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Laufberichte

Laufpremiere im New York Arabiens

 

Als Mitglied des Country Marathon Club – für die Aufnahme muss man 30 absolvierte Marathons in ebenso vielen verschiedenen Ländern nachweisen – ist es mein Ziel, von Zeit zu Zeit das Kontingent zu erweitern – Dubai wird mein 50. Land nach der Zählweise der von John Wallace geführten, überaus reisefreudigen Läufergemeinschaft.

Unsere schon seit Jahren in die Lufthansa einverleibte, einst heimische Fluglinie AUA, hat diese Destination aus ihrem Programm gestrichen, dafür bietet Emirates zwei tägliche Verbindungen nach Dubai an. Um sehr günstige 484,- Euro buche ich ein Hin- und Rückflug-Ticket in der Economy-Klasse, Komfort, Service und Fluggefühl bei der Anreise im A380-Airbus sind im Vergleich zu anderen Airlines kaum zu überbieten.

Wegen der Zeitdifferenz von drei Stunden ist es bei der Ankunft schon fast Mitternacht – die zwei hinter mir sitzenden jungen Tschechen haben auf dem fünftstündigen Flug ununterbrochen harte Getränke bestellt, sodass sie lallend und mit Alkoholfahne nur mit Hilfe zweier Stewards aus ihren Sitzen hochkommen.

Die Kontrolle bei der Einreise verzögert sich wegen der Tausenden Passagiere, die täglich am Terminal 3, das Drehkreuz in alle Welt ist, ankommen. Der eigentlich im Stadtgebiet befindliche Dubai International Airport liegt mit ca. 80 Mio. beförderten Passagieren inzwischen auf dem dritten Platz im weltweiten Ranking, damit vor Chicago und Frankfurt. Die an den Flughafen angebundene, überirdisch auf Betonstelzen ohne Fahrer, also vollautomatisch, geführte rote Linie würde ca. 45 Minuten bis Al-Barsha benötigen, wo ich mein Hotel für vier Nächte gebucht habe. Doch sie verkehrt nur bis 23 Uhr Ortszeit. Mit einem Schweizer Geschäftsmann im sportlichen Outfit, den ich anspreche, nehme ich ein Taxi – wir teilen die Spesen.

 

 

Das verkehrstechnisch zentral gelegene, 200 m von der Station Sharaf DG und ca. 800 m von der Mall of the Emirates gelegene Hotel Rose Garden mit Pool am Dach bietet eine Küche in allen Zimmern. Ich bekomme als kostenloses Upgrade eine Suite, die für eine Großfamilie mit fünf Kindern Platz bieten würde. Wegen der frühen Startzeit des Marathons um 07:00 Uhr ist es zweckmäßig, diesmal wieder sein Frühstück selbst zubereiten zu können  – ein Umstand, mit dem ich seit Jahren vertraut bin, weil auch in unseren Breiten viele Hotels an Sonn- und Feiertagen kaum vor 08:00 Uhr ihren Morgenservice anbieten.

Registriert habe ich mich für den 19. Dubai-Marathon bereits vor Weihnachten. Mit 135 US$-Startgeld rangiert dieser Lauf im „Hochpreissegment“ – wenn ich daran denke, wie gerne vieler meiner slowakischen und tschechischen Laufkollegen bei Marathons in den „teuren“ EU-Ländern dabei sein würden, sich aber das Startgeld nicht leisten können. Dabei wäre den Läufern in den ehemaligen Ostblockstaaten von Herzen eine Teilnahme bei einem „Weltmarathon“ zu gönnen.

Dubai wird von Reisenden „als modernes Märchen aus 1001 Nacht“ und „als New York Arabiens“ bezeichnet, mit Luxusläden in den Einkaufstempeln, einer ultramodernen Wolkenkratzer-Architektur und einem regen Nachtleben. Wer die Stadt und das Umland inklusive das benachbarte Abu Dhabi ein wenig kennt – bisher war ich schon zweimal mit Kreuzfahrtschiffen hier und habe Exkursionen unternommen – wird beipflichten, dass die großen Distanzen zwischen den Touristenattraktionen mit dem Taxi rasch zu bewältigen sind. Aber auch mit der Metro kommt man  relativ preiswert und überschaubar voran. Zum Jumeirah Beach-Hotel, wo dieses Jahr die Startnummern ausgegeben werden und am Freitag, der in der arabischen Welt der Sonntag ist, der Marathon vorbeiführen wird, besteht allerdings keine derartige Verbindung. Das öffentliche Autobus-System müsste man erst verkehrstechnisch durchschauen, daher bin ich mit den 15 Dirham (etwa 4 Euro) für die ca. 4 km lange Taxifahrt preislich gut bedient.

