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Laufberichte

Auf dem Schlachtfeld

17.04.11
Autor: Joe Kelbel

Wir biegen in die Prager Strasse ein, ich rufe in die laufende Menge, ob hier jemand aus Leipzig wäre, der mir sagen könnte, was hier links hinter dieser hohen Mauer wäre. Keine Antwort. Es  ist der Alte Johannisfriedhof mit den Massengräbern  von 1813, traurig.

In Messezeiten mussten die Leipziger Studenten ihr Stadtwohnungen räumen und wurden dann in Reudnitz untergebracht, was wir jetzt durchlaufen.Ein damals noch unbekannter, 26 jähriger Mann schrieb ein wunderbares Gedicht, als er am Flüßchen Rietzscke lag:

Es ist mein einziges Vergnügen,
Wenn ich, entfernt von jedermann,
Am Bache, bei den Büschen liegen,
An meine Lieben denken kann.

Dieser ausquartierte Student hieß Johann Wolfgang Goethe. Wenige Jahre später quartierte sich der Korse in der Villa des Bankiers Vetter ein. Hinter der Häuserfront lagen ausgedehnte Kohlfelder, die von den Soldaten geplündert wurden.

Rechter Hand, bei km 5 sieht man eine goldene Spitze. Diesmal fragt die Läuferin aus Bremerhaven, ob jemand sagen könne, was das ist. Wieder keine Antwort. Also gebe ich (der Besserwessi) bekannt, dass es die russische Gedächniskirche ist, erbaut zum Gedenken an die in  der Völkerschlacht gefallenen russischen Soldaten.

Von Weitem ist jetzt schon das doppelte „M“ sichtbar, das Wahrzeichen der Messe Leipzig.

Die Leipziger Messe war zu Napoleons Zeiten Hauptumschlagplatz für Seide. Frankreich setzte hier 75 % seiner Seidenproduktion ab. Alle anderen französischen Waren waren allerdings zu teuer, denn zur Finanzierung  der Kontinentalsperre gegen England erhob Frankreich hohe Zölle und Steuern auf eigene Waren.

Dann ist schon das mächtige Völkerschlachtdenkmal zu sehen. Es wurde knapp 100 Jahre später, also 1912 gebaut. Die Sachsen selber hatten kein Interesse an einem Denkmal, schließlich waren sie Kriegsverlierer, da sie auf Napoleons Seite kämpften und erst am dritten Tag die Seite wechselten. Dafür verloren sie auch ein Drittel ihres Gebietes.

Rechter Hand, vor dem Denkmal die Strasse „An der Tabaksmühle“. Hier stand die Schnupftabaksfabrik der Familie Quandt, die Napoleon während der Völkerschlacht als Befehlsstand nutzte. Er sei auf seinem Stuhl vor der Mühle eingeschlafen, als er den Befehl zum Rückzug gab.

Ein anderer Bericht erzählt von der panikhaften Flucht des Korsen. Er hätte seinen Dreispitz (Hut) und sein Fernglas deswegen liegenlassen. Heute steht dort der Napoleonstein. Auf seiner Spitze sind seine Wahrzeichen aus Bronze zu sehen. Inschrift: „Hier weilte Napoleon am 18.Oktober 1813 die Kämpfe der Völkerschlacht beobachtend“.

Ein Apelstein steht direkt an der Laufstrecke: „Die Monarchen empfangen die Ratsdeputation“,  Rückseite: „Die verbündeten Monarchen beim Sturm auf Leipzig“

Ich hatte mir das Völkerschlachtdenkmal am Vortag angeschaut.  8 Euro ist ein happiger Eintrittspreis, aber es wird für die 200 Jahrfeier renoviert. Der große Teich symbolisiert die Tränen. An der Front der Erzengel Gabriel, darüber die Inschrift „Gott mit uns“. Innen drin, in der Ruhmeshalle, die fast 10 Meter hohen Statuen der Totenwächter. Oben von der Kuppel ein prächtiger Blick über die Ebene rund um Leipzig.

