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Laufberichte

Gute Voraussetzungen

09.09.06

„Du siehst aber noch gut aus“

 

Mein 200. Marathon war Geschichte und der 201. am 03.09. beim Steinhudermeer Marathon auch. Und jetzt? 5 Tage später, am Freitag machte ich mich mit der Bahn auf den Weg nach Interlaken zum Jungfraumarathon und das, obwohl ich durch meine Knie-OP im Juni kaum Bergauf gelaufen bin und in Bad Pyrmont bei 700 HM schon über 5 Stunden gebraucht habe, was soll ich in Interlaken?

 

Aber jedes Mal, wenn ich bei Heiner in die Diele komme, sehe ich ein tolles Finisherfoto von ihm, mit blauem Himmel und schneebedeckten Bergen. Mein Spruch dazu: ich fahre jetzt so lange zum Jungfraumarathon, bis ich auch so ein Foto habe. Gesagt getan.

 

Der Freitag begann mit einer kurzen Busfahrt von Heyersum um 07:00 Uhr mit einer Horde Schulkinder nach Hildesheim. Die einzigen Erwachsenen waren der Busfahrer und ich.


Im Hildesheimer Bahnhof Frühstück und um 08:25 Uhr ging es los mit dem ICE, der bis Interlaken durchfährt, wenn man Glück hat.

 

In der DB Mobil, die im Zug jeden Monat neu ausliegt, lese ich gerade „15 Jahre ICE“, er fährt und fährt. Mensch, so lange ist das schon her, denke ich. Da blieb er auch schon stehen zwischen Basel und Olten. 10 Minuten später meldete sich eine nette Frauenstimme mit Schwyzer Deutsch: „Der Zug hat einen Betriebsschaden. Wir stehen hier auf unbestimmte Zeit.“

 

10 Minuten später: Es wurde ein Ersatzzug angefordert. Weitere 10 Minuten später: wir können eine Notfahrt bis Bern machen. Beifall brandete auf, wie bei einer Landung mit dem Flugzeug. Wir fuhren los. Ca. 500 Meter standen wir wieder. 5 Minuten später: wir sollen alle zum letzten Waggon gehen und uns bereit machen für ein Umsteigen. 5 Minuten später: wir sollen uns hinsetzen damit keiner hinfällt. Ist hier eine versteckte Kamera, oder was?

 

Plötzlich fuhr der Zug wieder für 2 km bis zum Bahnhof  Sissach. Dort mussten wir alle raus. Kein Hochbahnsteig und ein Sprung aus 1 Meter Höhe auf den Bahnsteig. Mann o Mann, bloß nicht verletzen. Da standen wir nun in Sissach, wahrscheinlich ein schöner kleiner Ort.

 

15 Minuten später machte ein IC hier einen außerordentlichen Halt und nahm uns mit. Gott sei Dank fuhr dieser Zug nach Interlaken und kam dann mit 1:30 Std. Verspätung um 17:30 Uhr dort an. Mein Hotel ist nur 20 Sekunden.vom Bahnhof entfernt und ich hatte noch genügend Zeit, meine Startnummer im feudalen Casino abzuholen und noch die obligatorischen Nudeln zu futtern.

 

Nach 2-oder 3 Bier konnte ich die Nacht auch gut schlafen.

 

Samstag 07:00 Uhr frühstücken im Hotel, dabei ging mir doch einiges durch den Kopf. Was macht mein Knie, wenn es aufwärts geht?

 

Um 08:15 Uhr ging ich langsam zum Startplatz, gab meinen Kleiderbeutel an einem LKW ab.  Wie immer wurden sie wahllos hinein geschmissen, später findet man  sie fein säuberlich sortiert nach Nummern wieder. Grandios, bei fast 4.000 Beuteln.

 

Die dazu gehörigen Marathonis werden dann pünktlich mit Kanonenböller um 09:00 Uhr vor dem Grandhotel Victoria Jungfrau in Interlaken (565 m über NN) auf die Strecke geschickt. Das Wetter: Sonne pur - und das sollte so bleiben - gute Voraussetzungen also für ein tolles Finisherfoto.

 

Wir drehten erst eine Runde in Interlaken, kamen nach 3 km noch einmal am Start vorbei und liefen Richtung Böningen kurz am Brienzersee vorbei nach Wilderswil. Bis 10 km war die Strecke flach und nun waren die ersten 100 HM zu überwinden. Dabei wurden wir in jedem Ort frenetisch von den Zuschauern begrüßt. Musik und Kuhglocken beherrschten die Szenerie.

 

Nach flacheren Streckenabschnitten ging es die letzten Kilometer bis Lauterbrunnen bei km 20 steiler bergauf. In Lauterbrunnen war Party angesagt. KM 21,1 der HM war erreicht und gerade mal 300 Höhenmeter überwunden.