Den ganzen Vormittag habe ich mich in der von meinem Hotel ca. 10 Gehminuten entfernten 2005 eröffneten exklusiven Mall of the Emirates umgesehen, wo ein empfehlenswerter und riesiger Supermarkt, von der französischen Kette Carrefour betrieben, im Erdgeschoß untergebracht ist und wo vor allem die in Dubai in qualifizierteren Berufen Tätigen en gros einkaufen. Aber im Al-Barsha-Viertel mit zahlreichen Hotels – das Kempinski hat erst neulich eröffnet – gibt es auch kleine Restaurants, die von Zugereisten, zumeist Pakistani, Inder, Koreaner u.a. geführt werden und preiswert sind.

Bei der Startnummernausgabe in einem Nebentrakt des vornehmen Jumeirah Beach-Hotels ist zwei Tage vor dem Lauf sehr wenig los. Man kann davon ausgehen, dass viele (wegen der hohen Kosten für die Hotels in Dubai) eher zeitnah anreisen und daher erst am Donnerstag das größte Aufkommen zu erwarten sein wird.

Das im Startgeld enthaltende, hochwertige Adidas Funktionsshirt passt perfekt – ich werde aber beim Marathon stolz das M4Y-Shirt tragen. In dem den Unterlagen beigefügten Hochglanzinformationsprospekt wird ausgeführt, dass man seine Kleidung in der eigens dafür vorgesehene PVC-Tüte abgeben soll. Julian Wynter, Chief Executive Officer der in den VAE ansässigen Standard Chartered Bank, die den Dubai Marathon seit 14 Jahren sponsert, verweist in seinem Vorwort auf die 2018 anfallende 100-jährige Wiederkehr des Geburtstages der Gründungsvaters der VAE, Sheikh Zayed Bin Sukltan Al Nahyna und den 60-jährigen Bestand seiner Bank hierorts, die auch andere Marathons in Asien unterstützt.   

Noch vor Einbruch der Dunkelheit spaziere ich zum 321 m hohen Burj Al Arab, dem „Turm der Araber“, mit der markanten segelförmigen Kubatur, das eines der luxuriösesten und teuersten Hotels der Welt ist und wo wir 2014 im Rahmen einer Tour um je 200 US$ ein Dinner serviert bekamen. Ohne Anmeldung kommt man in den Burj Al Arab nicht hinein, Sicherheitspersonal in großer Zahl bewacht auch die Zufahrten zu den großen Hotels hier am Strand – die Frage „How can I help you, Sir?“  hat nur rhetorische Bedeutung, wenn man dort nicht einquartiert ist.

Einige Hundert Meter weiter schließt sich das Hotel Madinaat Jumeirah an, ein 2004 eröffnetes Hotel-, Freizeit- und Geschäftszentrum, das zu Dubais meistbesuchten Zielen für Touristen und Geschäftsreisende gehört. Der Marathon wird am Freitag an diesen touristischen Highlights vorbeiführen.

Die regen Bautätigkeiten im Emirat Dubai werden von Heerscharen schlecht bezahlter Gastarbeiter vielfach aus Dritte-Welt-Ländern durchgeführt mit Tagesentlohnungen auch unter 40 Dirham (10 Euro), wie mir zwei betroffene Philippiner erzählen. Aber auch in den gehobenen Dienstleistungsberufen arbeiten keine Einheimischen, sondern von Firmen entsandte Mitarbeiter – fast jede größere Firma, jeder renommierte Konzern, ist heutzutage in Dubai geschäftsmäßig präsent.  85 % der ca. 2,5 Mio. Einwohner in Dubai sind daher Ausländer.  