Dann laufen wir ewig lange an der Mauer des Südfriedhofes entlang. Auch die riesige Kapellenanlage mit den drei Trauerhallen, Abschiedsräumen und dem Krematorium hatte ich mir am Vortag angeschaut. Ich habe noch nie einen solch großen Friedhof gesehen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Knochen sich hier auf dem Schlachfeld der Geschichte angesammelt haben.

Links das Brauhaus Napoleon. Hier traf sich der Korse im brennenden Gasthof mit seinem Schwager, Joachim Murat (den Napoleon zum König von Neapel beförderte), um über den Rückzug zu entscheiden. Tipp: lieber nach dem Marathon besuchen!

In der Ferne, bei Liebertwolkwitz liegt der Monarchenhügel, hier beobachteten Kaiser Franz I von Österreich, Kaiser Alexander I von Russland und König Wilhelm III von Preussen die Schlacht. Wir wechseln die Richtung und laufen Richtung Westen.

Kilometer 15: die Südvorstadt, hier befanden sich vor dem Bau der Siedlung noch zahlreiche Schanzen und Befestigungen, u.a. am Hahneberg, wo Napoleon einen heftig umkämpften Beobachtungsposten einrichtete. Der dabei schwer beschädigte Gutshof Feldschlößchen konnte 1819 wieder aufgebaut werden und war 1846 Keimzelle der Feldschlößchenbrauerei.

Von Kleinzschocher geht es Richtung Lindenau. Die fliehenden Soldaten hatten sich hier in den Gärten versteckt. Die Gärten waren allesamt mit hohen Mauern und Schießscharten versehen gewesen, denn die Leipziger hatten Erfahrung mit plündernden Soldaten aus zahlreichen Kriegen. Die verbündeten Österreicher hatten schwere Mühe, die Franzosen daraus zu vertreiben.

Bei Kilometer 20 überqueren wir ein kleines Rinnsaal: Die Luppe. Kaum zu glauben, aber die Brücke war enorm wichtig für den Rückzug der Soldaten Napoleons und dewegen heftig umkämpft.

Als wir das  Elsterbecken überqueren, sind wir wieder fast am Sportforum. Endlich gibt es auch  einige Zuschauer. Der Start/Zielbereich ist sogar sehr belebt. Ungefähr  800 Marathonläufer machen sich auf in die zweite Runde. Erst bei km 34 überholt mich der erste Halbmarathonläufer, die lange nach uns auf die Strecke geschickt wurden. Die Laufstrecke ist nun sehr belebt und  ich frage mich, wo die Zuschauer vorher waren.

Man könnte ja meinen, Berlin sei die Marathonhochburg Deutschlands. Fast jeden Tag lese ich von einer „Marathonsitzung“ in Berlin. In Leipzig dagegen fand der erste Marathonlauf Deutschlands statt, damals, als Marathon noch ausschließlich ein Ort in Griechenland war. Nun findet der 35te Stadtmarathon von Leipzig statt. Für mich ist es der 125te Marathon, für Jürgen Kuhlmeyer der 400te.

Es sind einige hartgesottenen Burschen im Läuferfeld und ich verbringe meine Zeit damit, Musik mit den Bands zu machen oder mit den Einheimischen ein kühles Radeberger am Kiosk zu trinken. Leipzig ist ruhig, ich auch. Und nett, ich auch. Ich bin gerne hier  und genieße die  Zeit links und rechts der Laufstrecke.

Nehmt aber bitte diesen  Bericht für die nächsten Läufe in Leipzig gegen das Vergessen. Und noch etwas gebe  ich Euch mit auf die Laufstrecke:  Zeit heilt Wunden - aus Napoleon ist ja schließlich auch noch ein guter Cognac geworden.

Marathonsieger

Männer

1 Stiller, Jakob (GER) MHK SC DHfK 02:27:59
2 Potots'kyy, Anton (UKR) MHK   02:28:08
3 Salii, Maksym (UKR) MHK SG Spergau 02:28:29

Frauen

1 Södermark, Frida (SWE) W30 GoIF Tjalve Norrköping 02:51:33
2 Schipp, Carina (GER) W30 SC DHfK Leipzig e.V. 02:56:09
3 Naumann, Annett (GER) W35 RLSG Leisnig 03:25:43

687 Finisher

12
 
 

Informationen: Leipzig Marathon
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