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Laufberichte

Hessisches Original

 

Und wie schnell es wieder verging ... Manchmal glaube ich, die Zeit rennt einfach jedes Jahr schneller. Ich kann mich noch genau an den Zieleinlauf im vergangenen Jahr erinnern. Tausende Zuschauer johlten, schrien und pfiffen von der Tribüne, glamourös illuminiert mit Kunstnebel und Discorhythmen. Es waren nur Sekunden auf dem „Roten Teppich“, aber für Sekunden eine richtig fette Show. Konfettischnipsel bedeckten den Teppich und schillerten im Scheinwerferlicht. Wie ein Junkie will man das Gefühl wieder und wieder haben… Genau dafür liebe ich den Marathon in Frankfurt!

Frankfurt ist keine besonders gefühlsbetonte oder romantische Stadt. Der Frankfurter an sich auch nicht. Sentimental wird ein Frankfurter höchstens nach einem Zehner-Bembel  Äbbelwoi oder eben beim Zieleinlauf mitten rein in die „Gudd Stub“. Als eschtes Frankfurter Mädsche kenne ich Frankfurt, die Frankfurter und den Frankfurt Marathon. Ei,  un ich babble Frankfurterisch – quasi Großstadt-Hessisch. Ferschterlich, gell? Bedingt durch die vielen „sch“ ist hessisch ein feuchter Dialekt. Ich schreibe den Bericht, nun ja, auf  Hochdeutsch. Nur dann und wann, wo es hingehört, schpoize ich auch schon mal.

 

Startaufstellung

 

Am Tag des Frankfurt Marathon ticken die Uhren anders. Das ist immer so. „Es ist sechs Uhr dreißig“, meint die Stimme aus dem Radiowecker mir sagen zu müssen. Vergiss es, denke ich mir, und schließ die Aachedeggel; ein geschenktes Stündchen dank der Zeitumstellung.

Die Stadt ist aufgewacht. Die S- und U-Bahnen sind überfüllt mit Leuten wie mir, die der Rennleidenschaft frönen. Grelles Neonlicht und großes Gedränge in dem Katakomben-Labyrinth unter der Messe: Dauerbeschallung und kollektiver Toilettengang. Über allem hängt ein Schleier von Gerüchen mannigfacher Duschgels und Bodylotions; jede Nationalität hat ihre eigenen Stinker. Ich stopf mein Jobbelsche für später in den Plastikbeutel. Zeit die Tüte abzugeben, gell? "Viel Spaß!“, ruft mir die freundliche Helferin noch hinterher. Die wahren Helden sitzen hier im Keller unter der Festhalle. Sie nehmen die Utensilien-Beutel entgegen. Die Helfer bekommen vom Jubel oben auf dem roten Teppich nichts mit, sie sehen später nur die glücklich, erschöpften und müden Athleten. Von den 2000 Helfern kommen 40 aus Steinberg, ein Lauftreff, den ich auch manches Mal als „Gastläufer“ besuche.

Sehen und gesehen werden

 

Schon am Ausgang des Messegeländes ist die Musik zu hören, internationale Flaggen wehen im Wind.  Trimedial erfolgt die Übertragung in die Welt: Im HR-Fernsehen, im Radio und im Internet – aber mittlerweile auch durch Läufer und Zuschauer in Eigenregie mittels twitter, snapchat, instagram und natürlich facebook. Die Moderatoren des Hessischen Fernsehens und Dieter Baumann als Experte analysieren wie immer den Rennverlauf und stehen zur Live-Übertragung bereit. Über unseren Köpfen dröhnt der Helikopter. Über 15.000 Laufwillige aus über 100 Ländern stehen bereit. Der Frankfurt Marathon gehört zu den weltweit bedeutendsten Rennen. Ausgezeichnet mit dem Label „Gold Road Race“ des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF). Aber auch die Leser von Marathon4you wählten Frankfurt zum beliebtesten City-Marathon des Jahres 2013  – vor Berlin und Hamburg; und ich platze gleich vor Stolz.

Eines der Wahrzeichen ist der „Bleistift“ in Frankfurts Skyline. Art déco, 63 Stockwerke, 256,5 Meter, das zweithöchste Gebäude der Stadt und sogar mit eigener Postleitzahl. Dort ist das rot-weiß-rote Startbanner straff gespannt. Davor steht das Führungsfahrzeug. Die Uhr auf dem Dach des weißen BMW i3 steht still. Diese wird für die Elite-Läufer des ersten Startblocks über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Zwischen den farbigen Profiläuferinnen steht die 30jähige Amateurläuferin Mona Stockhecke aus Hamburg, promovierte Klimageologin, beste DLV-Marathonläuferin bei der EM. Sie gewann in diesem Jahr den Zürich-Marathon in 2:34:04 Stunden. Hammerzeit – nur für den Sieg oder  Streckenrekord wird es in Frankfurt nicht reichen. Den wollen andere.  Sehr konzentriert und fokussiert wirkt die 29-jährige Streckenrekordhalterin Meselech Melkamu aus Äthiopien. Als Marathonneuling lief sie 2012 in Frankfurt (2:21:01). Schneller war sie in diesem Jahr noch nicht. Daneben nicht minder konzentriert, die zweimalige Berlin-Siegerin Aberu Kebede, ebenfalls aus Äthiopien sowie die Kenianerinnen Sharon Cherop und Flomena Chepchirchir. Jede ist hibbelisch – jede hätte gerne den Sieg und den Streckenrekord. Der Tag erscheint als geradezu perfekt.

