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Laufberichte

Eine Brücke verbindet

 

In diesem Fall sind es sogar zwei Brücken, die die größte Insel Deutschlands mit dem Festland verbinden. Kurz nach der Eröffnung der Rügenbrücke 2007 wurde der Marathon mit Erfolg etabliert. So haben Läufer und Zuschauer die Möglickeit, das Flair der neuen Brücke zu genießen, die eigentlich nur für den Autoverkehr freigegeben ist. Die Teilnehmerzahl ist bis heute auf über 3.500 Teilnehmer angewachsen. Dieses Jahr möchte auch ich dabei sein und nutze die Veranstaltung zu einem kleinen Familienurlaub. Zudem bietet sich mir dadurch endlich die Möglichkeit, die Welterbestadt Stralsund näher kennen zu lernen. Leider wurde wegen der vielen Baustellen in diesem Jahr die Altstadt von Stralsund aus der Streckenführung herausgenommen.

Also muss die Stadtbesichtigung vorgezogen werden. Dazu nutze ich die Abholung der Startunterlagen am Vortag. Zu bekommen sind diese direkt neben dem Ozeaneum. Für Marathonschalter gibt es praktisch keine Wartezeit, denn wie bei vielen Marathonveranstaltungen ist das Feld der Marathonis recht übersichtlich. Hier in Stralsund werden letztendlich 136 ins Ziel kommen. Schade.

 

 

Die trüben Gedanken verfliegen beim anschließenden Bummel mit der Familie durch die Stadt. Die Eindrücke sind deutlich intensiver, als wenn ich beim Marathon nur vorbeigelaufen wäre. Am meisten beeindruckt dabei die Nikolaikirche. Erbaut 1276 hat sie auch nach der Reformation ihre bunte Ausschmückung behalten. Die Heilgeistkirche glänzt von außen. Die Blätter des wilden Weines an der Vorderseite strahlen in rot und gelb. Nur das regnerische Wetter drückt aufs Gemüt. Gedanklich bin ich schon am Start. Trotz gegenteiliger Voraussagen hoffe ich noch auf einen bewölkten, aber trockenen Himmel. Früh geht es ins Bett, damit eine schlechte Laufzeit nicht mit Übermüdung erklärt werden muss. Zudem müßen wir aus unserem Urlaubsort Prora auf Rügen trotz des Starts um 9.30 Uhr frühzeitig anreisen.

Am frühen Samstagmorgen sind die Straßen noch leer, was eine entspannte Anfahrt ermöglicht. Auf der Fahrt gibt es nur vereinzelt Schauer. Wir verweilen im Ozeaneum, denn es ist kühl und in den Startbereich werden wir erst kurz vor dem Startschuß gelassen. Die Nervosität treibt mich schon vorher nach draußen. Ja, die gibt es auch noch, auch nach zahlreichen Marathonläufen.   Angesprochen werde ich von Gaston und Martina - aufgrund meiner Dienstkleidung natürlich.

 

 

Dann können wir uns zum Start begeben. Die Teilnehmer/innen lassen sich nicht lange bitten. Kurz bevor es losgeht, schunkeln wir zum Mecklenburg-Vorpommer Lied. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, aber der Himmel beginnt zu weinen. Ob vor Freude, mag ich nicht beurteilen. Jedenfalls bin ich kurz darauf auf der regennassen Strecke. Das Fotografieren fällt von Anfang an schwer, ich muss dauernd die Linse reinigen. Gut, daß Silke wieder mit weiteren Impressionen aushilft.

Ich umkurve derweil das Ozeaneum, um mich anschließend auf dem Weg durch den Hafen dem Namensgeber dieses Marathons zu nähern. In den regengrauen Wolken ist die Rügenbrücke linkerhand kaum auszumachen. Dafür heben sich die Wasserlachen deutlich auf dem grauen Asphalt ab. Blöd, wenn man sich schon zu Beginn des Laufes nasse Füße holt. Dann ist die Brücke deutlich zu sehen, allerdings vorerst von unten. Dann wenden wir nach links und die elegant geschwungene Auffahrt zur Brücke über den Strelasund ist jetzt erkennbar. Einen knappen Kilometer später nutzen wir sie, um in Richtung Rügen zu laufen.

 

 

Über 3 Kilometer folgen wir der Brücke und dem Damm zur Insel, wobei wir den Höhepunkt der heutigen Strecke bereits nach dem ersten Drittel dieses Streckenabschnitts überwunden haben werden. Hier tauchen auch die mächtigen Streben aus dem Nebel auf. Auch wenn mir Sonnenschein lieber gewesen wäre, dieser Anblick hat auch seinen Charme. Gemessen an der Gesamtstrecke ist dieser Abschnitt sehr kurz. Der Scheitelpunkt der Brücke ist schnell erreicht. Der Blick nach rechts unten fällt auf den alten Rügendamm. Gegen 10 Uhr reihen sich die Scheinwerfer der Autos aus Richtung Rügen bereits endlos aneinander und man ahnt, warum die zweite Brücke notwendig wurde.