In der Dämmerung gelingen mir ein paar stimmungsvolle Aufnahmen der großen Hotelkomplexe. Ich beschließe, dass ich nach dem Marathon am Freitag hier am Jumeirah Beach ausspannen werde. Mit dem Taxi geht es zurück zur Mall of the Emirates.

Donnerstag ist für mich wieder Sightseeing angesagt. Für 9 Uhr vormittags habe eine Auffahrt mit dem Hochgeschwindigkeitsaufzug im Burj Khalifa, dem mit 828 m bislang höchsten Gebäude der Welt für 30 Euro gebucht – zwar war ich 2014 schon oben, aber die Aussicht vom 124. und 125. Stock ist grandios. Eine deutsche Reisegruppe mit lauter Mittsiebzigern von einem Kreuzfahrtschiff ist mit mir in 55 Sekunden hochgefahren. Einige wirken in ihrer Wüsten-Safari-Kleidung etwas deplatziert. Statt des obligaten Selfies frage ich auf Deutsch einen Herrn, ob er so nett wäre, ein Foto von mir in luftiger Höhe zu machen. „Sind Sie auch von der Aida gekommen?“ Ich verneine wahrheitsgemäß und bedanke mich.

Eine Attraktion vor dem Burj Khalifa ist der Dubai Fountain, der immer am frühen Abend mit einer  Wasser- Licht- und Klangshow die Touristen begeistert. Um die daran angeschlossene, 350.000 Quadratmeter umfassende mehrstöckige Dubai Mall zu erschließen, reicht ein Tag nicht aus – Einkaufsparadies,  Erlebniswelt und Gourmetfeeling verschmelzen miteinander. Aber man kauft im Vergleich zu Europa oder den USA in Dubai eigentlich nicht günstiger ein – besonders Sportartikel sind sogar teurer.

Es gibt zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten in Dubai, eine Woche Aufenthalt sollte man für Dubai einplanen.

 

 

 

Marathontag

 

Ich stelle den Wecker auf 4:50 Uhr, die innere Uhr ist immer noch auf die mitteleuropäische Zeit eingestellt. In Wien ist es erst 2 Uhr nachts und ich läge im Tiefschlaf, wäre ich daheim. Ich habe gestern im Carrefour alles besorgt, was ich für ein gediegenes Frühstück benötige – auf die zwei 3-Minuten-Eier freue ich mich besonders. Als ich mein Hotel verlasse, treffe ich beim Kempinski-Hotel noch vor dem Übergang über die Schnellstraße rein zufällig Jorma Kurritu, einem Finnen, der ebenfalls dem Country Club angehört und vor zwei Wochen sein Länderguthaben beim Marathon in Doha auf 54 erhöht hat. Ich habe die Anmeldefrist für den Muskatmarathon verpasst, sonst hätte ich eine Woche vor Dubai im Oman ebenfalls punkten können.

Es ist noch stockdunkel, eine weitere finnische Kleingruppe gesellt sich zu uns. Mehr und mehr Teilnehmer des heutigen 19. Dubai-Marathons, der unter der Schirmherrschaft Seiner Hochheit Sheikh Hamdan Bin Mohammed steht, benutzen nun diesen Zugang – jene, die in Dubai leben und arbeiten, werden aber mit dem Privatauto irgendwo an der Al Wasl Road parken. Der Fußweg in der Gruppe beim Tratschen kommt mir nun kurz vor und führt vorbei am weitläufigen Areal der Dubai Police Academy und am Polizeimuseum. Nach kaum 20 Minuten erreichen wir schon das Startareal an der für den Verkehr gesperrten Umm Suqeim Road.

Wegen der Dunkelheit wird meine kleine Sony kaum brauchbare Fotos liefern, aber sobald der Tag anbrechen und im Osten die Sonne aufgehen wird, sollten die Voraussetzungen bei trockenem Wetter bei angenehmen Temperaturen um 15 Grad C eigentlich bestens sein.

Ich gebe meinen Kleiderbeutel mit Badetuch und -hose für den Strandbesuch nach dem Lauf bei der nach Startnummern geordneten Annahmestelle ab. Der Zutritt in den für Nichtläufer gesperrten Startbereich erfolgt nach einem Sicherheitscheck – allerdings nicht so penibel wie am Flughafen, sondern die erkennbare Startnummer macht den Weg frei.

