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Laufberichte

Skandal im Königsforst!

28.03.09

Verhältnismäßig spät steige in diesem Jahr wieder in den Marathon-Zirkus ein.

Die Arbeit und vor allem der rheinische Fastelovend (Karneval) hatten mich in den letzten Wochen schwer im Griff. Genau betrachtet hatte auch das etwas von Marathon an sich, nur reicht das leider nicht für einen Eintrag in die Ergebnisliste. Obwohl – so etwas wie Medaillen gab’s da auch, nämlich dekorative Orden, allerdings doch eher für die Strapazierung der Lachmuskeln und zahlreiche selbstlose Einsätze an diversen Theken. Also werden die Schuhe geschnürt, der Gedanke an die viel zu wenigen langen Läufe tapfer verdrängt und der kaum eine Stunde von zuhause entfernte Königsforst ostwärts von Köln angesteuert, den ich über die eigene Autobahnabfahrt der A4 auch schnell finde.

Dort angekommen muß ich feststellen, daß man mich nach gut dreimonatiger Marathonabstinenz wohl schon abgeschrieben hatte. Denn irgendetwas ist anders als im letzten Jahr. Ein Blick auf die Teilnehmerliste zeigt es: sie ist fehlerhaft. Zumindest in Bezug auf meinen Namen. Ihm ist nämlich die falsche Altersklasse zugeordnet. So etwas ärgert mich besonders, denn ich möchte hinterher schon gerne eine korrekte Platzierung auf der Urkunde stehen haben. Also hin zum Veranstalter und den in den Senkel gestellt. Ich zeige meinen Ausweis, sie gleichen ihn mit der Anmeldung ab, machen eine Gesichtskontrolle und weisen mich ab.

Was soll das denn jetzt? Ich mache Rabatz. M 50 sei richtig, sagen sie. Aber das ist doch die Klasse der alten Männer, versuche ich einzuwenden, mit denen hätte ich schließlich nichts zu tun. Noch nie gehabt. Was werden die denn sagen, wenn ein fast noch jugendlicher Läufer deren Ergebnisliste verfälscht? Sie lassen sich nicht erweichen und erklären das für regelkonform. Im Übrigen sollte ich mich mal mit meinem Geburtsdatum auseinandersetzen und ein Blick in den Spiegel würde auch nicht schaden. Ich ziehe unter Protest ab und erwäge den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Im Augenblick will ich den Streß aber nicht weiterführen und starte halt ausnahmsweise bei den alten Säcken. Was juckt’s mich, wenn meine Frau behauptet, ich hätte im Sommer einen runden Geburtstag zu feiern...

Diese Szene ist natürlich frei erfunden! Spaß beiseite, kommen wir zu etwas anderem, nämlich dem Laufgebiet: Der Königsforst ist ein Waldgebiet zwischen den Städten Köln, Bergisch Gladbach und Rösrath und bietet mit rund 3.000 ha Fläche genügend Raum, sich läuferisch auszutoben. Hier findet zum mittlerweile 35. Mal der Marathonlauf statt, der damit ein echter Klassiker ist. Das beweist er auch direkt mit der sicher nicht für alle zu schaffenden Sollzeit von fünf Stunden. Es soll ja mal Zeiten gegeben haben, wo die Masse der Läufer unter vier Stunden geblieben ist.

Die Strecke von 21,1 km kann ein- oder zweimal durchlaufen werden, aber auch 10 und 5 km sowie Jugendläufe werden angeboten. Die Ausschreibung verspricht uns von einigen geringfügigen Steigungen abgesehen nur absolut windgeschützte superschnelle Gefällstrecken über Asphalt und feste Fahrwege. Da kann, wer will und dazu in der Lage ist, den Turbo auspacken. Gespannt bin ich auf den höchsten Punkt Kölns, den sog. Monte Troodelhöh. Dieser ragt schwindelerregende drei Meter höher als die höchste Erhebung der Bundeshauptstadt Berlin, der Große Müggelberg, in den rheinischen Himmel und ist eine der bekanntesten Erhebungen in Nordrhein-Westfalen. Ob es auch mir gelingen wird, ein Gipfelfoto zu schießen?