Aber auch die besten deutschen Langstrecken- und Marathonläufer stehen angespannt hinter dem Banner. Selten hat im Vorfeld das Marathondebüt eines Deutschen so viel Interesse hervorgerufen wie das des 33jährigen Mediziner Arne Gabius. Sein Ziel ist ehrgeizig:  Unter 2:10 Stunden will er bleiben. So schnell ist seit Ende der 90er Jahre (!) kein deutscher Marathonläufer mehr gewesen. Er meint gar: “Verglichen mit New York sei der Kurs in Frankfurt `flat like a Pancake´“. Alle sind vorbereitet, was heute zählt ist die Tagesform. Das gilt für uns alle.

 

Gallusviertel

 

Unten an der Friedrich-Ebert-Anlage sind gegen neun Uhr dreißig die Startblöcke bereits geschdobbde voll. Ich finde kaum Platz inmitten der dicken, dünnen, großen und kleinen Starter. Die meisten hier überragen mich um anderthalb Köpfe, da braucht es auch innere Größe, sich in sein Schicksal zu fügen. Die Stimmung ist gelöst, man scherzt und ich bemerke in dem dichtgedrängten Feld eine wachsende Unruhe. Obwohl uns die riesengroße Startnummer als Marathonläufer mit gleicher Strecke ausweist, gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den hageren Läufern mit ihren Windhund-Körpern im ersten Startblock, den Läufern im zweiten Block und uns, all jenen, die länger als 3:30 Stunden unterwegs sein werden, in den dahinter aufgestellten Startblöcken. Und wenn wir auch an dem Gelage teilhaben dürfen, lässt man uns das auch spüren: Nicht schroff, nicht ungehobelt, aber wir sollen ruhig merken, dass wir in der Hierarchie mehr als eine Haaresbreite unter den schnellen Läufern siedeln.

Dabei ist der Frankfurt Marathon einer der beliebtesten unter Einsteigern und den Staffelläufern. Der Termin Ende Oktober erlaubt ein ausgedehntes Training über die Frühjahr- und Sommermonate. Das haben die Alpha-Jogger auch genutzt, viel für ihr Jahreshighlight getan, haben Trainingspläne gewälzt und sich für „ihren Tag“ diesen Lauf auserkoren. Um mich herum Träger spektakulärer Finisher-Shirts und selbst ernannte Sprücheklopfer. Dabei fällt auf, dass die läuferische Klientel der Stützstrumpfträger kleiner wird.

 Ein Läufer der Kategorie „Marathon Manager“ meinte, er persönlich möge am liebsten kühle Temperaturen, aber damit werde es wohl heute nichts, und verzieht dabei das Gesicht. Der Streckenmoderator brüllt der Meute entgegen,  müht sich, die Stimmung aufzuheizen. Es gelingt ihm kaum. Die Laune der Läufer ist eher konzentriert und passiv verhalten als positiv ausgelassen. Schließlich, so eine Erklärung, sei man hier in Frankfurt und nicht auf einem Popkonzert.

Am Rande verbeugt sich unermüdlich der 21 Meter lange Lulatsch: Der sogenannte „Hammering Man“ vor uns Sportlern. Ein erstes Rucken geht durch die Reihen, ein erstes Zeichen für mich zum Start? Markus Frank, Stadtrat der Stadt Frankfurt hat den Marathon 2014 gestartet. Rekorde wie in Berlin erwartet der Veranstalter nicht. Dabei ist Frankfurt eine schnelle Stadt – wenn auch nur a Bubbestub gegen New York. Auf der Rolltreppe heißt es rechts stehen, links gehen – entweder stehen oder schnell gehen.  Als Stadt der Muße präsentiert sich Frankfurt selten und dann auch nur an ausgesuchten Orten.

Über unseren Köpfen hört man das Schlagen der Rotorblätter des Übertragungshubschraubers. Die Spitze läuft uns schon auf der gegenüberliegenden Seite entgegen. Wie interessant muss das von oben aussehen. Wie würde sich von oben der Blick öffnen für das, was man unten unmöglich wahrnehmen kann. Wenn die bunte laufnärrische Masse zu einem Einheitsbrei verschmilzt und alle Altersschichten teils uniformiert, teils kostümiert nun durch Frankfurts Straßen ziehen. Die Masse ist in Bewegung schiebt sich durch die Friedrich-Ebert-Anlage, wo Fahrzeuge an Wochentagen lärmen, Abgase stinken, und zäh über vier Asphaltspuren fließen oder gänzlich im Stau ersticken. Es ist fast wie montagmorgens in der Rush Hour. 20 lange Minuten vergehen, ehe auch die letzten Läufer aus dem hintersten Startblock über die Startlinie Richtung Hauptbahnhof gestartet sind.

 
 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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