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Laufberichte

Ein Prosit auf die Deutsche Toskana

 

Der Marathon Deutsche Weinstraße ist alleine schon deshalb etwas Besonderes, weil er  nur alle zwei Jahre stattfindet. Und somit heißt es für die Leser/innen dieses Berichts erst mal warten...Auch mir ging das 2016 so und allein deshalb wollte ich dieses Jahr bei der 11. Auflage dabei sein. Denn wer vermag heute schon seinen Fitnessstand in zwei Jahren vorherzusagen? Wir werden ja alle nicht jünger.

Natürlich könnte man das auch weniger theatralisch sehen und zwischenzeitlich einen anderen Marathon in Weinanbaugebieten angehen. Da herrscht viel Auswahl: Für Judith und mich dürfte es der zehnte Lauf dieser Art in den vergangenen beiden Jahren sein.

Also erst mal die Weinstraße gesucht. Die liegt im Anbaugebiet Pfalz und verläuft über 85 km auf einer Süd-Nord-Achse vom Deutschen Weintor aus dem Jahre 1936 in Schweigen-Rechtenbach an der Grenze zum Elsass bis nach Bockenheim. In dem westlich von Worms gelegenen Ort gibt es seit 1995 das berühmte Torgebäude über der Straße, samt Infozentrum und Restaurant. Dort befinden sich Start und Ziel der Veranstaltung.

Entspannt fahren wir am Samstag in München los, um dann leider zweieinhalb Stunden in einem Stau vor dem zweispurigen Abschnitt der A8 bei Pforzheim zu verbringen. Ich lese später, dass hier Unfälle wohl an der Tagesordnung sind, weil sich schnelle Fahrer gerne noch an den anderen vorbei drängeln. Einer davon verschafft mir heute die Gelegenheit, stundenlang einen Lärmschutzwall anzusehen. Ärgerlicher ist jedoch unsere verspätete Ankunft in Bockenheim. Denn dort waren drei Termine für eine kostenlose Busfahrt entlang der Laufstrecke samt fachkundiger Erklärung und Riesling-Kostprobe angesetzt. Kurz vor unserer Ankunft ist der letzte Bus gerade abgefahren. Und ich hatte mir das so schön zurechtgelegt: Einfach vom Reiseleiter die Themen für den Bericht übernehmen. Wie mir Teilnehmer später erzählen, ist diese Info-Tour für Ortsfremde sehr zu empfehlen.

Bockenheim besteht aus Groß- und Kleinbockenheim, weshalb sich der Ort über einen Kilometer entlang der Deutschen Weinstraße erstreckt. 2.142 Einwohner leben hier. Seit dem 1.1.2018 existiert die neue Verbandsgemeinde Leiningerland. Auf einer Infotafel werden viele Wanderwege in der Region beschrieben. Denn neben dem Weinanbau ist auch der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle auf diesem sonnigen Fleckchen Erde.

Wir begeben uns erst einmal zum Festzelt gleich beim Haus der Deutschen Weinstraße. Hier wird schon ordentlich gefeiert. Die Kinderläufe sind zu Ende, nicht jedoch die Pastaparty samt Auftritten von unzähligen Tanz- und Turnvereinen. Beeindruckend, mit welchem akrobatischen Geschick die jungen Damen und Herren über die Bühne wirbeln. Den Starterbeutel gab es im Nebenzelt. Er enthält eine Flasche Riesling-Spezialabfüllung, eine Flasche Karamalz, einen Schwamm in Traubenform und viele Informationen, u.a. auch zur Ferienregion. Ein Veranstaltungs-Laufhemd kann erworben werden, der Gutschein für die Nudelparty ist im Preis enthalten. Dafür bekommt man eine Riesenportion Spaghetti mit dem Hinweis, dass ein Nachschlag jederzeit möglich sei. Kauend betrachte ich eine russisch inspirierte Darbietung auf der Bühne, bei der gerade eine Tänzerin als Springseil für eine Mitstreiterin „verwendet“ wird. Muss die eine flexible Wirbelsäule haben...

Danach noch Kaffee und Kuchen, und der Ärger über die lange Anreise ist verraucht. Ein Paar Laufschuhe erstehe ich auch noch auf der kleinen Messe. Die Party am Abend und die Krimi-Lesung in Mundart müssen wir uns schenken. Wir nächtigen in einem Hotel in der Nibelungenstadt Worms, wo noch etliche weitere Marathonis aus Bayern abgestiegen sind. Von dort aus leisten wir uns einen kurzen Abstecher in die City und an den Rhein, wo wir den  vorüberziehenden Fracht- und Passagierschiffen zusehen.

