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Laufberichte

Mein Leipzig lob ich mir

 

Zuerst die schlechte Nachricht: Haile Gebrselassi hat abgesagt! Es gibt aber auch eine gute Nachricht für die 39. Auflage des Stadtwerke-Marathons: Ich bin dabei! Klar, Weltrekord ist von mir nicht zu erwarten, dafür aber ein Laufbericht. Und das ist ja auch was…

Haile war der Wunschgast der Veranstalter des Leipzig-Marathons. Er sollte hier keinen neuen Weltrekord laufen, 250000 Euro Antrittsgage wie 2008 beim Berlin-Marathon hätten den Etat der Leipziger gesprengt. Aber über einen Startschuss der Läuferlegende hätten wir uns alle gefreut.

Haile in Leipzig – da wird sicher so manch einer denken: Jetzt sind die Sachsen auch noch größenwahnsinnig geworden! Aber nein, es hätte schon einen Grund für die äthiopische Läuferlegende gegeben, ausgerechnet in der Messestadt zu laufen. Leipzig und Addis Abeba sind Partnerstädte. Und Leipzig feiert in diesem Jahr sein 1000jähriges Stadtjubiläum.

Ich war übrigens schon bei der 800-Jahr-Feier dabei. Damals war ich 13 Jahre, da könnt ihr euch selbst ausrechnen wie alt ich heute bin. Genau, 213 Jahre – das ist aber falsch! Die 800-Jahr-Feier fand 1965 statt. Danach wurde eine Urkunde gefunden, die zeigte, dass Leipzig schon viel älter ist. Ich hätte die Urkunde weggeworfen, denn wer freut sich, dass er älter wird? Wohl nur Städte!

Die Startunterlagen gibt es in der Ernst-Grube-Halle der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Da muss ich euch eins sagen: In der DDR war nicht alles schlecht. Da hieß das Ding einfach DHfK - Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport. Bei dem heutigen Namen muss man ja aufpassen, dass man sich nicht die Zunge bricht.

In dem Gebäudekomplex ist alles vorhanden, was zu einer ordentlichen Laufveranstaltung gehört. Von der Startnummernausgabe über Umkleidemöglichkeiten bis zu den Duschen. Und die Nudelparty fand gestern ebenfalls hier statt. Aber eins sei auch erwähnt, von der Ernst-Grube-Halle bis zum Start sollte man so etwa 10 Minuten Fußmarsch einplanen.

Der Start erfolgt vor der Red Bull-Arena. Ein wunderschönes, bekanntlich sogar weltmeisterschaftlich erprobtes Stadion  - mit aber eher provinziellen Parkmöglichkeiten. Man sollte vielleicht doch lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Oder wie wir – rechtzeitig.

Der Start für uns Marathonis erfolgt um 10 Uhr. Schon vorher starten in drei Gruppen die Inline-Skater (Lizenzfahrer und Breitensport) und die Rollstuhlfahrer. Das finde ich genial. Denn dadurch ist so richtig was los am Start.

Moderiert wird der Startbereich von Roman Knoblauch, ein Garant für gute Unterhaltung. Acht Stunden wird er plappern, dass ist länger als ich laufe. Und das will was heißen. Aber wie sagt doch Roman Knoblauch: „Reden geht immer…“

Nach Veranstalterangaben sind es etwa 800 Läufer, die sich nach dem Startschuss auf die 42-Kilometer-Distanz begeben. Das Wetter ist wie für einen Marathon geschaffen. Nicht zu warm, nicht zu kalt – es riecht nach Bestzeiten…

Das Wort Bestzeit brauche ich gar nicht erst in den Mund zu nehmen. Der Schatten des Starttors liegt noch über mir, da bin ich schon am Ende des Läuferfeldes. Wenn ihr die Fotos anschaut, wisst ihr warum.

Nach etwa zwei Kilometern werde ich stutzig. Was lese ich denn da auf dem Shirt meines Vordermannes? RasenBallsport Leipzig – Die roten Bullen! Unter Fans muss man sich da natürlich erst einmal etwas austauschen. Über den Höllenritt der Bullen am Montag zum Betzenberg – und die nicht leichtere Aufgabe meines Gesprächspartners, in wenigen Kilometern im RB-Trikot am Stadion von Lok Leipzig vorbeizulaufen. Vorsichtig ausgedrückt: Zwischen beiden Clubs besteht keine Fanfreundschaft...