Ich bleibe kurz vor der Tribüne stehen, auf der sich eine größere, singende äthiopische Fangruppe befindet, die mit ihrer Nationalfahne die Anwartschaft der eigenen Spitzenläufer im Elitefeld auf einen weiteren Sieg unterstreichen.

Bereits um 6 Uhr ist der Start der Elitegruppe erfolgt, in der sich laut Teilnehmerliste fast nur Äthiopier beiderlei Geschlechts befinden. Ein Motiv dürften die hohen Prämien sein – 200.000 US$ für den Sieg bei den Damen und Herren, der /die Zweitplatzierte erhält 50.000 US$, 40.000 US$ sind für den 3. Rang reserviert, selbst am 10. Platz werden noch 10.000 US$ vom Dubai Sports Council.

Das 10 km Road-Race wird um 9 Uhr gestartet werden, der 4 km Fun-Run um 11 Uhr, beide Läufe werden die Marathonis weder örtlich noch zeitlich irgendwie beeinträchtigen.

Ich bin heute auf eine etwas schnellere Finisherzeit als bei meinen bisherigen drei Marathons diesen Januar eingestellt. Aber ob der Optimismus berechtigt ist, wird sich weisen.

Ich stelle mich weiter vorne in die Startreihe und bin umgeben von flotten Läufern, die gleich zu Beginn mit 5:30 min/km loslegen. Das etwas lädierte Knie spüre ich noch nicht, daher werde ich nun auf der flachen Strecke mithalten. Längst ist die Dunkelheit gewichen, der morgendliche Dunst trübt die Fernsicht. Wir laufen auf der Al Sufouh Road, ich blicke auf die GPS-Uhr: 2 km unter 11 min bin ich bei einem Marathon schon lange nicht mehr gelaufen. Einstweilen bleibe ich konstant unter 6 min/km, die 5 km will ich unter 30 min schaffen.

 

 

Die Skyline bietet ein imposantes Stimmungsbild, es erinnert mich an den New York City Marathon, auch in Chicago und Washington sind beim Marathon solche Fotomotive nichts Außergewöhnliches. Weit über 2000 Läuferinnen und Läufer sind heute hier und jetzt auf der Marathonstrecke, über 30.000 sind es insgesamt. Ich kann Polen, Schweden, Finnen, Italiener und viele Deutsche an ihren Shirts erkennen. Bereits nach 6 km sieht man auf der gegenüberliegenden Straßenseite nahe der Media City die ersten Läufer auf dem Rückweg. Bei diesen Gegebenheiten werden bestimmt viele Bestzeiten gelaufen. Wenn aber unter wolkenfreien Himmel ab 11 Uhr die Außentemperatur 25 Grad C beträgt, muss man als ein für einige Tage dem Winter entflohener Mitteleuropäer Tribut zollen – auf Kosten der Laufzeit.

Aber daran denke ich derzeit überhaupt nicht, eher daran, dass mich immer wieder welche überholen und dass eigentlich zu viele nach der nun erreichten Wende bei der Westin Dubai Mina Seyahi Verkehrsampel vor mir liegen.  Dass die Welt für Marathontouristen klein ist, beweist ein Kollege, der nun schon das x-te Mal sein 2015 erhaltenes Shirt vom Authentic Marathon in Athen trägt. Ich habe ihn im Oktober auch in Sofia gesehen, davor in Istanbul.

Irgendwo am unteren Rückweg befindet sich zu unseren Linken die weltberühmte Palmeninsel, die wir ja auch schon auf dem Hinweg passiert haben. Dieses Bauprojekt wurde bereits 2001 begonnen, bislang ist nur „The Palm, Jumeirah“ bebaut und befahrbar, bei „The Palm, Jebel Ali“ ist einstweilen nur die Landgewinnung beendet, während die dritte Inselgruppe „The Palm, Deira“ eingestellt und in eine kleinere Inselgruppe umgestaltet wurde. Insgesamt handelt es sich um ein hochpreisiges, mit ca. 10 Milliarden US$ veranschlagtes, spekulatives Immobilen-Entwicklungsprojekt.