 

 

Marathontag

 

Der Start des Marathons, des Halbmarathons und des Duo-Marathons ist auf 10 Uhr angesetzt. Wir können also ausschlafen. Parkplätze gibt es am Ortsrand sowie im Industriegebiet an der nahen Autobahn. Der Shuttlebus von dort ist so gut ausgelastet, dass der Start um zehn Minuten nach hinten verlegt wird. Wir stehen direkt unter dem Torbogen. Oben könnte man sich übrigens auch trauen lassen. Aber dafür reicht jetzt die Zeit nicht. Gut, dass wir dank des späten Termins nicht im Dunkeln starten und blöd, dass ich die Sonnencreme vergessen habe und in viereinhalb Stunden rot verfärbt zurückkommen werde. Hinter uns lugt der weiße Turm der Martinskirche über den Bäumen hervor. Unter dem Altar der barocken Heiligenkapelle auf dem St. Petersberg entspringt eine Quelle. Die Kapelle steht auf den Grundmauern einer größeren romanischen Kirche. Es gibt also bei Sakralbauten auch gelegentliches Downsizing. Der nahe Katzenstein war in vorchristlicher Zeit wohl ein Opferaltar.

Dann geht es los und wir laufen den ersten Kilometer über die recht enge B 271, also die Weinstraße. Früher trugen die Ortschaften den Zusatz „von der Hardt“, der nun dem „an der Weinstraße“ gewichen ist, um in Sachen Tourismus ein Zeichen zu setzen. Viele Zuschauer feuern uns an und das wird während des gesamten Laufs in jeder Ortschaft so bleiben. So einen Event kann man sich hier natürlich nicht entgehen lassen.

 

 

„Kummen gut hääm!“ steht auf einem Banner über der Straße. Seit 1953 wird hier der Pfälzische Mundartdichterwettstreit ausgetragen. Leider bekommen wir vom hiesigen Idiom in der kurzen Zeit unseres Aufenthalts nur wenig mit. Wahrscheinlich wollen es uns die Helfer leicht machen und versuchen sich in Hochdeutsch. Gelegenheit zu erwähnen, dass sich die Veranstalter über Teilnehmer aus aller Welt freuen. Auch ein Läufer aus Hongkong ist dabei. Er ist auf dem Weg nach London, um seine Majors-Serie zu vollenden. Und als Einstimmung dafür bietet sich der Weinstraßen-Marathon doch wunderbar an. Ich kann mich damit brüsten, dass ich auch schon in Hongkong gelaufen bin und verweise darauf, dass er sich Berichte über alle Veranstaltungen auf Marathon4you ansehen kann.

Kurz darauf sind wir außerhalb von Bockenheim und können ans Überholen denken. Auf der leicht ansteigenden Strecke legen die ersten Halbmarathonis eine Gehpause ein. Jetzt vorbei an einem laufenden Winzer. Zumindest interpretiere ich sein blaues Hemd samt Hütchen als Arbeitskleidung.

So richtig in den Flow sind wir noch nicht gekommen. Judith wird dauernd von Männern angesprochen, die sie schon irgendwo mal getroffen haben – wahrscheinlich beim Laufen. „Wein per Pedes – am Muttertag“ wirbt ein Banner über der Straße für ein kommendes Event. Ich sehe den schnellen Vielläufer und Blogger Frank Schmiade, der sich nach Verletzungspause wieder an den Marathon wagt und als Mitglied eines Grünstädter Vereins gestern auch im Team der Ehrenamtlichen mitgeholfen hat.

 

 

Asselheim taucht nach der ersten Kuppe auf. Schön anzusehen. Erste Verpflegungsstelle vor dem Weingut Mayerhof. Nein, ich werde nicht alle Weingüter aufzählen, an denen wir vorbeikommen. Im zweitgrößten deutschen Weinanbaugebiet gibt es 3.600 Winzerbetriebe, die jährlich 2,5 Mio. Hektoliter Wein erzeugen. Dazu gibt es 100 Millionen Rebstöcke, die aber zu dieser Jahreszeit noch  recht trist aussehen, aber gut gepflegt sind. An manchen Stellen weht uns ein unangenehmer Düngergeruch entgegen. Also mache ich keine weitere Werbung, weil ich sonst aus Dankbarkeit sicher viele Kisten Wein zugesandt bekomme.