 

 

Mein Tempo ist noch flüssig, zu Gaston und Martina kann ich trotz der Fotostops immer wieder aufschließen. Unter 4 Stunden wollen sie heute ins Ziel kommen. Dem schließe ich mich gern an. Gemeinsam verlassen wir am Ende des Dammes die neue Autostrecke. Für uns geht es in eine Schleife erst noch mal am Damm in Richtung Stralsund, bevor  wir auf die  Insel Rügen zulaufen. 7 Kilometer liegen bereits hinter uns. Das Schild auf der Gegenseite weist KM 38 aus.

Ich freue mich, den größten Teil des heutigen Laufes auf Deutschlands beliebter Ferieninsel zu verbringen, denn ich habe sie in der letzten Woche sehr zu schätzen gelernt. Die Strecke führt jetzt nach Westen. Die Feuerwehr und das THW haben die erste Verpflegungsstelle aufgebaut. Wasser brauche ich noch nicht, das bekomme ich von oben. Kurz darauf endet der Radweg. Ab geht’s nach links in Richtung Altefähr. Die Straße ist gepflastert, wie es in den in den alten Städten im Osten noch häufig vorkommt. Das Laufen auf dem Gehweg fällt mir deutlich leichter.

Ich erreiche Altefähr. Hier begann vor dem Bau des Rügen Dammes 1936 die Bahnstrecke auf Rügen, nachdem die Gäste mit dem Schiff über den Strelasund gesetzt hatten. Die Bebauung ist typisch norddeutsch. Mehrere Häuser mit Reetdächern säumen die Straße. Bevor ich zu einer ersten Schleife durchs Inland abbiege, grüßt links die örtliche Nikolaikirche. Ob die Innenausstattung auch so üppig ist, wie beim Namensvetter in Stralsund, kann ich heute leider nicht prüfen. Dafür fehlt die Zeit. Nur für die braune Brause zwischendurch reicht es, um anschließend mit neuer Energie wieder zu Gaston und Martina aufzuschließen.

Die Pfützen werden immer größer und markieren die Schlaglöcher, was durchaus was Positives hat. Wenn ich mal nicht so aufmerksam sein muss, plausche ich mit Gaston und Martina. Sie erzählen mir vom Mauerweglauf, der mich auch reizen würde. Alleine die 100 Meilen schrecken mich noch ab. Vorerst jedenfalls, denn irgendwann konnte ich mir auch nicht vorstellen, einmal den lengen Kanten beim Rennsteig zu laufen oder die 100 KM in Biel. 

Nach etwa 10,5 KM biege ich nach rechts ab. Dieses Teilstück ist eine 2 km lange Begegnungsstrecke. Hier gilt es, seine Position zu bestimmen, die Schnellsten sind ja schon durch. Der Regen läßt jetzt nach und die Windräder zeigen es an, dass kein Lüftchen geht. Das bedeutet auch, dass uns die Wolken bleiben und es eine weitere Wetterbesserung kaum geben wird. Weiter die Strecke im Auge behalten. Linkskurve, Wendepunkt, Rechtskurve. Das Ende des Begegnungsstückes ist erreceicht, von links kommen immer noch Läufer. Weiter geht es auf nassem Asphalt in Richtung Süden, zurück nach Altefähr. Platsch, die nächste Pfütze übersehen.

 

 

Vorbei an einer neuen Ferienhaussiedlung wird die Küste erreicht. Fast 10 KM ist die folgende Pendelstrecke lang. Hier werde ich auf jeden Fall die Schnellsten vor die Linse bekommen. Doch das dauert noch. Auf Feldwegen laufe ich an der Küste entlang nach Norden. Rechts freies Feld mit weitem Blick. Nur vom Wasser links bekomme ich kaum etwas zu sehen. Fast durchgängig säumt eine bunte, dichte Baumreihe den Weg. Auf diesem Abschnitt laufe ich zusammen mit Lutz. Er ist hier Wiederholungstäter und berichtet mir, daß die Strecke früher direkt durchs historische Rathaus verlief. Da werde ich gleich etwas neidisch, denn nach der gestrigen Besichtigung weiß ich, was mir da entgeht.

Ansonsten läuft es heute gut bei mir. Ich habe das Gefühl, gleichmäßig unterwegs zu sein und kann mit einer Durchgangszeit von 1:55 Stunden durchaus mal wieder die 4 Stunden-Marke knacken. Mittlerweile geht es wieder ins Innere der Insel. Bei KM 23 kommen mir die ersten Läufer entgegen, die hier bereits 29 KM hinter sich haben. Oder sollte ich sagen erst? So groß ist der Vorsprung heute nicht und bis zum Wendepunkt sind es auch nur noch schlappe 3 KM.