Ich fahre mit Jochen Thiel, dem Ultraläufer aus dem Wiedtal, zum Königsforst und finde unweit des Geschehens auch direkt einen Parkplatz. Und, ach – ich liebe es, man trifft sofort Bekannte: „Guten Tag, Herr Butz!“ – „Wolfgang, Du auch hier?“ Unser m4y-Trainingsexperte ist mit einer  kleinen Gruppe vor Ort und peilt selber eine 3:30 an. „Morgen lese ich Deinen Boston-Bericht in Vorbereitung auf meine eigene Teilnahme in vier Wochen!“. Ich beneide ihn, Boston ist die Wucht in Tüten.

Im Zielbereich hören wir direkt den Sprecher Jochen Baumhof, der den Zieleinlauf kommentiert und meinen Freund Josef Hoß persönlich begrüßt. Sie sind Laufkameraden seit den 70er Jahren, das hat schon etwas Besonderes. Helmut Urbach, das Ultralauf-Urgestein aus Porz ist auch in der Orga und grinst in meine Linse. Dirk Pretorius, ein Mitläufer vom Rheinsteig-Erlebnislauf (startet wieder am Freitag – www.laufend-helfen.de!), erkennt mich und erzählt, daß seine Gruppe für Biel trainiert. Sein Kollege war schon dreizehn (13) mal dabei und erfolgreich. Mehr als 50-60 km die Woche läuft er dafür nicht und in mir beginnt es zu diesem Thema nicht das erste Mal zu arbeiten.

In der Umkleidehalle stoße ich auf meine Lauftreffler vom VfL Waldbreitbach. Die meisten haben noch nie einen Halbmarathon absolviert und nehmen am sog. „Halbmarathon light“ teil, um ohne Zeitnahme abseits jeden Stresses, aber auch abseits bekannter Trainingsstrecken quasi unter Wettkampfbedingungen erste Erfahrungen auf der Langstrecke zu gewinnen. Sie planen einen Gruppenlauf, bleiben also die komplette Strecke zusammen. Bei Udo Lohrengel kaufe ich schnell noch 3 Gels, die ich heute wohl brauchen werde und Jochen meldet sich nach. Ich habe, wie alle Voranmelder über die längeren Distanzen, die Startnummer nach Hause geschickt bekommen, das habe ich noch nie erlebt. Ein super Service, der es erlaubt, ggf. auf den letzten Drücker zu anzureisen.  Ein letzter Gang in den beheizten (!) Toilettenwagen, noch den Start der 5 km-Läufer miterlebt und schon geht es los.

Mit den Halbmarathonis gehen doch an die tausend Läuferinnen und Läufer auf die Strecke   und vermitteln das Gefühl einer größeren Veranstaltung. Erst ein wenig Asphalt, dann eine Unterführung, autsch! Ich knicke mit dem linken Fuß im Dunkeln voll um und habe Riesenglück, daß nichts passiert ist. Puh, echt Schwein gehabt. Tja, und dann hat der Wald uns verschluckt und für die nächsten Stunden sind viele ellenlange, teilweise schnurgerade Waldwege zu absolvieren. Streckenmäßig bietet der Königsforst-Marathon daher keine Gefahr, den Läufer durch Überflutung mit Sinnesreizen aufzuwühlen und dadurch einen Schaden zuzufügen...

Die ersten 5 km sind einzeln ausgeschildert, km 5 ist nach 28:55 min absolviert, damit bin ich ziemlich genau im 4-Stunden-Plan. Danach stehen bzw. hängen die Schilder nur noch alle 5 km. Gut, daß ich das in Klaus Kleins vorjährigem Bericht gelesen habe, so überwache ich meine Geschwindigkeit mit meiner Polar RS 400 und bin über mein Tempo „laufend“ im Bilde. Denn ein zu schnelles Laufen werde ich mir heute nicht leisten können.