Direkt anschließend geht es nach Grünstadt: „Alles da, alles nah!“. An der Sporthalle des TSV  vorbei. 1870 erbaut, sieht sie fast wie eine Kirche aus. Dahinter Schlachtenbummler mit kenianischer Fahne. Mal was anderes als immer vorneweg zu laufen. Susanne und Olli aus Koblenz grüßen uns. Die hatten wir beim Lanzarote Marathon getroffen.

Die Grünstädter Fußgängerzone erwartet uns samt Blechbläsern. „Ciao Italia“ rufe ich dem Wirt des Eiscafés  Venezia aus dem Jahre 1957 zu. Das macht hier richtig Spaß. Schon wieder eine Martinskirche voraus. Unter der A6 durch sind wir unvermittelt in den Weinfeldern. Eine Blondine, die auf einem kleinen Felsen steht, feuert uns an. „Loreley“ ruft der Läufer neben mir.

Wunderschön vor uns auf dem 269 Meter hohen Grünstädter Berg die Ruine der Neuleininger Burg, die 1690 abgebrannt wurde. Etwas weiter dahinter liegt der Kleine Donnersberg. Ich habe auch schon einige Läufer in Hemden des gleichnamigen Laufs gesehen. Für mich bleibt zu erwähnen, dass die Donnersberger Brücke samt zugehöriger S-Bahn-Station in München letztes Jahr mit einer Werbung von Donnersberg geschmückt war. Und jetzt bin ich hier.  

Nach Kilometer acht kommen in Kleinkarlbach zwei Weichen für die Halbmarathonis. Gut beschildert. Erst müssen sie einen kleinen Umweg machen, dann kommen sie wieder zu uns zurück und genießen wie wir  einen Verpflegungspunkt mit „Weck, Worscht unn Woi“, um sich dann nach der Hauptstraße mit ihrem offenen und wunderschönen Eckbach final von uns zu trennen.

Marathonis, denen es heute zu warm ist und die gern auf die kürzere Distanz umsteigen würden, hätten an der ersten Trennung schon wechseln müssen, um die 10-km-Zeitnahme auszulösen. Jetzt ist es zu spät. Zwei Kilometer nach Bobenheim am Berg. Andreas spricht mich an. Unser Bekannter aus Eisenach freut sich schon auf ein Wiedersehen beim Rennsteiglauf. In Bobenheim erwartet uns eine Skulptur in Froschform. Die Damen davor können auf die Schnelle keine Auskunft geben, ob es sich dabei um das „Bobbele“ handelt. Dann folgt bereits die Weinkellerei Helmut Kohl.

Bobenheim entlässt uns mit einer Zypressenallee. Aufgrund des milden Klimas mit 1.800 Sonnenstunden im Jahr gedeihen hier auch Feigen, Kiwis, Pinien, Palmen, Bananen und Esskastanien. Deshalb spricht man auch von der Toskana Deutschlands. Ich überlege, dass man im Umkehrschluss die Toskana auch als die Pfalz Italiens bezeichnen könnte. Guten Wein gibt es ja dort auch. Mann, brennt mir die Sonne auf den Schädel. Andreas hatte zu Recht davor gewarnt, dass es auf diesem Rundkurs keinen Waldanteil gibt.

Weisenheim am Berg ist für mich wieder eine typische Winzergemeinde. Die Häuser an der schmalen Straße haben große Tore für die landwirtschaftlichen Maschinen. An vielen von ihnen befinden sich Weinreben. So wurde das anno 1937 zur Einweihung der Weinstraße gewünscht. Leider halt im Moment noch ohne Grün. Dafür gibt es „Frische Pfälzer Spargel und Erdbeeren“.

Wir erreichen den höchsten Punkt unserer Runde mit 270 Metern über dem Meer und kurz danach holt uns Norbert Fender ein. Seine Frau, M4Y-Autorin Birgit, ist noch hinter uns. Da gibt es viel zu erzählen, als sich auch noch Judith aus dem nahe gelegenen Rheinzabern zu uns gesellt. Die kennen wir vom Brixen-Marathon. Nach einigen Kilometern haben uns die beiden davon überzeugt, dass wir  1. zum „Comrades“ in Südafrika und 2. die 100 Meilen von Berlin laufen müssen. Mir wird das nun etwas zu viel und ich zeige den Herrschaften, wie schnell ich bergab laufen kann.