Wir laufen an einer großen Videowall vorbei, hier kann man sich selbst zuwinken. Eine von adidas aufgebotene Gruppe feuert die Läufer an. Ich merke, dass das für mich zu hohe Anfangstempo schon jetzt bei der 10 km-Anzeige Substanz gekostet hat – die GPS-Uhr zeigt 1:00:04, also einen reinen Sechserschnitt.

Aber ich bin nicht der Einzige, der zu schnell begonnen hat, auch andere haben nachgelassen, so auch Ingrida, eine liebe Läuferkollegin aus Litauen, die in der Community als Ländersammlerin gut bekannt ist. Nach der zweiten Labe, bei der es Wasser in Flaschen und Iso in Bechern gibt, laufen wir eine Zeitlang nebeneinander, bei Kilometer 12 legt sie einen Gang zu und zieht vorerst davon.

Der Marathonkurs verläuft nun nach meinem Gefühl schon die längste Zeit leicht ansteigend, allerdings auf Meeresniveau und daher unter idealen Voraussetzungen – aber als routinierter Läufer spürt man die kleinsten topologischen Veränderungen.

Die Sehenswürdigkeiten im Nahbereich des Starts, die ich bereits am ersten Tage meines Aufenthaltes fotografiert habe, knipse ich vom Blickwinkel der Strecke aus nun sozusagen im Laufschritt nochmals.

Am Burj Al Arab geht es vorbei, rechts der mehrspurigen, für den Lauf gesperrten Jumeirah Beach Road laufen bereits die schnellen Äthiopier. Ein deutscher Läufer spricht mich an: „Schön, dass Marathon4you  auch vertreten ist“. Ein anderer Deutscher steht am Rand und reibt sich die Ferse. Ich gebe ihm mein einziges Päckchen Perskindol und bin überzeugt, dass es ihm helfen wird.

Die 15 km-Anzeige erreiche ich nach 1:32, habe also inzwischen Zeit gut gemacht, auch die kurze Schwächephase ist vorbei, ich fühle mich wieder gut in Form. Die Laufstrecke selbst bietet jetzt eigentlich wenig Sehenswertes, den öffentlichen Jumeirah Strand zu unserer Linken haben wir längst passiert. Die nun auftauchende Jumeirah Moschee ist die größte in Dubai und zu bestimmten Zeiten auch für Nichtmoslems für Besuche geöffnet.

 

 

Die Wende erfolgt noch vor der 20 km Anzeige – 2:05 sind für mich in Ordnung. Es geht nun wieder auf der anderen Seite der Jumeirah Beach Road zurück, ich kann Tempo zulegen, weil ich den geringfügig absteigenden Kursverlauf ausnutze und überhole auf dem Rückweg in Richtung Burj Al Arab Dutzende Läuferinnen und Läufer. Ungefähr bei Kilometer 28 geht es nun für mich in die zweite Runde. Ich fühle mich zu diesem Zeitpunkt gut in Form, bin auf Überholen eingestellt.  

Rechts aus der Gegenrichtung kommend und nur ca. 2 km hinter mir liegend erblicke ich den deutschen Kollegen, der offensichtlich dank des Schweizer Wundergels wieder laufen kann – wir klatschen ab. Ein Läuferpärchen aus Deutschland spricht mich an, sie laufen recht zügig – alle kennen M4Y, daher ist ein „Familienfoto“ das Mindeste, was man als Kollege anbieten kann.

Nun ereilt mich das Schicksal. Oder anders formuliert – die Realität holt mich ein: Ich spüre das rechte Knie wieder, dosiere daraufhin das Lauftempo, ändere die Haltung durch Gewichtsverlagerung, versuche das rechte Bein zu schonen. Statt der erhofften 3:10 für die 30 km werden es 3:18 Stunden. Bei Kilometer 32 ist es dann aus mit der Vorfreude, ich kann keinen Schritt mehr laufen, nur mehr mit Schmerzen gehen – und das auch nur langsam.