Etwa alle 5 km befinden sich Verpflegungsstationen, die auf der ersten Runde Wasser und zumindest optisch wenig vertrauenerweckendes Iso bieten. Letzteres sieht aber deutlich übler aus als es wirkt... Auf der zweiten Runde werden zusätzlich Äpfel, Bananen und Riegel gereicht. Bei etwa km 6 merke ich, wie der Sauerstoffgehalt der Luft deutlich nachläßt, denke mir aber vorerst nicht viel dabei. Denn das müssen wohl die vielen Halbmarathonis sein, die mir alles wegatmen. Wenig später treffe ich auf Klaus Berthold, der mit Andreas Butz gekommen ist und laufe etliche km mit ihm zusammen. Er hat schon viele alpine Marathons absolviert, mußte im letzten Jahr aber berufsbedingt wesentlich kürzer treten und macht heute seinen ersten Langen über 21,1 km als Trainingslauf. Schön, daß ich mit ihm einen zum Quatschen getroffen habe, denn ansonsten herrscht um uns herum das Schweigen im Walde. Wahrscheinlich liegt das daran, daß wir uns im Pulk der 2-Stunden-Halbmarathonis befinden, viele davon am Anschlag laufen und sich ihre Kräfte gut einteilen müssen. Einen so ruhigen, also lautlosen Lauf habe ich selten erlebt. Normalerweise ist alles am Schnattern. Na gut, ich habe ja „meinen“ Klaus.

Km 10 ist nach 57:11 min erreicht. Die Strecke besteht, wie ausgeschrieben, aus überwiegend festen Waldwegen, dennoch sehen wir schon nach kurzer Zeit unten herum aus wie Sau... Gut, daß ich mit meinen asics Trabuco-Trailschuhen die richtige Wahl getroffen habe. Klaus verabschiedet sich bei km 18 von mir und läßt sich etwas zurückfallen, denn er möchte bei seinem Trainingsstand nicht überziehen. Vernünftig für ihn, bedauerlich für mich, denn das war es jetzt mit Unterhaltung gewesen. Auf der Begegnungsstrecke klatschen wir uns noch einmal ab.

Nach knapp zwei Stunden und 21 km heißt es im  Ziel: „Halbmarathon links, Marathon rechts!“. Die linke Spur ist voll, die rechte einsam und so wird es leider auch bleiben. Es muß einfach mal gesagt werden: ab jetzt war tote Hose, aber so was von tot. Schade, daß sich die nur knapp 200 Marathonis derart auf der Strecke verteilt haben, einige mehr wären der wirklich guten Organisation angemessen gewesen. So wird es für mich in der zweiten Runde ein einsamer, harter Kampf, und zwar körperlich wie mental. Die Geschwindigkeit ist zwar in Ordnung, km 25 kommt bei 2:22:06 Std. Aber ich muß mich doch erheblich mehr anstrengen, die wenigen langen Läufe im Vorfeld, davon nur zwei über 30 km, zeigen mir deutlich meine derzeitigen Grenzen auf.

Bei etwa km 26 wird die Luft wieder dünn, was soll denn das? Da geht mir ein Kronleuchter auf! Na klar, ich befinde mich im Hochgebirge! Sehe ich da rechts und links nicht noch Schneereste? Logo, der Gipfelstürmer hat zum zweiten Mal den Monte Troodelhöh genommen, mit sagenhaften 118,04 m ü. NN der höchste Punkt Kölns, Schade, daß kein Gipfelbuch ausliegt. Aber zumindest den Gipfelstein habe ich gesehen und auch fotografiert. Wie übrigens auch den Gedenkstein an den ehemaligen Bahnhof Forsbach im Königsforst.

Km 30 passiere ich zwar nach 2:49:50 Std., aber der Wolli beginnt notgedrungen zu beißen. Nach drei Stunden geschieht dann das scheinbar doch Unvermeidliche: bis hierher war es überraschenderweise trocken geblieben und teilweise hatte sich sogar kurz die Sonne gezeigt, aber jetzt beginnt es für rund 20 Minuten zu regnen, und der scharfe, eiskalte Wind treibt mir das Wasser entgegen, ekelhaft. Prompt beginnt das Teufelchen mit mir zu sprechen: „Was machst Du Dich verrückt? Trabe langsam aus, Hauptsache, Du kommst an!“ Aber das Engelchen entgegnet: „Höre nicht auf den, Du willst unter 4 Stunden bleiben, also reiße Dich zusammen, hinterher ärgerst Du Dich über Dich selber!“ Ich höre auf das Engelchen.