 

 

Vor uns Leistadt, „der Sonne am nächsten“, da gut 100 Meter oberhalb von Bad Dürkheim gelegen. Gabi Krebs ist die hiesige Weinprinzessin. Anscheinend erhebt hier jeder Ort eine Dame in den werbewirksamen Adelsstand. 2,5 Mio. Hektoliter müssen an die Frau und den Mann gebracht werden. Schönes Rathaus aus dem Jahr 1750 mit markantem Glockenturm. Die Glocken gehören der evangelischen Kirche. Viele Bürger aus Ludwigshafen und Frankenthal sollen hier Zweitwohnsitze haben. „Wünsch mir einer was er will, Gott gebe ihm zweimal so viel“ lese ich an einer Hauswand. Das bringt mich dazu, über die gelaufenen Zeiten nachzudenken. Gott sei Dank bin ich noch nicht „zweimal“ so lang unterwegs wie üblich, aber das Tempo ist ausbaufähig.

Nochmals fantastische Ausblicke auf die Rheinebene. 35 km entfernt sieht man den Odenwald im Dunst. Ich rufe „bei gutem Wetter kann man bis zu den Alpen sehen“. „Tatsächlich?“ erkundigt sich  der junge Mann neben mir. Das Funkgerät eines Polizisten meldet ein „großes Verkehrschaos auf der Umleitungsstrecke“. Unseretwegen sind alle Straßen komplett gesperrt. Viele Einheimische haben das Auto zu Hause gelassen und feuern uns an. Auch etliche Radler sieht man hier. Es macht immer Spaß, sie eines e-Bikes zu bezichtigen, wenn sie einen bergauf überholen. Da entstehen lustige Wortgefechte.

 

 

Km 17, es geht steil bergab. Lass laufen. Bad Dürkheim ist erreicht, der südlichste Punkt unseres Parcours. Die Kur- und Kreisstadt mit 18.601 Einwohnern verzeichnet kaum Niederschläge. Am Dürkheimer Riesenfass vorbei, mit 13,5 Metern Durchmesser und 1.700 m³ Volumen das größte Fass der Welt. In seinem Inneren befindet sich ein Restaurant. Dann die Max-Quelle, benannt nach Max II., König von Bayern. Ihr Wasser wird nicht mehr verwendet, da hier eine der weltweit höchsten Belastungen mit Arsen festgestellt wurde. Bei der Untersuchung des Wassers im Jahr 1861 entdeckten der Chemiker Robert Wilhelm Bunsen und der Physiker Gustav Robert Kirchhoff mittels Spektralanalyse die neuen Elemente Cäsium und Rubidium. Und ich habe gestern ganz ahnungslos das Leitungswasser getrunken.

Vor uns der Turm der Schlosskirche, 70 Meter hoch. Auf dem Stadtplatz Staffelwechsel für den Duo-Marathon. Dann der Römerplatz mit Palmen. Die Römer brachten nicht nur den Wein in die Pfalz, auch einen römischen Steinbruch gibt es in der Nähe zu bestaunen. Aber schon mehr als ein halbes Jahrtausend vor Christus war das Gebiet von den Kelten besiedelt. Weiter zum Kurpark. Links die Rutschbahnen des Hallenbads, vor uns das Gradierwerk mit einer Länge von 333 Metern und einer Höhe von 18 Metern. 250.000 Reisigbündel sind aufrecht geschichtet. Darüber rieselt Salzwasser aus einer Heilquelle, von dem an heißen Tagen bis zu 25 m³ verdunsten. Die salzhaltigen Tröpfchen sollen einen positiven Einfluss auf Lunge und Bronchien ausüben, zusätzlich wird die Umgebungsluft durch die Verdunstung gekühlt. Außerdem wird dadurch Salz gewonnen, daher wird die Anlage auch Saline genannt. Sechs Gradierwerke gab es einmal in Bad Dürkheim.

Noch zu erwähnen ist der Wurstmarkt, mit 700.000 Besuchern das größte Weinfest der Welt. Verwendet werden hier 0,5 Liter fassende „Dubbegläser“. Die gibt es an den VP-Stellen allerdings nicht. Zusätzlich zu Wasser mit und ohne Kohlensäure, Iso und Apfelsaft wird auch der besagte Riesling angeboten. Als feste Nahrung liegen Bananen und Äpfel bereit. Mindestens. Und der Rebensaft sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Manche Teilnehmer behaupten, dass einem der Alkohol nichts ausmache, da man diesen sofort wieder ausschwitzen würde. Ich bleibe nach meinen Erlebnissen mit Wein nach dem Sport vorsichtig. Es steht schließlich noch eine Autofahrt an. Vielleicht nehme ich die Flasche Riesling aus dem Starterbeutel mal mit zu einem Trainingslauf.