 

Nach einem kurzen leicht abwärts laufenden Stück konnte jeder noch mal durchatmen und dann ist sie da bei km 25,5 die „Wand“. Meine Taktik war, zügig hoch marschieren und danach versuchen, locker weiterzulaufen. Aber diese „Wand“ hinauf nach Wengen führte extrem steil nach oben. Im Schnitt wohl 20 % oder noch mehr. Wenigstens war hier Schatten und alles hatte mal ein Ende. Trotzdem versuchte ich die schöne Aussicht zwischen den Bäumen hindurch zu genießen. Man hatte das Gefühl, mit jedem Schritt 2 Höhenmeter nach oben zu nehmen.

 

Einer schob sein Mountainbike an mir vorbei und ich versuchte, an ihm dranzubleiben.

 


Die ersten Häuser tauchten auf. Mein Knie, das mir Sorgen machte, war noch guter Dinge und Wengen bei km 31 konnte ich nach der brutalen Steigung halb laufend erreichen.

 

Aber es waren noch 11 km mit immer noch 1077 Höhenmeter Anstieg vor mir.  Also waren noch nicht einmal die Hälfte der HM geschafft. Wie 2005 lag ich aber noch gut im Zeitlimit. Ich genoss die Bergwelt machte erste Fotos, der blaue Himmel, die Berge, eine grandiose Kulisse, in der ich die Anstrengungen fast vergaß.

 

Km 38, meine Blicke gingen hinauf zum Eigergletscher. Wie an einer Perlenschnur marschierten die Läufer auf einer extrem steilen Strecke dem Himmel entgegen. Aber vorher ging es noch mal kurz bergab, noch einmal Verpflegung aufnehmen. Ich wusste vom letzten Jahr, diese restlichen Kilometer würden eine gute Stunde dauern. Die Kilometer 38,5—40,5 hatten noch mal 400 Höhenmeter und im Schnitt 20% Steigung und mehr.

 

So schön die Gegend war, ich wagte kaum noch einen Blick nach oben – auch nicht nach rechts, denn da ging es steil bergab. Eine Läuferin sprach mich an, ob es mir gut ginge. Ich sähe so blass aus. Wie die Berge im Hintergrund. Oh Gott, dachte ich, ist es so schlimm?

 

Ich schleppte mich weiter voran. Km 40, wieder Verpflegung, die Alphornbläser gaben alles der Fahnenschwenker war auch nach Stunden noch nicht müde. Da ein Klapps  auf die Schulter, Sabine und Klaus, wie schön. „Du siehst aber noch gut aus“, sagte Sabine. Ja, was denn nun.

Ich versuchte hinter den beiden herzuschleichen. Kurzes Aufrichten und dahin schleichen wechselten sich ab. Die Hände auf die Oberschenkel. Letztes Jahr hatte ich ihn im Nebel nicht gesehen nur gehört. Jetzt stand er vor mir, der Mann mit dem Dudelsack. Der höchste Punkt war erreicht und die Vorfreude, gleich im Ziel zu sein, stieg in mir hoch.

 

Leicht bergab und  noch einmal kurz bergauf über einen Felsen, wo helfende Hände sich mir entgegen streckten. Das Ziel war in Sicht, noch 300 Meter. Ich genoss es, die Strapazen waren vergessen und auf den letzten Metern wurden die Augen feucht, der Wahnsinn.

 

An keinem anderen Ort wollte ich in diesem Moment sein. Sabine sagte, solche Erlebnisse seien nicht mit Geld zu bezahlen. Stimmt. Klaus hat übrigens alle Jungfraumarathons bisher gefinisht. Gratulation.

 

Die Organisation, Verpflegung einfach alles hat die Note 1 verdient und das Wetter heute eine 1+.

 

Dieser Lauf macht süchtig, hatte ich mal gelesen. Und mich hatte es auch erwischt. Die Medaille hing schon an meinem Hals, ich  holte mein Finishershirt, wieder eins zum Angeben, und dann auch noch in blau, wie der Himmel.

 

Mein Kleiderbeutel war schnell gefunden, die Duschen warm, alles perfekt. Dass die Rückfahrt bis Interlaken 1:30-2:00 Std. dauert, nimmt hier jeder geduldig in Kauf. 15.000-20.000 Menschen wieder mit der Jungfraubahn hinunter zu bringen, ist ja auch eine Herausforderung für die Mitarbeiter der Bahn. Das sollte auch mal lobend erwähnt werden.

 

Ich genoss den Abend noch, konnte am Sonntag ausschlafen und fuhr um 12:02 Uhr mit dem ICE ohne Probleme und pünktlich nach Hildesheim und war nach einem unvergesslichen Wochenende um 20:00 Uhr zu Hause. Schon unterwegs beschloss ich, 2007 wieder dabei zu sein, dann unter 06:00 Stunden.

 

In diesem Sinne…

 

Informationen: Jungfrau-Marathon
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