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Laufberichte

Frankfurt dreht auf

29.10.12

Wer von "Karriere" spricht, der verbindet damit Attribute wie Erfolg, Aufstieg, sich von anderen abheben. Betrachtet man die deutsche Marathonszene, gibt es auch dort Läufe, die Karriere gemacht haben, und andere eben nicht. Und es gibt einen, der sich geradezu als shooting star unter den Karrieristen abhebt: den Frankfurt Marathon. Erfolgreich war Frankfurt zwar auch schon vor neun Jahren, als ich hier erstmals an den Start ging. Damals schlug sich Frankfurt aber noch mit München um Platz 4 im Teilnehmerranking der deutschen Marathons. Die Plätze eins bis drei waren fest an Berlin, Hamburg und Köln vergeben. Und heute?

Schaut man sich die Top five der Republik 2012 an, so zeigt sich ein gewandeltes Bild: München rangelt immer noch um Platz 4, jetzt aber mit Köln. Beide Veranstaltungen kommen nur durch Zusatzläufe auf ansehnliche fünfstellige Teilnehmerzahlen, wobei München, wieder im Aufwind, mit 6.100 Marathon-Finishern immerhin 1000 mehr auf dem Konto verbuchen kann als die Jecken vom Rhein. Hamburg ist weiterhin irgendwie in der Imagekrise (10.300 Finisher), nur Berlin ist und bleibt unangefochtener Krösus (34.400).

Und Frankfurt? 12.438 Finisher im vergangenen Jahr, eine Leistungsdichte bei den Spitzenläufern wie sonst nirgendwo im Lande, die meisten sub 3 Std.-Läufer im Verhältnis zu den Teilnehmern – diese Fakten sprechen eine deutliche Sprache. Frankfurt hat Karriere gemacht und als Nummer 2 der Republik Hamburg abgelöst.

Und alle Vorzeichen sprechen dafür, dass es auch so bleibt: Die (schon immer) superflache und damit superschnelle Strecke, ein mitreißendes Publikum, eine perfekte Organisation, ein die "Zeichen der Zeit" erkennendes Management unter Jo Schindler, und nicht zuletzt mit BMW ein potenter, imageträchtiger Hauptsponsor, der manches Zusätzliche ermöglicht, haben dafür gesorgt, dass Frankfurt mehr als nur ein Marathon unter vielen, sondern als "Event" wahrgenommen wird. Und in unserer Event-Kultur gilt eben: dabei sein ist alles. Und dabei sein wollen in diesem Jahr wieder mindestens 16.000 - denn da schlug 2012 das Limit zu.   

Und nicht zu vergessen: (Fast) keine andere deutsche Stadt kann sich einer solch langen Marathontradition rühmen wie die Bankenmetropole am Main. Seit 1981 werden die 42,2 km hier unter die Füße genommen, heuer zum 31. Mal.

 

Messe auf der Messe

 

Der Frankfurt Marathon ist ein Marathon der kurzen Wege. Was sehr angenehm ist, wenn man ohnehin so viel laufen muss. Alles spielt sich auf und um das Messegelände am Rande der Innenstadt ab. In der "Marathon Mall" in Halle 1 Ebene 2 des Messegeländes bekommen wir ruck zuck die Startunterlagen: Startnummer, Programmheft, Kleiderbeutel, diverse Werbegimmicks. Originell: Die bunten "eggs for energy" - wohl schon ein Gruß vom Osterhasen. Die Messe selbst bietet aufgrund der Anbietervielfalt eine gute Gelegenheit, auf „Schnäppchen“-Jagd zu gehen. Und bei Schneegestöber und eisigem Wind draußen ist es hier gleich noch ein wenig gemütlicher.

