marathon4you.de

 

Laufberichte

BirthesBeiBoot auf Marathonkurs

01.06.08

Nach dem Marathon ist vor dem Marathon!

Die Idee

Als Ende April klar war, dass unsere Marathon-Debütantin Birthe aufgrund einer fiesen Erkältung nicht mit Katja und mir in Hamburg würde starten können, waren wir nur kurz traurig. Ein Plan B musste her – und der war schnell gefunden: Der Kassel-Marathon. 


Alle drei hatten wir im letzten Jahr beim Halbmarathon in Kassel viel Spaß und als Birthe uns fragte, ob wir nicht nur als Zuschauer, sondern als Staffelläufer dort auflaufen wollten, stand der Plan BBB – BirthesBeiBoot. Wir werden nicht nur einfach eine Staffel laufen und unsere Debütantin vermutlich überholen, sondern geben ihr mit der Staffel Begleitschutz. BirthesBeiBoot bestehend aus 4 Matrosen wurde ins Leben gerufen, um unsere Kapitänin auch bei starkem Seegang oder Südseetemperaturen sicher ins 42,195 Kilometer entfernte Ziel zu schleusen.

Der Start

Puuh. Die Sonne kommt heraus. Schon bald werden es 28 Grad. Jetzt weiß ich endlich, was mit Vorstartfieber gemeint ist. Noch bevor sich das Läuferfeld mit etwa 6500 Startern in Bewegung setzt, sind bereits einige am Glühen. 


Es ist wuselig, einige reden aufgeregt, andere sind ganz still und auf sich konzentriert. Das Wetter und die Hitze sind immer wieder Thema einiger Gesprächsfetzen, die ich mitbekomme. Birthe steht fröhlich und kribbelig ihrem ersten Marathonstart gegenüber. Die Angst der letzen Tage ist gewichen. Wir stehen im Startblock 3. Hier sind die etwas langsameren und die Staffelläufer. Die Routinierten sind in den vorderen Startblöcken, daher gibt es hier einiges an Aufregung zu spüren. Irgendwo da ganz weit vorne ist wohl ein Startschuss gefallen. Es geht los! Birthe grinst etwas verrückt – sehr gut! Es dauert ungefähr sieben Minuten bis wir die Startlinie erreichen.

Die ersten 10,5 Kilometer

Ich werde den ersten und den letzten Teil unserer BirthesBeiBoot-Staffel laufen (leider ist Matrose Marita wegen Krankheit ausgefallen). Zunächst gilt es, die Aufregung nicht in Tempo umzusetzen. Birthe muss ein wenig gebremst werden. Wir laufen durch Waldau, viele Zuschauer brüllen euphorisch, haben Tröten und Ratschen dabei und motivieren sichtlich das gut gelaunte Läuferfeld. Immer wieder ist ein „Ahoi“ zu hören, mein Matrosen-Outfit sorgt für Belustigung. Ich wundere mich über die vielen Menschen am Rand und kann mich gar nicht daran erinnern, dass die Stimmung auch im letzten Jahr schon auf den ersten Kilometern so gut war. Genießerisch laufen wir weiter. Birthe wiehert, manchmal denkt sie halt, sie sei ein Rennpferd… Wir sind so etwa bei Kilometer 5 als die ersten Duschen eine ersehnte Abkühlung bieten. Dann kommt eine Weile lang ziemliche Tristesse. Hier ist Kassel nicht gerade die hübscheste Stadt. Weniger Zaungäste, aber dafür ausgesprochen engagierte, bringen dennoch Farbe ins Grau. Eine alte Frau sitzt mit einem Kochtopf bewaffnet am Straßenrand und gibt alles, Kinder haben irgendwelche Trommeln im Arm und donnern unentwegt darauf herum, ein hübsch gebügelter Spielmannszug trällert ein Lied, nicht wirklich schön, aber bewegend. Wir lachen viel. 


Wir kommen so langsam an den ersten Staffelwechsel. Och schade, denke ich, würde gerne noch ein wenig weiterlaufen. Allerdings bin ich furchtbar durstig. Vor lauter Spaß und Birthe-Versorgung und habe ich selbst fast vergessen, genug zu trinken.

Die zweiten 10,5 Kilometer

Claudia steht am Ende des Staffelwechsels, übernimmt mein rotes Bändchen und geleitet unsere Kapitänin weiter auf der Marathonstrecke. „Birthe hat `nen 6:30er Schnitt. Viel Spaß noch.“, rufe ich ihr zu und schaue erstmal nach einer Wasserstelle. Hier deutet sich schon jetzt an, was leider auf die letzten Staffelläufer zukommen wird: es gibt in der Mombachstraße zu wenig zu trinken. Die Helfer schauen etwas hilflos. Offensichtlich hat man nicht daran gedacht, dass sowohl die gerade einlaufenden Staffelläufer als auch diejenigen, die noch auf ihren Start warten, bei diesen Temperaturen jede Menge Wasser brauchen. Als die letzten Staffelläufer hier ankommen, ist der Wasserstand schon seit etwa einer halben Stunde abgebaut. 


