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Laufberichte

Alles richtig gemacht

31.10.10
Autor: Klaus Duwe

Der nördlichste Punkt der Strecke ist erreicht und es geht  auf der Eschenheimer Landstraße abwärts,   bis wir wieder beim gleichnamigen Turm sind. Jetzt geht es in Richtung Main. Bevor wir die Alte Brücke erreichen, wird uns noch einmal von vielen Zuschauern und einer Samba Gruppe mächtig eingeheizt. Die Alte Brücke (km 13) über den Main gibt es seit mindestens 1222. Achtzehn Mal wurde sie im Laufe der Jahrhunderte zerstört, aber immer wieder aufgebaut. Von hier hat man einen sagenhaften Blick auf die Skyline mit dem alles überragenden 259 Meter hohen Commerzbank-Tower. Rechts davon sieht man den Kaiserdom St. Bartholomäus, der Wahl- und Krönungskirche der Römisch-Deutschen Kaiser war. Auch die grüne Kuppel der Paulskirche ist zu erkennen. 1848 bis 1849 tagten dort die Delegierten der Frankfurter Nationalversammlung, der ersten frei gewählten Volksvertretung Deutschlands.

Und unser Joe steht hier. Ich weiß, wie er sich fühlt. Laufen wollen und nicht können ist schlimm. Und wenn man keine Geduld hat, noch schlimmer. Joe weiß gar nicht, wie man Geduld schreibt. Er macht ein paar Fotos und lächelt gequält. Dabei ist ihm zum Heulen.

Wir laufen dem Mainufer entlang und sehen noch den Eisernen Steg und die Untermainbrücke, dann sind wir auf der Kennedyallee und Richtung Niederrad unterwegs.  Ein verdammt vornehmes Viertel  ist das hier. Im 5-Sterne-Hotel Villa Kennedy kostet eine Übernachtung so viel wie ein Wochenende auf Mallorca mit allem Drum und Dran. Aber schön ist es hier. Die Sonne scheint und der Herbst zeigt sich in den schönsten Farben. 

Links liegen Rennbahn und Golfplatz, vor uns der Frauenhof (km 16,5), durch dessen Tor wir nach Niederrad kommen. Der Frauenhof ist ein ehemaliges Fabrikgebäude und die einzige vollständig erhaltene Barockanlage in Frankfurt. Zu dem Namen kommt das Gebäude, weil es einmal im Besitz des Katharinen- und Weißfrauenstifts war. Trotz seiner 22.000 Einwohner hat Niederrad einen fast dörflichen Charakter.  Aber mit dem Feiern halten sie es wie die  Großstädter.

Fährt man auf der A 5 an Frankfurt vorbei, sieht man zu den Hochhäusern der Niederrader Bürostadt und denkt: Oh, je. Jetzt bin ich zu Fuß dort unterwegs und denke: Hey, schön ist es hier. Es gibt nicht nur Bürotürme und –Center wie z. B. den Astro Park, sondern auch Grünflächen mit einer typisch Deutschen Erfindung: Schrebergärten. Meist sind es Senioren, die hier draußen ihre Freizeit verbringen. Heute ist Marathon, da ist es für sie doppelt schön. Da darf das Radio auch mal lauter gedreht werden. Gegrillt wird nicht auf dem Rasen vor dem Häuschen, sondern an der Straße. Wer will, kriegt was ab.

In Goldstein sind wir ganz nah am Wasser, nur eine Grünanlage mit wunderschön gefärbten Sträuchern trennt uns vom Mainufer. Für Stimmung sorgen die örtlichen Vereine, die offensichtlich kein Problem haben, an diesem Goldenen Oktobertag ihre Mitglieder zu mobilisieren.  Hier wird auch die Halbdistanz erreicht. Fragt nicht nach der Zeit, schaut Euch die Bilder an. „Hoffen und beten“,  so die Empfehlung der Martinusgemeinde. Wie immer ist ein Straßenfest organisiert.

Nach den zünftigen Weisen der Blau-Goldenen Schwanheimer  dringt rockiges an mein Ohr. „Living in the Past“, Jethro Tull, 1969! Live und Open Air. Ich bin zu Hause. Einbeinig in Original Ian-Andersen-Pose gibt Heinz Berg mit seiner Querflöte alles. Der Mann ist der Hammer. Er hat sogar schon einmal den Rock-Oscar für Querflöte gewonnen. Sch … ade, ich muss weiter.