Übrigens erzähle ich am Abend meiner Frau Anita von meiner Begegnung mit dem RB-Fan. „Da hast du ja großes Glück gehabt“, sagt die daraufhin. Was hat das denn mit Glück zu tun? Sie klärt mich auf: „Na, das musst du dir mal vorstellen. RB-Fans, davon gibt es nur zwei – und dann trefft ihr euch auch noch!“ 

Fotostopp am Neuen Rathaus. 1899 – 1905 von Hugo Licht im Stil des Historismus erbaut, ist es eines der Wahrzeichen der Stadt. Entschuldigt, aber wer von euch behauptet, seine Heimatstadt habe ein schöneres Rathaus, den halte ich für einen Aufschneider oder Lügner. Da lasse ich mir nichts einreden…

Gleich in der Nähe das heutige Bundesverwaltungsgericht. Als Reichsgericht von 1888 bis 1895 erbaut, Ort des Reichstagsbrandprozess und daraus resultierend in der DDR Georgi-Dimitroff-Museum. Nur 100 Meter von der Laufstrecke entfernt gut zu sehen – und ich Depp habe es nicht mal fotografiert.

Uniriese, Gewandhaus, Oper, Augustusplatz, alles liegt an der Strecke. Ich will es mir mal einfach machen: Wem Leipzig nicht gefällt, der ist selbst schuld. Wobei man sagen muss, an der nun folgenden, ziemlich breiten Prager Straße haben sich nicht gerade die Stararchitekten abgearbeitet – aber hässlich ist was anderes.

Die zwei überdimensionalen „M“ an der Straße zeigen es an, wir haben die Alte Messe erreicht und damit ein weiteres Stück Stadtgeschichte. Welthandelsplatz Leipzig – es war einmal…

Beim Überqueren der Bahnstrecke nach Altenburg (da gibt es auch einen Marathon, einen feinen, am 13. Juni) wird klar, die Marathonstrecke ist nicht frei von Anstiegen. Genauer: Nicht frei von Hügeln. Selbst Haile wäre in Leipzig keinen Weltrekord gelaufen.

Die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt liegt nun vor uns, das Völkerschlachtdenkmal. Hier, unweit der Stelle, an der sich in der Völkerschlacht von 1813 Napoleons Gefechtsstand befand, mahnt seit 1913 dieser kolossale Tempel die Nachgeborenen. Und bietet eine phänomenale Aussicht über die Stadt, für alle, denen 364 Stufen nichts ausmachen. Also wer nach dem Marathon noch Zeit hat…   

Dann erreichen wir das Bruno-Plache-Stadion, die Spielstätte des 1. FC Lokomotive Leipzig. Eine der erfolgreichsten Oberliga-Mannschaften der DDR, die auf 77 Europapokalspiele verweisen kann – und heute in der Oberliga Nord-Ost spielt.

Nachwuchsmannschaften spielen auf den Nebenplätzen. Und uns Läufern geht es jetzt wie  Lok – es geht bergab. Für uns ist das gut. 

Wir haben das eigentliche Stadtgebiet verlassen. Hier herrscht Ruhe. Aber wer schon in Leipzig gelaufen ist, weiß, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nur wenige hundert Meter weiter, etwa bei Kilometer 9, da geht die Post ab. Fanmeile Marienbrunn -  was hier abgeht kann man getrost als Volksfest bezeichnen. Das uns Läufer und sich selbst feiernde Volk wird von einem Mann überragt, der auf einer Leiter steht und einen Gartenschlauch in der Hand hält. So etwas nennt sich Läuferdusche…

Bei Kilometer 10 erwartet uns die dritte Getränke bzw. Verpflegungsstelle. Ja, ihr habt richtig gelesen – die Dritte bei Kilometer 10! In einer Zeit, wo ich das Gefühl habe, dass bei Läufen das Verpflegungsstellennetz eher ausgedünnt wird, habe ich dafür eigentlich nur eine Bezeichnung: Beispielgebend! Und ausreichend ist das Angebot allemal. Nur zu den Rosinen muss ich noch was sagen – wo haben die Leipziger nur diese Riesendinger her?

Irgendwann treffe ich dann wieder auf Peter Teichwalker. Natürlich wisst ihr wieder nicht, wer das ist? Na, das ist der im Red Bull-Shirt! Dass er der Peter ist, dass weiß ich da natürlich auch noch nicht, erfahre ich erst später bei Facebook.  Aber jetzt erzählt er mir, dass er das Hoheitsgebiet der Lok-Fußballer unbeschadet überstanden hat. Nur eine freundliche Bemerkung hat es gegeben – mit dem Shirt sollte er vielleicht lieber in Salzburg laufen…

Die Strecke führt nun weiter durch den Süden Leipzigs, vorbei am Gebäudekomplex des Mitteldeutschen Rundfunks, durch Wohngebiete, an Naherholungsgebieten entlang. Mal ganz ehrlich – ich mag diese Strecke. Auch wenn mir ausgerechnet ein Leipziger sagt – er mag sie nicht. Aber egal wie dem auch sei – wir müssen sie zweimal absolvieren…

Als ich in knapp 2.20 Stunden in die zweite Runde gehen will, höre ich über die Lautsprecher, dass sich der Sieger dem Ziel nähert. Dem habe ich vielleicht die Suppe versalzen – er hat es nicht geschafft, mich zu überrunden! Ob ihm das wichtig ist, sei dahingestellt.