Gemeinsam mit Lutz erreiche ich Rambin. Der Regen hat doch noch aufgehört. Der Wendepunkt kommt in Sicht und liegt auch gleich schon hinter mir. Leider auch Lutz, der nicht mehr folgen kann. Dafür komme ich mit Alex ins Gespräch. Auch er will die 4 Stunden. Gemeinsam nehmen wir die nächsten Kilometer unter die Füße. Erst als er meint, wir wären etwas langsamer geworden, bekomme ich Zweifel und trete etwa bei KM 30 die Flucht nach vorne an. Vor uns sind kaum Marathonis auszumachen, aber ich schaffe es trotzdem, einige einzusammeln. Einen Blick nach hinten verkneife ich mir, genauso wie einen Blick auf die Uhr. Nur nicht verrückt machen lassen, nur einfach durchlaufen. Lediglich an den Verpflegungsstellen weiter mit Tee und Cola stärken. Die freundlichen Helfer sollen sich nicht umsonst mühen. Gerade bei einem Wetter wie heute will ich nicht mit ihnen tauschen.

Das wellige Streckenprofil an der Küste macht mir zu schaffen. Freie Blicke nach Süden eröffen den Blick auf die Skyline Stralsunds mit dem Hafen und dem Ziel. Das setzt neue Kräfte frei. Selbst die kleinen bissigen Steigungen laufe ich noch hoch.

KM 36, zurück in Altefähr. Verpflegung mit Cola, um die letzten notwendigen Kräfte zu mobilisieren. Trotzdem werde ich jetzt überholt. Aber was macht das schon. Gedanken mache ich mir erst, als die Läuferin dann vor mir stürzt. So ein Pech, Alteführ liegt bereits hinter uns. Hier ist der Weg aber auch wirklich etwas rutschig. Zum Glück, sie hat keine Verletzung und sofort geht es weiter. Nur nicht für mich. Ein Schnürsenkel hat sich gelöst. Die Oberschenkel brennen, als ich in die Knie gehe. Das Binden der nassen Schnüre mit klammen Fingern braucht auch seine Zeit. Weitere Läufer kommen vorbei. Nur nicht aufschauen, die bekomme ich schon wieder. Weiter geht’s.

KM 38, einbiegen auf den alten Rügendamm. Eine Steigung wie bei der neuen Rügenbrücke brauche ich nicht mehr zu fürchten. Der Damm ist fast eben, die alte Hebebrücke hat keine Steigungen. In der Ferne eine leuchtend rotes T-Shirt und rote Socken, hat Alex mich überholt? Freut mich für ihn, denn dann wird er den Lauf sicher unter 4 Stunden beenden. Ich versuche noch einmal aufzuschließen, aber ich komme ihm nicht näher, aber der Rückstand wird auch nicht größer.

 

 

Die letzte Getränkestation spare ich mir, nur kein zeitliches Risiko eingehen. Schon biege ich in Richtung Hafen ab. KM 41, ein Blick auf die Uhr zeigt 3:53 Stunden, da werde ich es heute wohl schaffen. Nur nicht nachlassen. Nur noch eine kleine Rechts-Links-Kombination und ab geht es über die Hafenbrücke in Richtung Ziel. Die Zuschauer mit Silke und Nikita feuern mich an. Ich reiße die Arme hoch und überquere die Ziellinie. 4:00:17 Stunden! Auch mit der Nettozeit habe ich die angestrebte Schallmauer knapp verfehlt. Schade. Zur Entschädigung bekomme ich ein Foto mit Alex, dem ich zu seiner neuen Bestzeit sub 4 gratulieren darf. Der Himmel beginnt wieder mit uns zu weinen, aus welchem Grund auch immer.

Mir bleibt die Erkenntnis, daß ich wieder schneller laufen kann und trotz widriger Umstände einen alles in allem schönen Marathon erlebt habe.

 


Ergebnisse:

Marathon

Männer:

1. Martin Schütt, 2:58:41
2. Daniel Friebel, 2:59:46
3. Daniel Reich, 3:01:53

Frauen:

1. Sandra Petersohn, 3:12:54
2. Luise Westphal, 3:22:14
3. Christiane Wermann, 3:25:54


Streckenbeschreibung:
Kurs über eine Runde.

Zeitnahme:
elektronisch über Einmalchip am Schuh

Weitere Veranstaltungen:
Halmarathon, 12 und 6 Kilometer jeweils zum laufen oder walken, 2 KM-Kinderlauf

Startgeld:
Marathon: 25 - 30 – 35 €, je nach Anmeldezeitpunkt

Auszeichnungen:
Medaille, Urkunde vor Ort und im Internet

Verpflegung:
Ab KM 10 alle 5 Kilometer mit Tee, Iso, Cola, Wasser sowie Obst und Müsliriegel.

Zuschauer:
An der Strecke kaum, viele im Ziel

 

 

 

Informationen: Rügenbrücken Marathon
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