Während ich hier warte, wird es zunächst deutlich langsamer und dann sogar fast leer auf der Strecke und leise unter den Zuschauern. Plötzlich kommen schicke Motorräder, schwarze Autos und schnelle Kenianer-Beine. Die noch wartenden Staffelläufer und die wenigen Zuschauer, die es in die Mombachstraße verschlagen hat, werden wieder wach. Es wird angefeuert und bewundert. Noch wacher und bewundernder werden sie allerdings als der letzte Läufer sich über den Anstieg schleppt. Powerwalker Harald Genauck, Altersklasse M80, sicherlich mit `ner Menge Lauferfahrung, kommt lächelnd an uns vorbei und erntet neben dem Applaus viele respektvolle Blicke. Er wird seine Halbmarathon-Walkingstrecke mit 3 Stunden und 35 Minuten erfolgreich beenden und damit Erster in seiner Altersklasse werden.

Birthe und ihr zweiter BeiBoot-Matrose Claudia laufen zu dieser Zeit unaufhaltsam weiter. Ausgerüstet mit Riegeln und Gelchips wird Birthe gefüttert und zwischen den zahlreichen Duschen zusätzlich mit einer Wasserpistole bespritzt. Beide genießen die vielen Bands an der Strecke, vor allem die Trommler, die einem Beine machen. Es ist der schönere Teil der Strecke. Vorbei geht es an zahlreichen Kneipen und Eisdielen, dann durch die Einkaufsmeile und hinunter zur Fuldaaue. Birthe freut sich hier schon auf die zweite Runde und kann sich richtig schön vorstellen, durch diese Party ins Ziel getragen zu werden. An ihnen vorbei laufen die Kenianer. Für sie ist der Marathon schon vorbei. Auch Claudia muss aufhören – der Staffelwechsel ist ihre Zielgerade. Nur Birthe darf noch ein bisschen bewegt werden…

Der dritte Teil

Der zweite Staffelwechsel befindet sich in Zielnähe. Die schnelle Katja von der Marine zieht BirthesBeiBoot weiter. Die Strecke, die vor etwa zwei Stunden noch voller Menschen war, hat sich deutlich ausgedünnt. Die Halbmarathonläufer sind im Ziel, auch Walker sieht man nicht mehr. Einige Staffelläufer sind noch unterwegs, die etwas langsameren halt. Und sonst: Nur noch Marathonläufer – und die sind nicht so zahlreich wie man denkt. Nur ungefähr 650 laufen die vollen 42,195 Kilometer und viele davon sind irgendwo da vorne, wo man sie gar nicht mehr sehen kann. Dabei liegt Birthe wunderbar in der Zeit: So ungefähr 6,5 Minuten pro Kilometer. Schön locker, damit nichts weh tut und kein unnötiger Stress aufkommt. Schließlich ist es ihr erster Marathon! Nur Ankommen zählt – und das bitte mit einem Lächeln auf dem Gesicht.


Informationen: Kassel Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Sie wird ankommen! Katja ist ganz sicher, auch als Birthe so ab Kilometer 25 über verkrampfte Waden klagt. Aber Birthe klagt nicht viel. Ist ja auch Quatsch. Ein Marathon ist schließlich kein Kindergeburtstag! Trinken, Essen, Duschen, nicht jammern, nein, und boh: tatsächlich sitzt an der tristesten Stelle Kassels noch immer die hartnäckig auf ihrem Kochtopf herumdonnernde alte Dame. Super! Oder sitzt sie vielleicht immer hier? Birthe denkt. Und läuft.

Derweil sitze ich noch immer im Staffelwechsel, viel ist hier nicht mehr los, aber ich finde es noch immer sehr spannend: Sonst laufe ich ja eher selbst die langen Strecken, beobachte aus Läufersicht. Staffelläufer können beide Seiten genießen, sie werden angefeuert und können den Applaus gleich weitergeben. Ich habe mir ausgerechnet, wann unser Laufwunder ungefähr hier sein wird und etwa zehn Minuten später taucht sie auf.

Der vierte und letzte Teil

Großer Jubel, Heiterkeit, Grinsen. Wir laufen zu Dritt weiter, Birthe in der Mitte, Matrose rechts, Matrose links. Da kann nichts schief gehen. Sieht auch prima aus. „Ahoi, Ahoi“ ruft es von überall her, wo noch Leute am Wegesrand stehen. „Dahinten geht’s zum Hafen.“ Bevor Katja und ich nun aus dem Marathon doch noch einen Kindergeburtstag machen und uns völlig unseren Albernheiten überlassen, besinnen wir uns lieber wieder auf Birthe.

