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Laufberichte

„Überwältigt von Dir“

 
Autor: Joe Kelbel

Dies ist kein Bericht über den Welt-Down-Tag. Down ist heute niemand, uns erwartet ein einmaliges Läuferfest. Wir feiern, dass die Kinder mit Trisomie 21 mit uns leben und mit uns laufen können.

Am Eingang des Vereinsgeländes des TV Fürth 1860 empfängt uns Chefin Anita und leitet uns zur Startnummernausgabe.  Sie weiß, dass die meisten von uns Ultraläufern am Vortag in Nürnberg oder Würzburg gelaufen und dementsprechend recht müde sind. Viele haben im Hotel nebenan übernachtet, das Max Grundig baute. Ich gebe meine Reisetasche an die Helfer bei der Startnummernausgabe ab und schaue mich erstmal um.

 

 

Manche kennen das große Vereinsgelände des TV Fürth 1860 noch von früheren Austragungen des Metropol Marathons, als hier die Laufstrecke entlang führte. Ab sofort ist dies der Austragungsort des  Marathons zum Welt-Down-Syndrom Tag. Ich entdecke natürlich gleich die Verpflegungsstation bei Kilometer 1. Die Helfer der Green White Crocodils rödeln schon mächtig rum und machen eine Riesenauswahl von Schnittchen zurecht; immer schön ein Gürkchen auf die Schmalzstulle. Die grün-weißen Krokodile sind der Fan Club der SPVGG Greuther Fürth und mein wichtigster Anlaufpunkt für die nächsten Stunden. Längere Verweildauer am VP ist ausdrücklich erwünscht, denn dieser Lauf dient dem Kontakt und nicht einem neuen Weltrekord.

 

 

Weitere Helfer treffen gerade mit dem Bus ein: 40 Schüler der Berufsschule 4 aus Nürnberg, davon zwei Flüchtlingsklassen.  Sie werden die knapp 2 Kilometer lange Laufstrecke absichern.  Musiker schleppen schweres Gerät an. ING Diba ist Titelsponsor und ermöglicht die Größe dieser Laufveranstaltung. Klasse sind die bequemen Bänke für Bekannte und Trainer. Bänke einer Bank, das hat was! Finishertaschen türmen sich hinter den Tischen in der Halle, prall gefüllt mit Spenden der Sponsoren.  Aber erstmal wird gelaufen.

Das diesjährige Motto des Laufes: "Überwältigt von Dir": Der Laufclub 21 möchte auf die große Liebe zu Trisomie 21 Kindern hinweisen, die nach dem ersten Schock entsteht. Toll gemachte professionelle Aufnahmen von Menschen mit Down Syndrom sind aufgestellt. Für mich ungewohnt -  aber eben deshalb findet diese Veranstaltung  statt. Trisomie 21 ist ja nicht ansteckend.

 

 

Das Down Syndrom wurde vom Neurologen John Langdon-Down beschrieben, doch erst 1959 wurde die genetische Ursache entdeckt: die ungewöhnliche Teilung der ersten Zelle. Es ist keine Erbkrankheit, sondern passiert halt. Es ist auch keine Zivilisationskrankheit.  Man hat ein 2550 Jahre altes Skelett in Tauberbischofsheim gefunden, dass eindeutige Symptome aufweist. Die Frau wurde damals 18 Jahre alt. Aufgrund des medizinischen Fortschrittes können Trisomie 21 Geschädigte heutzutage sehr viel älter werden. Eines bewirkt allerdings die Medizin nicht – es ist in diesen besonderen Menschen: das fröhliche Lachen. 6 Stunden wird es mich begleiten und motivieren. Vor allem am steilen Aufstieg zum Stadion hört man das laute „Uaaahr wir schaffen das!“

 

 

Mein Durchbruch kommt, als der T-21 Lümmel, dem gerade ein dicker Jabberwokky aus der Nase fließt, Conny und mich umarmt und kritisiert, dass wir ja nur wandern würden. Ich bin überwältigt und verstehe, dass Behinderung in unserem Kopf ist.

Im Laufe des Tages treffen immer mehr Zuschauer und Besucher ein, die Stimmung steigt mit jeder Runde.  Als dann die Live Bands auftreten, wird getanzt und geschunkelt. Begeistert bin ich vom Engländer John Dawson (Jahrg.1937). Er trägt traditionell die Startnummer eins, denn er ist ein Ziehvater dieser Veranstaltung, seitdem er seinen Down-Kumpel Simon hier auf die Strecke mitnahm. Einst rauchte John 80 Kippen am Tag und war dabei, sein Leben wegzuwerfen.  Ein Herzinfarkt und zwei Tumore, einer davon im Auge, veränderten sein Leben.  Er fing mit 52 an zu laufen und hat nun über 400 Marathons absolviert.

 

 

Manchmal fragt man sich schon, wer hier geschädigt ist.  Jedenfalls falle ich nicht weiter auf. Mein Respekt gilt den Läufern des Laufclubs 21.  Ich habe jede Kämpferin, jeden Kämpfer gesehen, denen  die Natur körperliche Probleme auferlegt hat. Alle sind sie Vorbilder.  Behindert ist der, der laufen kann und es nicht tut.

 

Informationen: Welt Down-Syndrom Tag Marathon Fürth
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