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Laufberichte

Ultraläufer sind auch nur Gänse

 
Autor: Joe Kelbel

Über die Hauptstraße kommend, wo die Läufer gerade versuchen einzuparken, begann der Gänsehirte von Dudenhofen seine Schützlinge einzusammeln. Wenn er allmorgendlich mit seiner Trillerpfeife an den Höfen vorbeizog, watschelten die Gänse freudig hinter ihm her. Ziel war der Gänseteich, die Gänsbrüh, dort sollten sich die Gänse austoben und glücklich sein.

Die Gänse wurden alle sieben Wochen gerupft, die Federn waren in Dudenhofen sehr begehrt, denn ein Dudenhofener Vater wäre seine Tochter nie ohne Bettzeug als Mitgift losgeworden, die Winter waren schon immer kalt. Natürlich war auch das Fleisch begehrt, also, das der Gänse. Aber deswegen müssen wir uns nicht fühlen, als würde uns der RLT Rodgau wie eine Gans ausnehmen, nur weil das Startgeld auf 27 Euro erhöht wurde. Das Einsammeln des Startgelds von über 800 Läufern unmittelbar vor der Veranstaltung wurde zu aufwändig, also wickelt dieses Jahr die Firma raceresult die Zahlung ab, und das kostet auch. Raceresult wurde vom 16jährigen Sönke Petersen in Karlsruhe gegründet. 1999, damals noch unter dem Namen „Laufverwaltung“, bot er Software-Lösungen für Sportveranstaltungen an. Nun ist die Firma eine Aktiengesellschaft, Anteilseigner sind die Angestellten. Die Angestellten, die nun an der Gänsbrüh die Geräte für die Zeitmessung aufstellen, werden  sicherlich bald Millionäre sein.

Millionär ist auch bestimmt die Stadtwerke Holding, die die Anteile der Verkehrsbetriebe Frankfurt hält. Dennoch sind die Fahrkartenautomaten veralteter als ich. Weil ich nicht mehr den GLS-Boten erwische, bevor er die Benachrichtigung in den Briefkasten geworfen hat, blockiere ich die Tür der S-Bahn mit der Tasche, in der die Eigenverpflegung drin ist, warte auf mein Wechselgeld,  höre gerade noch „ Döt-Döt, bitte zurückbleiben“, da fährt meine Eigenverpflegung alleine nach Dudenhofen. Die Dudenhofener wird es freuen, sie waren schon immer arme Schlucker. Die Partys mit Selbstgebranntem arteten regelmäßig aus, weswegen  das großherzogliche Ministerium 1892 die nur für Dudenhofen gültige Anweisung erließ, dass zumindest „eine großjährige Person“  bei solchen Partys anwesend sein sollte. Ich muss es also unbedingt schaffen, sonst darf nicht gestartet werden.

 

 

Bei der Startnummernausgabe bekomme ich die Nummer von Martin, das bemerke ich aber erst, als ich auf dem Weg zur Gänsbrüh bin.  Also zurück, Nummern tauschen. So bin ich schon warmgelaufen, als ich die B45 überquere, es ist die alte Reichsstraße zwischen der Messe Frankfurt und der Messe Leipzig. Sie wurde im Mittelalter bis nach Moskau weitergebaut. Reichstraßen standen unter besonderem Friedensschutz, den der König garantierte, durch dessen Land die Straße führte.

Friedensschutz besteht auch für die Eigenverpflegung, die auf Tischen aufgebaut wird. Eigentlich bietet die reguläre Verpflegungsstelle alles, was der Läufer braucht. Ich habe trotzdem noch am Bahnhof Ersatz-Eigenverpflegung erstanden, deponiere diese strategisch günstig am Ende der Tische. Dann geht’s durch das kleine Wäldchen zum Start.