Vier etwas untypische Kilometer sind entlang der B27-Schnellstraße zu absolvieren. Auch einen Flugplatz gibt es hier. Daher also vorhin die tieffliegende Cessna.

Die Winzergemeinden Ungstein und Kallstadt erwarten uns mit viel Stimmung und nach fünf Kilometern befinden wir uns schon wieder 100 Meter höher. Interessanterweise sind die Anstiege immer schwerer zu bewältigen...

„Appels Saumagen: Kulinarisch ein Genuss, hier her zu kommen ist ein Muss!“ wirbt ein Plakat. Darauf abgebildet sind aufgeblasene weiße Latexhandschuhe. Denke ich. Jetzt ist es an der Zeit, sich mit dem Lieblingsgericht des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl auseinanderzusetzen: Die weißen Objekte sind keine Handschuhe, sondern Schweinemägen, die mit Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln gefüllt und dann gegart werden. Die Köstlichkeit können wir am VP in Kallstadt probieren. Schmeckt mir ganz gut, stößt mir aber bis ins Ziel immer wieder auf.

Ortsmittelpunkt und Blickfang von Kallstadt ist die St.-Salvator-Kirche (1772) mit 36 m hohem  Turm, gotischem Sockel und barocker Schieferhaube. Aus dieser Gemeinde stammen übrigens Johann Heinrich Heinz (1811–1891), der Vater des Heinz-Ketchup-Unternehmensgründers Henry John Heinz, sowie Frederick Trump (1869–1918) und Elizabeth Christ Trump (1880–1966), Großeltern des Unternehmers und 45. US-Präsidenten Donald Trump.

Rechts geht’s zum Weingut am Nil. Nil ist hier der Name einer kleinen Parzelle, eine Einzellage. Mit Moni, einer Kennerin der Gegend, überholen wir Senor Roland, einen Geschichtenerzähler, so steht es auf seinem Laufhemd. Der kommt wohl wirklich aus Spanien, ist aber angesichts der Strapazen  im Moment nicht zum Geschichteerzählen aufgelegt.

Wenig später sind wir in Herxheim am Berg. Wobei mir das „am“ unpassend erscheint. „Auf dem Berg“ wäre richtiger. Über uns Höhe 212. Ein Weinverkauf mit fröhlichen Kunden,  für uns ein VP mit Traubensaft ohne Alkohol. Also perfekt für mich, weil halt auch der Geschmack meiner Kindheit. Immer wenn wir bei den Verwandten in Koblenz waren, gab es Traubensaft. Die VPs werden gefühlt immer mehr. 11 sind es insgesamt.

 

 

Die Rieslingdusche wartet auf uns. In feinem Strahl wird hier Wein äußerlich angewendet. Ich fabuliere etwas von Jungbrunnen. Darauf hat Moni gar nicht gewartet und genießt die Veredelung. Duschen ist ja bekanntlich ein vergleichsweise sparsames Vergnügen. in eine Badewanne passen 150 Liter, also 200 Flaschen.

14 km/h zeigt der Geschwindigkeitswarner. Geht doch. Oder war das der Radler mit Hilfsmotor? „United Runners of Pfalz“ bei km 30, eine gesellige Laufrunde. Wobei die Auswanderer in die USA „Palatines“ genannt wurden, zeitweise ein Begriff für alle deutschen Immigranten. Dann eine blaue Radaranlage beim Bergablaufen. Die hatte ich gestern schon aus dem Auto gesehen. Da fehlte aber noch das zugehörige 50-km-Schild – hoffe ich. Dackenheim samt Golfplatz. Riesling-Schwämme. Ich warne den mobilen Fotografen vor dem Alkohol. Der fällt vor Schreck fast von seinem Motorrad.

