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Laufberichte

Madeira Island Ultra Trail

09.06.12

Links oder Rechts?


Ein Stück voraus zeigt sich unvermittelt in einigen hundert Metern Entfernung der Sattel von Encumeada. An der  Passstraße steht ein Schild: 100er rechts, 55er links. Für ein Stück laufen 100er und 55er getrennte Wege.

Ich biege nach links ab und nach wenigen Metern löse ich am CP 2 mit meinem Chip die Zeitmessung aus. Ist immer ein merkwürdiges Gefühl und sieht bestimmt komisch aus, wie ich mich mit dem am Trinkgürtel befestigtem Chip bücke. Der Zweck heiligt das Aussehen.

CP Encumeada bietet nicht nur Getränke, sondern auch Verpflegung. Volles Programm sozusagen. Klar, ich nehme wieder einen leckeren Kaffee, dazu eine Suppe. Gerne auch greife ich bei Datteln, Rosinen, Kuchen u. a. zu. Noch einen Müsliriegel einstecken und schon geht es weiter.

Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel. Die Strecke führt nun entlang einer der vielen Levadas Madeiras und bietet reichlich Schatten. Der Weg parallel des kühlen Nass ist gut zu laufen. Es macht Spaß nach all der Kletterei eine Strecke richtig laufen zu können.

Zudem sind die Levadawege hangparallel angelegt und weisen keine Höhenunterschiede auf. Ich tauche meine Kappe in das Wasser und kühle meinen Kopf. Gut gekühlt läuft sich besser. Es ist für mich zudem nach meinem Schlaganfall auch dringend erforderlich, den Kopf nicht zu überhitzen. Hier kein Problem dank der Levada. Für levadafreie Abschnitte habe ich extra eine Wasserflasche zur Kopfkühlung im Trinkrucksack.


Wasserfall und Tunnel


Ich liebe die Levadawege. Hier zu laufen ist die reine Freude. Schatten, keine Höhenunterschiede, immer wieder schöne Weitblicke, Blumen am Rande und dazu Schmankerl am Weg wie Wasserfälle oder Tunnels. Alles bekommen wir  hier geboten. Wegen der Tunnel sind vom Veranstalter zwei Stirnlampen als Ausrüstung zur Pflicht erklärt. Zwei der drei zu durchlaufenden Tunnel sind gut einen Km lang. Ohne Licht geht hier gar nix.

Irgendwann ist auch der schönste Levadaweg zu Ende. Unserer führt zwar noch weiter, wir werden jedoch hinab geführt und dürfen einige Höhenmeter abwärts laufen. Wo es runter geht, geht es auch wieder herauf. Und das tut es mächtig. Am Boden sind Hölzer quer gelegt und erleichtern das Steigen. Es bleibt in der Mittagshitze dennoch auch im Schatten eine Quälerei.

Ich überhole zwei 100er, an ihren gelben Startnummern von uns grünen 55ern zu unterscheiden. Ich schäme mich ein wenig und habe Respekt vor den beiden.
Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit stoßen wir auf eine weitere Levada. Sie führt zwar kein Wasser und der Weg ist auch nicht so gepflegt wie zuvor, aber die Steigerei hat erst einmal ein Ende.

Auf einmal kommt mir eine größere Gruppe von deutschen Wanderern entgegen. Der Wanderführer ruft: „Vorsicht, Läufer“. Alle machen Platz und feuern mich an. Da mein Vorname auf der Startnummer steht ist es Ihnen ein leichtes mich persönlich anzufeuern. Vorwärts Klaus, tut gut. Ich rufe Ihnen zu, dass ich das hier nur sie mache. Ist natürlich gelogen. Ich tue es für mich und meinen Spaß.


Kampf gegen Windmühlen


Ich bin schon 5.30 Stunden unterwegs. Bislang war es von den Temperaturen her gut zu ertragen und wir laufen zuletzt im Schatten. Nun haben wir die angekündigten mittleren 20er Temperaturen erreicht und wir kommen auf eine kleine Ebene, wo wir zwischen meterhohen Farnen und Baumerika laufen. Ein kleiner (Rest)See ist zu sehen und oben auf der Hochebene Paul da Serra grüßen uns die weithin sichtbaren großen Windräder mit ihrem Rauschen.
Wir kommen auf eine breite Schotterstraße, die in mehreren Kehren auf die Hochfläche führt. Die Straße liegt voll in der Sonne. Überall ist gelb blühender Ginster zu sehen. Sieht schön aus, ist aber brutal anstrengend in der Sonne. Es geht steil bergan. In einer Kehre kann ich auf die vorher gequerte Ebene mit See hinunter sehen. Je höher wir kommen, desto beeindruckender werden die Weit- und Tiefblicke.

Endlich ist die Hochebene von Paul da Serra erreicht. Wir lassen die Windräder zur Linken liegen und laufen über die Kuppe. Vor uns tauchen Nadelwälder auf. In einer Hütte ist CP 3 erreicht. Ich mühe mich auch hier in Estanquinhos mit dem Chip ab und genieße im Anschluss Kaffee und Verpflegung. Km 28 ist erreicht. Halbzeit kilometermäßig. Denn der 55er ist in Wirklichkeit 56,5 Km lang.

 

Abstieg ohne Ende


7 Stunden bin ich schon unterwegs. Von Estanquinhos können wir ein ganzes Stück über die Hochebene von Paul da Serra laufen. Es macht Spaß nach der Schinderei des letzten Aufstiegs nun wieder laufen zu können. Die Sonne meint es weiterhin gut mit uns. Sie brennt unbarmherzig auf uns runter. Gut, dass ich meine Kappe an habe.

Ich laufe und überhole Läufer für Läufer. Es sind einige 100er dabei. Ich hab gehörigen Respekt vor ihrer Leistung. Vorbei an den Fontes Ruivas geht es weiter durch die mit Farnen, Erikabäumen und Ginster bewachsene  Hochebene. Wir biegen nach rechts ab und verlassen den breiten Weg. Ein schmaler Weg nimmt uns und lässt uns noch einige Höhenmeter gewinnen.

Dann beginnt ein Abstieg, der kein Ende zu nehmen scheint. Hinunter zum CP 4, Chão  da Ribeira, sind 1350 Höhenmeter zu vernichten. Und das auf brutale Art und Weise. Oft geht es steinerne Stufen hinab, die ob ihrer Höhe mehr gesprungen als gelaufen werden können. Laub liegt herum und es ist oftmals feucht. Das Herunterlaufen in diesem steilen Gelände macht keinen Spaß. Und es folgt Kehre auf Kehre, Stufen auf Stufen, ob aus Stein oder Holz.

Ich fluche vor mich hin. Es gibt auch kaum mal einen Blick auf das nächste Etappenziel im Tal. Mentale Stärke ist gefragt. Ich mache keine Pause und laufe dieses Horrorstück in einem durch. Merkwürdigerweise fliegen mir meine Oberschenkel ob der Wahnsinnsbelastung des steilen und langen Bergablaufens nicht um die Ohren. Mein gezieltes Bergabtraining im Vorfeld im Oberbergischen hat also was gebracht. Nachahmern für den MIUT sei es dringend empfohlen.

Als dann der Horrorabstieg mal einen Blick frei gibt, sehe ich das Ziel Porto Moniz in der Ferne. Bis dahin ist aber noch einiges leisten. Erst einmal gilt es zum CP 4 hinunter zu kommen. Ich kämpfe, fluche, beiße mich durch.

 
 

Informationen: Madeira Island Ultra Trail
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