Ich beschließe, auf ihn zu warten. Weil es nämlich sehr selten ist, dass ihr in meinen Laufberichten Bilder vom Sieger seht. Nach drei, vier Minuten kommt der Äthiopier Tekalegn Tebelu Abebe. Ich bin bereit, die bedeutendsten Bilder meiner Laufreporterkariere zu machen. Knips – er ist noch ein ganzes Stück weg. Knips – Speicherkartenfehler…

Ich begebe mich wieder auf die Strecke. Das werden in Kürze auch die Halbmarathonis tun, noch etwas später die 10-Kilometer Läufer. Das heißt, noch bin ich allein auf Leipzigs Straßen, aber nicht mehr lange.

An der Alten Messe überholt mich der Spitzenreiter der Halbmarathonis, nicht lange, da falle ich im Feld der Läufer nur noch durch die Startnummer auf. Und dadurch, dass ich immer weiter nach hinten gereicht werde. Aber so mancher Halbmarathoni lässt es sich nicht nehmen, meine Marathonleistung zu würdigen. „Gut, Alter“ oder „Spitze, Alter“ – so was baut auf. Na gut, das „Alter“ haben sie nicht gesagt – aber wahrscheinlich gedacht. Diese jungen Knilche…

Was jetzt an der Fanmeile Marienbrunn abgeht, ist unbegreiflich. Ich glaube, wir Sachsen sind Partylöwen. Mir fällt da eigentlich nur ein Vergleich ein: Berlin-Marathon, Kilometer 28, Wilder Eber.

Ich muss es noch einmal erwähnen. Die versetzten Startzeiten für die verschiedenen Distanzen sind genial. Langsam, aber sicher geht es aufs Ziel zu. Ich werde bei etwa 5 Stunden einlaufen. Glaubt mir, bei den meisten Marathons ist man da ziemlich allein auf der Strecke. Ängstliche Charaktere beginnen sich in solchen Situationen zu fürchten. Und hier in Leipzig? Da ist es wie früher zur Demonstration am 1. Mai. Nur das alle schneller unterwegs – und natürlich freiwillig hier sind!

Noch eine Frage stellt sich: Was für Drogen nehmen eigentlich die Leipziger? Dass sie heute in solch großer Anzahl an der Strecke vertreten sind, mag sicher auch am Wetter liegen. Aber wie sind die denn drauf? Noch nie habe ich so oft meinen Namen vom Streckenrand her gehört. Ja, der steht auf der Startnummer, aber das tut er woanders auch. Immer wieder höre ich Günter, Günter lauf, Günter du schaffst es. Ich habe aber auch einen schönen Namen!

Bevor ich jetzt ins Ziel laufe, darf ich eins nicht vergessen. Die Leute, die sich im Bereich der Erich-Zeigner-Allee an der Straße tummeln. Im Sinne des Wortes – auch hier ist Party, hier ist Straßenfest. Ich meine, wem die Strecke nicht gefällt, der kann ja woanders laufen. Aber über eins muss er sich im Klaren sein – dort wird er die Leipziger schmerzhaft vermissen!

Und auch die vielen Musiker am Streckenrand. Da ist für jeden Musikgeschmack was dabei. Aber das kann man ja wohl auch erwarten – in einer Musikstadt wie Leipzig…

Wie erwartet überquere ich nach knapp 5 Stunden den Zielstrich. Mein Akku ist leer. Nein, nicht meiner, sondern der meiner Kamera. Das gab es auch noch nie, aber ich habe wirklich über 300 Bilder geschossen. Es sind nicht alle dem Laufbericht beigefügt – einige von euch müssen ja auch noch arbeiten…

Übrigens: Mein Lauffreund Andreas Gäbler ist von dieser Veranstaltung genauso begeistert wie ich. Oder gar noch mehr? In 3.38.07 ist er ganz einfach mal persönliche Bestzeit gelaufen. Glückwunsch!
   

Marathonsieger

 

Männer

1 Tebelu Abebe, Tekalegn (ETH)   02:21:53 
2 Olszewski, Bartosz (POL)  02:25:16 
3 Szymankiewicz, Jakub (POL)  02:27:00

Frauen

1 Meyer, Juliane (GER)  Team BMW SC DHfK Leipzig 02:57:35 
2 Borggrefe, Katja (GER)  Turbine Halle 03:06:54
3 Zauner, Anna (AUT) run42195.at 03:22:03 

618 Finisher

 

Informationen: Leipzig Marathon
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