Am israelitischen Friedhof von Kirchheim vorbei. 1887 angelegt und in den Jahren 1928 und 1938 weitgehend zerstört, wurde er 1947 wieder errichtet. Im Ort erwartet uns eine flotte Sambatruppe samt Straßenfest. Für die Freunde des Straßenbaus geht es nun zur Baustelle der Umgehungsstraße samt schöner Brücke, die wir aber nicht benutzen dürfen. Also runter und rauf. Im Staub des heißen Sandes laufen wir in der sengenden Sonne nach oben. Die Szenerie erinnert an einen Italo-Western, nur die obligatorische Zugstrecke fehlt. Bei km 35 treffen wir auf bekanntes Terrain. Die letzten sieben Kilometer kennen wir vom Hinweg. Oder auch nicht. Viele Stellen erfreuen nochmals: Die schönen Einfamilienhäuser am Kreuzerweg in Grünstadt. Die Fußgängerzone, in der jetzt noch mehr los ist. Diesmal grüße ich den Griechen Irodion, der vor seinem Lokal steht und uns anfeuert.

Eine Läuferin befragt mich zur bayerischen Fahne an meinem Rücken. 1816 kam die Pfalz zu Bayern, immerhin mit rechtlicher Sonderstellung. Letztendlich hielt die Zugehörigkeit zum Freistaat bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs an. Ein Volksbegehren zur Wiederangliederung an Bayern im Jahr 1956 fand keine Zustimmung.

Das Läuferfeld hat sich inzwischen stabilisiert. Man kennt sich, belauert sich. Wie schnell kommt der andere den Hügel hoch? Wann geht er, wann läuft er wieder? Zeit für mich, noch auf die Mandelblüte hinzuweisen. Moni erklärt, dass es sich um Mandeln gekreuzt mit Aprikosen handelt, wodurch die rosa Blüten entstehen. Überhaupt herrscht einhellige Meinung, dass die Mandelblüte der Pfalz viel schöner ist als die auf Mallorca. Und hier kann man sogar oft zwischen den blühenden Mandelbäumen noch Schnee räumen! Die roten und gelben Sandsteine haben auch die Herstellung von Süßspeisen inspiriert: Rot ist der Mandel-Nuss-Nougat mit karamellisierten Haselnüssen, gelb der fruchtige Mandelnougat. Aber nur in der Confiserie Michel und nicht bei der Zielverpflegung.

 

 

Dann ab km 40 mal schnell bergab. So ganz kann ich nicht verstehen, was in Judith gefahren ist. Sie gibt Gas,  ich versuche mitzuhalten. Ein Kilometer durch die enge Gasse in Bockenheim. Kurz vor dem Zielgelände verschmälern zwei große Traktoren den Weg, um nur den Läufern Zutritt zu gewähren. Sicherheitsmaßnahmen gegen PKW-Angriffe auch hier. Vom Jubel getragen rasen wir ins Ziel.

 

 

Eine bayerische Brauerei versorgt uns mit Alkoholfreiem. Dazwischen genehmige ich mir dann doch einen kleinen Becher Riesling. Gruppenfoto mit der kölschen Frohnatur Dirk, der ausnahmsweise nicht als Pacemaker unterwegs ist, und dann mit der Marathonfamilie Fender. Dank moderater Laufleistung sind wir alle noch fit und begrüßen den 11-fachen Weinstraßen-Finisher Gerhard Bracht.

Kein Gedränge herrscht in den Duschen der Sportanlage. Dann noch ein bisschen Abfeiern im Festzelt. Judith ging mit 18 Sekunden Rückstand als Vierte der AK bei der Prämierung leider leer aus. Ich sowieso. Gerne wäre ich noch einen Tag geblieben, so schön ist es hier, aber die Arbeit ruft. Beim nächsten Mal dann. Vielleicht in zwei Jahren.


Fazit:

Ein wunderschöner, abwechslungsreicher Landschaftslauf durch viele Winzergemeinden. Vollkommen autofrei. 20.000 Zuschauer an der Strecke. 400 Höhenmeter müssen bei anspruchsvollem Profil bewältigt werden. Prost!


Sieger
1 Lehmann, Jonas     Tus 06 Heltersberg            02:31:37.7    
2 Kirschbaum, Max    AsicsFrontrunner/LG Ohmbachsee    02:47:12.6    
3 Titgemeyer Markus    TV Georgsmarienhütte        02:48:46.8    

Siegerinnen
1 Schmitt, Sabine    TV Alzey/Laufteam Gassler         03:09:35.7    
2 Katz, Eva        RC Vorwärts Speyer            03:10:43.4    
3 Hötte, Kerstin                        03:15:48.1    

790 Finisher Marathon
5 Österreicher
8 Schweizer
27 USA

290 Finisher Duo-Marathon
1.513 Finisher Halbmarathon

 

Informationen: Marathon Deutsche Weinstraße
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