der anderen, viel höheren Türmen. Extrem der Kontrast zwischen alt und neu, zwischen Bruchsteinbau und Glasbeton. Die Hauptwache, Ecke Eschenheimer Tor, Schauplatz von „Faust“ und "Das Mädchen Rosemarie", denn das wahre Leben schreibt die spannendsten Geschichten – enthauptet und erwürgt in der Innenstadt Frankfurts. Die Rede ist von Susanna Margaretha Brandt (28 J.) genannt „Gretchen“ und Rosamarie (24 J.) genannt „die Nitribitt“. 185 Jahre liegen zwischen dem Tod der beiden jungen Frauen. Die als Kindsmörderin hingerichtete Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt starb am Morgen des 14. Januar 1772 durch den Halsabschneider Johann Hoffmann auf dem Schafott an der Hauptwache. Der junge Rechtsanwalt Johann Wolfgang von Goethe verfolgte den Prozess, die Tragödie inspirierte ihn zur Gretchenfigur des „Faust“.  Goethes Elternhaus war nur einen Steinwurf entfernt.

Zwei Steinwürfe weiter, 1957, Tatort Stiftstraße im Haus Nr. 36. Vor dem Gebäude stand ein glänzender schwarzer Mercedes 190 SL, Weißwandreifen, weißes Lenkrad und dunkelrote Ledersitze. Jeder wusste, wem der Wagen gehörte. Männer aus den höchsten Kreisen gehörten zu ihren Kunden. Am Ende bezahlte sie ihren “Aufstieg” vom einfachen Mädchen zur Edel-Prostituierten mit dem Leben; ihr Mörder ist bis heute nicht gefunden.

Fußläufig von hier bin ich in einer geräumigen Altbauwohnung eines Gründerzeithauses im Nordend aufgewachsen. Schlichter Standard, anfangs ohne Bad, alte Leitungen über Putz, Ölofen, knarzende Holzdielen und hohe Decken. Ich spielte im großen Hinterhof zwischen den Häuserreihen. Das Nordend ist in den 70ern fest in Studenten-Hand. Aus dem Studentenviertel ist ein Akademikerviertel geworden, „unser“ Haus mittlerweile luxussaniert.

Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Ich will das auffallend grellbunte Wandbild am Hause der Maßschneider Innung Frankfurt (KM 12 Bleichstraße) aufs Bild bekommen. Auf über 160 Quadratmeter Fassade ist Farbe von über 800 Spraydosen. Ein gelbes Maßband als Zeitstrahl erzählt die Geschichte der Schneider. Mehr als 1000 Herrenschneider arbeiteten 1923 in Frankfurt und bildeten damit das größte Handwerk der Stadt. Kein Wunder also, dass Schneidern und Nähen auch der Beruf meines Frankfurter Urgroßvaters war. Heute sind nur noch etwa 30 Maßschneider im Rhein-Main-Gebiet tätig. Bedauerlicherweise laufe ich, mitgezogen vom Läuferpulk, viel zu schnell an der Fassade vorbei.

 

Hippdebach


Nicht mehr weit und wir sind unne am Maa (KM 13 Kurt-Schuhmacher-Straße). Jetzt geht’s von hibbe noch 300 Meder nach dribbe und ruff un nunner übber die Aale Brück, 1235 erstmals urkundlich erwähnt.

Auf ihr wurden ebenfalls Todesurteile vom Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert hinein vollstreckt. Lautete das Urteil Tod durch Ertränken, wurden die Verurteilten gefesselt und in ein Holzfass gesteckt und an der tiefsten Stelle (am Brickegickel) von dieser Brücke in den Main geworfen. Bedingt durch die Strömung tauchten die Behälter bzw. die Körper meist erst hinter der Stadtgrenze wieder auf.

 

Brust raus und lächeln


Hier sitzen die Fotografen, hier werden die Panoramafotos geschossen, im Hoch- oder Querformat, die Frankfurter Skyline auf Fotos in jeglicher Form! Vor allem die Hochhäuser mit dem Kaiserdom St. Bartholomäus (dem größten Sakralbau der Stadt) ist zum Hochglanzmotiv für den Frankfurt Marathon geworden. „Kreisch“!  Erinnerungen werden wach. Von oben schaue ich auf das Sachsenhäuser Mainufer und damit auf die Laufstrecke des Frankfurt Ironman. Sicher werden auch Nicole und Lothar Leder (heute als Staffelläufer unterwegs) ein Auge auf das Ufer geworfen haben. 

 

Dribbdebach


Wir sind Dribbde (KM 14 Schaumainkai) in Sachsenhausen, dem Stadtteil, den kein Tourist bei seinem Frankfurt Besuch auslässt. Im Mittelalter Lage des Ritteradels, später Arbeitsstätte und Wohnort der Gerber, Färber und Gemüsebauern. Kopfsteinpflaster ziert auch heute die alten Gassen. Und hier uff de Mainuferseit gibt’s de Ebbelwoi (Apfelwein) und Handkäs.

Zurück zum Schaumainkai. Ein Museum reiht sich an das nächste. An schönen Sommertagen kann man sich in Goethes Vaterstadt die Italienreise sparen und das Gelati am Mainufer genießen. Ein paar Schritte weiter fällt der rote Mainsandstein der Dreikönigskirche ins Blickfeld. Zum Zeitpunkt seiner Erbauung war der 81 Meter hohe Turm das zweithöchste Gebäude Frankfurts. Genau passend ist von der Sachsenhäuser Seite am Horizont das „Gerippte“ zu sehen. Der Westhafen-Tower wird von uns Frankfurtern allgemein als Geripptes bezeichnet, da seine Fassade wie ein Frankfurter Ebbelwoi-Glas aussieht.

Rechter Hand der Eiserne Steg, der als Fußgängerbrücke den Römerberg mit dem Stadtteil Sachsenhausen verbindet. Besonders in einer lauen Sommernacht ist es schön über diese Brücke zu flanieren. Tausende Vorhängeschlösser sind am Ziergitter angeschlossen. Zurück zur Strecke. Wir laufen weiter in Richtung Schweizer Straße. Der Wind spielt mit, er weht aus Südwest. Ideales Wetter – nicht für Rekorde, aber zum Drachen steigen zu lassen.

 
 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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