Ist der Jagdhunger gestillt, kann man dem realen Hunger in der nebenan gelegenen Festhalle, einem altehrwürdigen, über 100 Jahre alten und 40 m hohen Kuppelbau, abhelfen und sich am Samstagnachmittag auf der obligaten Nudelparty mit  Pasta und diversen Freigetränken aufpäppeln lassen. Dass der Besuch dieser Party ein Muss ist, ist allerdings weniger kulinarisch begründet, als mehr durch das Spektakel, das man dort erleben darf: Künstlicher Nebel, zahllose, rotierende Strahler, von geheimnisvollem Lila über sphärisches Blau zu gleißendem Weiß changierend, zaubern in der riesigen luftigen Halle eine geradezu unglaubliche Optik. Die Lightshow ist ein beeindruckender Vorgeschmack auf das, was uns morgen beim Zieleinlauf erwartet. Dennoch ist schwer vorstellbar, wie es sich anfühlt, wenn die Halle zudem prall mit erwartungsfrohen Menschen gefüllt ist - immerhin 7.000 Sitz- und Stehplätze stehen bereit. Die   Vorfreue steigt ....   

 

Der Hammering Man lauert schon am Start

 

Stolze 23 Meter ist sie hoch, die symbolträchtige Skulptur des "Hammering Man" von Jonathan Borofsky direkt am Startpunkt. Die Symbolik für den Marathonläufer ist allerdings nur eine zufällige - eigentlich hatte der Künstler den klassischen Arbeiter im Sinn. Dem Läufer ist es einerlei: Heute avanciert sie zur marathonischen Kultfigur, auch wenn sich die im Moment noch niemand von ihr mental verfolgt fühlt. Ein wenig unter geht die Dimension im Angesicht des wie ein gigantischer Leuchtturm das Messegelände überragenden Messeturms. 265,5 m hoch, mit viel rosa Granit, Glas und Art Deco-Elementen hat ihn Stararchirekt Helmut Jahn gestaltet. "Postmoderner Campanile" nennen ihn Kulturbeflissene, Millionengrab diejenigen, die in ihn investiert haben.

Im Schatten dieses Riesen nehmen sich die Tausende von Läufern, die sich am Sonntagmorgen auf der Friedrich Ebert-Anlage vor der Messe sammeln, wie ein riesiger wuselnder Ameisenhaufen aus. Ein höchst beeindruckender Haufen allerdings, den ich aus meiner 1,88 m-Persepktive vor und hinter mir überblicken darf. Und wuselig sind die Leute heute besonders: Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt trotz blauem Himmel und Sonnenschein ist das allerdings kein Wunder.

Um den Start zu entzerren, sind die Starter auf sechs Blocks verteilt und werden in drei Wellen zwischen 10 und 10:20 Uhr losgelassen. Musik erfüllt die Luft, ein Hubschrauber knattert über uns, Livebilder dieses imposanten Läuferbandwurms unmittelbar ins Hessische Fernsehen übertragend. Die Topläufer werden vorgestellt, eine ganze Armada, aber vor allem ein Star: Patrick Makau, offizieller Weltrekordhalter mit 2:03:38 Std, erzielt 2011 in Berlin. Auch dies ist bezeichnend für den Stellenwert Frankfurts: New York hätte ihm mehr Geld für einen Start geboten, aber Makau zog Frankfurt vor. Vielleicht aber auch deshalb, weil er sich nur so ein echtes Fernduell mit Geoffrey Mutai, dem zweiten Superstar der Szene, liefern kann. 2011 hatte der in Boston einen fabelhaften, aber "inoffiziellen" Weltrekord von 2:03.02 aufgestellt und in Berlin vier Wochen zuvor 2:04:15 vorgelegt. Und vielleicht noch mehr deshalb, um dem kenianischen Leichtathlektikverband zu zeigen, dass es eine Fehlentscheidung war, ihn nicht für Olympia 2012 in London zu nominieren. Dort ist bekanntlich der Ugander Stephen Kiprotich den Kenianern davongelaufen, mit 2:08:01 aber deutlich unter der WR-Zeit Makaus geblieben. 

Nur noch Sekunden sind es bis zum Start, die Arme der Läufer recken sich zum Himmel, Hunderten blauer Luftballons wird die Freiheit geschenkt. So schnell wie möglich suchen sie das Weite. Dann der Knall - und wie üblich passiert erst einmal gar nichts. Ein paar Minuten dauert es, bis auch ich die fiepende Startlinie erreiche. Dann - wie von Geisterhand - lichtet sich der Pulk und wir preschen los. 

 
 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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