Über die Schwanheimer Brücke geht es auf die andere Mainseite nach Höchst (km 26), wo der Frankfurt Marathon seinen Ursprung hat. 1981 gab es den ersten Hoechst-Marathon, Start war vor den Farbwerken, 3169 Läuferinnen und Läufer hatten sich angemeldet, gelaufen wurde erstmalig in Deutschland nicht im Grünen, sondern in der Stadt.  Ja, dann ist das ja ein Jubiläumsrennen heute. Nein, ist es nicht. 1986 fiel der Marathon aus, es war kein Geld da. Deshalb findet erst nächstes Jahr der 30. Frankfurt Marathon statt, am 30. Oktober. Geld ist da, BMW ist neuer Sponsor. Gleich vormerken.

Die Hoechst AG, einst eines der drei größten Chemie- und Pharmaunternehmen Deutschlands, gibt es inzwischen nicht mehr. Nach Umstrukturierungen, Überführungen und letztendlicher Fusion mit Sanofi verschwand der traditionsreiche Name 2004 aus der Öffentlichkeit.   1925 waren die Farbwerke Hoechst Gründungsmitglied der IG Farbenindustrie, die nach dem Krieg zerschlagen wurde. Vom Verwaltungsgebäude der IG Farben war ja an anderer Stelle bereits die Rede.

Schön, dass man aufgrund der Geschichte des Frankfurter Marathons die Strecke nach Höchst beibehält. Die Bewohner danken es. Obwohl ich noch nie so weit hinten im Feld war, habe ich hier noch nie so eine Stimmung erlebt. Trommler, Bläser und tausendfachen Applaus. Das gleiche gilt für Nied (km 28), den Nachbarort.  Wäre mir langweilig, wäre ich schon weiter. Aber das schlimmste soll ja erst kommen: Die Mainzer Landstraße. Aber, aber. Als geübter Marathoni weiß man doch, dass ein Marathon auch eine mentale Disziplin ist. Wer also auf dem ungefähr 4 km langen schnurgeraden Teilstück Probleme hat, macht was falsch. Ich lasse mich auf Gespräche ein, zeige auf die bunten Sträucher, mache Fotos, danke meiner lieben Lauffreundin Martina, die mir an der Verpflegungsstelle das Wasser reicht und wundere mich, dass ich schon bald den Pumuckl vor seiner Stammkneipe sehe, weil ich jetzt  weiß, dass die Durststrecke  schon hinter mir liegt. 

Die Frankenallee ist schon sehr belebt und der Blick auf den Messeturm und die umliegenden Hochhäuser phantastisch. So richtig los geht es aber ab dem Platz der Republik, von wo aus wir wieder ins Bankenviertel laufen, in die Innenstadt, zum Opernplatz, Hauptwache, Eschenheimer Turm, usw. Es geht um sieben Ecken, aber man wird getragen. Die Stimmung und die Zuschauer sind der Wahnsinn.

Bloco X machen gerade Pause. Das kann nicht sein. „Auf geht’s, Zugabe!“ rufe ich. „OK, extra für Dich!“ Und weiter geht’s, die Gäste im Frankfurter Hof haben heute keine Ruhe. Die Innenstadt ist ein einziges Straßen- und Trommlerfest. Und das nach mittlerweile über 4 ½ Stunden. Waaas, so lange bin ich schon unterwegs? Ich kriege einfach nicht genug. Der Artur Schmid sieht es mir an und verkündet den Leuten: „Den kenn ich, das ist der Klaus von marathon4you, er hat heute mal wieder richtig Spaß.“

Jetzt aber doch die Mainzer Landstraße runter, dann rechts in Richtung Messeturm. Der Hammering Man – der kann mich mal. Wer so läuft wie ich, kriegt mit dem nichts zu tun. „Ab in die gudd Stubb“, ruft der Sprecher. Nichts lieber als das.

Viele Zuschauer schon vor der Halle, dann Dunkelheit, der rote Teppich, Nebelschwaden, bunte Lichtblitze und ein Lärm, als sei der Sieger im Anflug.

Danke für diesen Empfang, danke für diesen Lauf, danke für diesen Tag. Wer heute dabei ist, erlebt eine Sternstunde. Ein paar Fotos noch. Über 500 sind es geworden, 100 pro Stunde, Rekord und alles richtig gemacht.

 

Sieger

Männer

1 Kipsang, Wilson (KEN)     02:04:57
2 Tola, Tadese (ETH)     02:06:31 
3 Chelimo, Elias (KEN)     02:07:04

31 Cierpinski, Falk (GER) SG Spergau   02:20:43

Frauen

1 Kilel, Caroline (KEN)     02:23:25  
2 Tune, Dire (ETH)    02:23:44 
3 Kiprop, Agnes (KEN)     02:24:07 

12 Optekamp, Silke (GER) PSV Grün-Weiß Kassel   02:39:56

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Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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