 

 

Die Gämsbrüh sieht zugefroren aus.  Doch seit Wochen hat es keinen Niederschlag gegeben, was aussieht wie Eis,  ist  gefrorener Schmodder. Wir haben  minus 6 Grad und einen grandiosen Sonnenlauf vor uns.  812 Starter fetzen los, es ist so trocken, dass eine mächtige Staubwolke über dem Läuferfeld hängt. 10 Meter hinter dem Start stehen Dixiklos, bei zwei Läuferinnen setzt augenblicklich der Pawlow´sche Effekt ein.

Bei km 2,5 ist ein Begegnungsstück.  Hier wird es auf der ersten Runde eng. Die Sonnenstrahlen lassen den von uns aufgewirbelten Staub hell über uns leuchten, trotzdem gelingen mir beste Fotos. Ich glaube, ich habe alle 812 Läufer abgelichtet, und das im Höchsttempo.

Auf der Opel- Teststrecke, an der wir bei km 4 entlanglaufen, wird auch Höchsttempo aufgelegt. Jetzt gibt es eine „Schleuderplatte“,  ne Art Powerplate, wie im Fitessstudio, aber hier werden Tests fürs autonome Fahren absolviert. Es fing mit 150 Mitarbeitern an, nun sind es  400, für weitere 300 Mitarbeiter werden Büros und Werkstätten errichtet.  Die Teststrecken werden enorm ausgebaut, weswegen nun ein grüner Sichtschutz an den Zaun angebracht wurde.

 

 

Eigentlich war das Test-und Prüfzentrum nicht hier vorgesehen,  eigentlich hatte sich Opel-Eigner General Motors (die Brüder Opel verkauften in der Weltwirtschaftskrise 1929 ihre Anteile) für das Dudenhofen in der Pfalz entschieden. Das ist die Gegend, aus der unsere heutige Moderatorin Gabi  herkommt.  Aber der zuständige Mitarbeiter hatte die Planungsarbeiten zum falschen Dudenhofen, diesem hier geschickt und ehe das die Amis merkten, war die Planung schon so weit fortgeschritten., dass man es dabei  beließ.

Meine Planung für heute: Schnell aufdrehen, alles geben, dann zulegen und schnell ins Ziel laufen. Die erste Zwischenzeit nach 5 Kilometern: 29 Minuten. Also werde ich heute keine Bestzeit laufen und habe jetzt auch Zeit, meine Kleidung  zu optimieren. Nach der zweiten Runde steht 1:02 auf der Zeituhr.  Also kann ich mal gleich  meiner Eigenverpflegung den Friedensschutz aufkündigen, was Fragen provoziert, denn ich sei ja noch keine 100 Kilometer gelaufen.  

 

 

In der dritten Runde überholt mich das Spitzenfeld, also kann ich meinen Laufstil an deren Laufstil anpassen, obwohl die wohl eher meinen Laufstil  kopieren. In der vierten Runde,  stelle ich fest, dass alle Läufer in meinem Alter älter aussehen als ich. In der fünften Runde fehlen einige Läufer, 286 steigen zwischen 35 und 30 Kilometer aus. Zwischen der sechsten und achten Runde verzähle ich mich iregendwie und reiße nach der neunten die Arme hoch. Da wünscht mit Frau Werwolf noch eine schöne letzte Runde.  

 

 

Ich bin zehn wunderschöne Runden gelaufen, perfekt wie all die Jahre. Und so heißt es für mich wieder am 27.01.2018:

Hei, wie ist das Leben schön,
wenn die Gänse laufen gehn,
selbst im kalten Winter,
gi, ga, gack!

 

Einen weiteren Laufbericht mit
vielen  Bildern findet ihr hier

 

Ergebnisse:

 

Männer

1 Merrbach, Frank LG Nord Berlin 3:08:32
2 Wiessner, Enrico LG Nord Berlin Ultrateam 3:11:10
3 Eggenschwiler, Bernhard www.mega-joule.ch 3:12:29

Frauen

1 Schmitt, Sabine *Udenheim 3:49:06
2 Staubach, Astrid SV Herbstein 3:54:53

3 Bischoff, Natascha LSG Karlsruhe 4:00:00


526 Finisher

 

 

Informationen: Ultramarathon Rodgau
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