Auch eine Zeitnahme erfolgt bei km 30. „Startnummer 4019, wohlauf und gesund!“ melde ich vorschriftsmäßig und übertreibe dabei gewaltig. „Du bist Nr. 126“, kommt es zurück. Na bravo, nicht mal für die erste Hälfte reicht es. Shit equal, sage ich mir, das kommt schon noch in den nächsten Wochen und Monaten. 3:17:02 Std. bei km 35, damit könnte es noch reichen mit den vier Stunden. Jawoll, es gelingt mir, den ersten vor mir Laufenden zu kassieren.  Na also, das baut doch auf. Und den zweiten. Und den dritten. „Laufen-in-Koeln.de“ überhole ich auch. Moment mal. „Bist Du der Detlev?“, frage ich. Detlev betreibt eine für unsere Region sehr interessante Lauf-Webseite. „Ja“, kommt es gequält zurück. Na also, da leiden noch mehr Leute. Bedauerlich für sie, aber gut für mein Durchhaltevermögen. Ich denke, daß auch die bei km 25, 30 und 35 genommenen Gels zu etwas gut sind. Ob nun Placebo-Effekt oder nicht, wo die gefühlte zusätzliche Kraft tatsächlich herkommt, ist letztlich egal. Hauptsache, daß.

Mann, bin ich trissnaß. Nach km 35 laufe ich in Gedanken die 7 km-Standard-Strecke meiner Frau durch den Eckwinkel ab und rette mich so über die letzten 7 km, die noch durch die eine oder andere kleinere, aber unangenehme Steigung versüßt werden. Nach 3:58:41 harten Std. bin ich als 113. endlich im Ziel und registriere, daß mich außer der Zeitmeßanlage keiner registriert. Auch egal. Ich verpflege mich noch ausgiebig und schäkere etwas mit den beiden netten Mädels am Stand.

Ja, was habe ich gelernt? Jeder, wirklich jeder Marathon muß immer wieder neu hart erarbeitet werden, dreieinhalb marathonfreie Monate scheinen bei mir doch etwas die Sicht auf die eigene Leistungsfähigkeit verklärt zu haben. Und: Km-Umfänge im Training sind das eine, lange Läufe das andere. Also lieber seltener, dafür aber weiter laufen. Natürlich sind das eigentlich Binsenweisheiten, aber es ist doch gut, wenn man ab und zu mal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.

Streckenbeschreibung:
Leicht profilierter, zwei mal zu durchlaufender Rundkurs, überwiegend auf festen, witterungsbedingt aber leicht matschigen Waldwegen, wenig Pflaster und Asphalt

Startgeld:
25 €, keine Nachmeldegebühr. Dies hatte aber den Nachteil, daß viele eben nicht vorangemeldet haben und aufgrund der hohen Nachmelderzahl die Zeitmessfirma bis Sonntagabend jede Menge Streß hatte und im Laufe der Zeit immer wieder neue Ergebnislisten veröffentlicht wurden.

Teilnehmerlimit:
Keines, Strecke und Organisation vertragen hohe Teilnehmerzahlen

Zeitnahme:
Bib-Chip (Transponder in der Startnummer). Startnummer wird postalisch zugestellt!

Weitere Laufveranstaltungen:
Halbmarathon, Halbmarathon light (ohne Zeitnahme und Urkunde), 10 km, 5 km, Schülerläufe über 2 und 1 km

Auszeichnung:
Urkundenausdruck über das Internet („Rohling“ wird mit der Startnummer zugesandt)

Logistik:
In einer Halle der Bundesanstalt für Straßenwesen, Duschen außerhalb (Bus-Shuttlesevice)

Verpflegung:
4 Verpflegungsstellen, ab der zweiten Runde deutlich aufgebessert

Zuschauer:
Einige Fans im Start-/Zielbereich, sonst ziemlich tote Hose

 

Informationen: Königsforst-Marathon
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