Alle holen mich wieder ein, auch die total Abgekämpften. Ich quäle mich mit Schmerzen voran. Der Ambulanzwagen hat kein Mittel, abgesehen von Eis. Endlich erblicke ich bei Kilometer 37 einen Japaner, der andauernd sein linkes Bein besprüht – ich frage ihn um eine Dosis, die er mir sofort in aller Hilfsbereitschaft verpasst. Das Spray scheint zu wirken. Ich versuche zuerst etwas schneller zu gehen, dann ab Kilometer 38 wieder in einen Laufschritt zu kommen. Die Uhr schreitet unaufhaltsam voran. Inzwischen sind fast 4 ½ Stunden vergangen. Auch eine Laufzeit unter 5 h wird sich nun nur mehr unter größtem Einsatz vielleicht ausgehen.

 

 

Als ich die 40 km nach 4:44 h erreicht habe, hilft auch der hatschende Schlusssprint nicht, die letzten 2195 m unter 16 Minuten zu schaffen. Nach 5:00:54 beende ich mein Dubai-Marathon-Debut, zwar längst nicht als Letzter im Feld, aber auf einer Strecke, die wirklich Personal Bests ermöglicht. Der naive Glauben, dass Knieverletzungen von selbst ausheilen, wenn man sich (eine Woche) schont, hat sich nicht bewahrheitet – daher werde ich wohl wieder zur Orthopädin pilgern müssen.

Die Finishermedaille ist beeindruckend groß, hat ein schön gestyltes Band und wird nach meiner Rückkehr bei mir einen besonderen Platz erhalten.

Im Ziel werden Wasser sowie Bananen und ein Schokoriegel zur Stärkung angeboten, zudem stehen ein halbes Dutzend Massagetische bereit. Ich mache mich um 12 Uhr 15 auf dem Weg zum ca. zwei Kilometer entfernten Strand. Entlang des Sperrgitters der Einlaufstrecke kommen mir noch Hunderte entgegen. Der Marathon hat ganze sieben Stunden geöffnet, aber die gesperrte Jumeirah Beach Road wird bereits nach ca. 6 Stunden wieder für den Verkehr geöffnet. So marschieren die Langsamen abschnittsweise am Gehweg in Richtung Ziel.
Ich treffe Ingrida wieder am Strand, mit 4:45 hat sie ihre vorgesehene Laufzeit erreicht – wir reden über kommende Läufe. Vielleicht treffe ich sie wieder auf Zypern oder in Bratislava, wenn es das Knie zulässt.

Mein Fazit lässt sich kurz fassen: Für den Dubai Marathon sollte man zumindest ein paar zusätzliche Tage davor oder danach einplanen, das Laufen mit dem Reisen verbinden. Zwar ist Dubai kritisch gesehen nur eine künstliche Glitzerwelt in der Wüste, aber dennoch empfehlenswert. Nur wenige Zeitgenossen haben die Möglichkeit, „to see all the 100 places before you die“, die der Bestseller vorschreibt – Dubai gehört dazu.

Für Marathonsammler mit einem Faible auch für fremde Länder ist der Lauf ein „sine qua non“ – also ein Muss – wie aus meiner Sicht die sechs Major Marathons, denen Dubai durchaus angeschlossen werden könnte. Ich selbst habe auch noch große Aufholbedürfnisse, denen ich in absehbarer Zeit in der Pension nachkommen möchte.

Was Organisation und Ablauf des Dubai-Marathons betrifft, so kann man nicht meckern. Das Startgeld ist an das Preisniveau im Emirat angepasst, daher würde ich 135 US$ als adäquat betrachten. Der größte Vorteil und Anreiz, in Dubai im Jänner, wenn bei uns Winter ist, bei Temperaturen um 15 Grad auf einer flachen Strecke auf Meeresniveau einen Marathon zu laufen, ist die fast 100%ige Option auf eine PB – wenn man sich darauf vorbereitet hat.

Nächstes Jahr wird dieser Marathon in seine 20. Auflage gehen, es wäre auch für mich reizvoll, wieder anzutreten und die Finisherzeit deutlich zu verbessern.

 

Ergebnisse

 

Männer:

1. Mosinet Geremew (ETH) – 2:04:00
2. Leul Gebresilase (ETH) – 2:04:02
3. Tamirat Tola (ETH) – 2:04:06

Frauen:

1. Roza Dereje (ETH) – 2:19:17
2. Feyse Tadese (ETH) – 2:19:30
3. Yebrgual Melese (ETH) – 2:19:36

1994 Finisher (1543 Männer, 451 Frauen)

 

Informationen: Dubai Marathon
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