Es wird schwieriger. Sie kämpft. Immer wieder geht sie ein Stückchen und bei Kilometer 34 sieht sie etwas frustriert aus. Die linke Wade macht ihr zu schaffen. „Es ist noch so weit.“ Wir versichern ihr, dass Schlappheit, Schmerzen und Lustlosigkeit nicht immer noch schlimmer werden, sondern dass es Zwischenhochs gibt, die einen wieder aus diesem Loch herausholen. Und ins Ziel bringen! Birthe glaubt uns brav. Sie bekommt noch etwas Futter, Wasser, wir gehen noch ein Stück, sie lächelt wieder – wenn auch etwas verzerrt – und läuft weiter.


Die Anfeuerungen tun jetzt so gut! Die wenigen Zuschauer sind mit dem Herzen dabei. Birthe ist etwas enttäuscht, dass in diesem Streckenabschnitt nicht mehr soviel los ist, wie in der ersten Runde. Da hatte sie sich drauf gefreut. Teilweise läuft der Verkehr schon wieder, nicht besonders motivierend. Wir treffen auf eine einsame Marathonläuferin und nehmen sie kurzfristig mit ins Boot. Es tut ihr gut, sich ein wenig mit uns zu unterhalten. Dagmar heißt sie und läuft auch ihren ersten Marathon.

Katja und ich machen nur noch Dönekens, zwei durchgeknallte Matrosen in Kassel. Bei Birthe läuft`s gerade wieder rund und wir sind in Karnevalstimmung. Katja begrüßt einen Dino am Wegesrand. Die arme Dagmar versteht gar nicht, warum wir noch soviel Power haben und ist kolossal getröstet, als Katja ihr erklärt, dass wir nur das Beiprogramm sind. Wir verlassen die Fußgängerzone. Hinunter geht’s in Richtung Orangerie. Birthe wirkt ganz ruhig und in sich gekehrt. Ich denke, sie weiß jetzt, dass sie ihr Ziel erreicht. Sie läuft und läuft, geht mal, läuft wieder, grinst über die Ideen ihres BeiBoots.

Kilometer 38. Wir laufen am Auedamm entlang. Eine Trommelcombo spielt schon nicht mehr. „Wir brauchen Musik!“ rufe ich empört zu ihnen hinüber. Erschrocken und erfreut legen die pausierenden Spieler ihre Bananen zur Seite und ihre Rhythmen tragen Birthe wieder ein Stück weiter. Aus den Biergärten werden wir schon von weitem angefeuert. Ist ja sonst auch kaum noch jemand unterwegs.

Birthe spricht nach einigen Kilometern wieder: „Nie wieder! Und falls ich im Ziel sagen sollte, dass ich jemals noch einmal einen Marathon laufen will, erinnert mich bitte daran, dass ich das hier und jetzt sage. Nie wieder!“ Oh… aber…ähm… Katja und ich schauen uns schuldbewusst an. Birthe lacht, wir lachen alle. Ist das schön! Auf den letzten zwei Kilometern kommt wieder so richtig Leben in unser Laufwunder.

Das Ziel

Birthe lacht und strahlt und schreit – Applaus von allen Seiten, wir bekommen eine schöne Zieleinlaufansage, nehmen sie zwischen uns an den Händen und laufen in die Rothenbachhalle. Aus dem gleißendem Licht kommend, sehen wir erstmal gar nichts. Egal. Birthe schreit ihre Freude raus – sie hat es geschafft! Den ersten Marathon!


Freunde sind im Ziel, strahlen, der18-jährige Pascal schaut seine Mutter mit einer Mischung aus Sorge und unglaublichem Stolz an. Genauso wie Birthe muss er das wohl erstmal sacken lassen. 42,195 Kilometer! 5 Stunden laufen!
Wir lassen ihr eine Woche Pause und dann werden wir ihr wohl vorsichtig sagen, dass wir gerne mal wieder mit ihr laufen würden: Nach dem Marathon ist eben vor dem Marathon!

Fazit

Teilweise ist die Strecke etwas trist, was man von den Zuschauern allerdings nicht behaupten kann. Die Kasselaner haben sich offensichtlich auf ihren Marathon gefreut und brachten das selbst am Schluss noch sehr herzlich zur Geltung. Ein bisschen schade ist es, dass nicht noch mehr Teilnehmer den kompletten Marathon laufen.

Langsame Läufer fühlen sich bei der zweiten Runde etwas alleine. Getränke und Verpflegungsstellen gibt es reichlich – an beiden Staffelwechselzonen gab es allerdings Engpässe. Die Duschen unterwegs sind ein absoluter Brüller! Der Zieleinlauf in der Halle hat uns nicht überzeugt, frische Luft wäre uns lieber gewesen. Im Bereich um die Messehallen herum stimmte dann wieder alles: Parken ohne Probleme, Biergarten und Entertainment für die wartenden Gratulanten. Uns hat Kassel großen Spaß gemacht!

 

Informationen: Kassel Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024