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Laufberichte

Daumen hoch!

 

Nach 11 Kilometern überquere ich zum ersten Mal die Zielmatte und stoppe meine Zwischenzeit. 58:16 Minuten. Die nächste Runde, die vor mir liegt, beträgt 10 Kilometer.  Man kann sich die so ergebenden 21,1 Kilometer als eine 8 vorstellen, wobei sich die beiden Kringel in der Mitte gering überschneiden. Vor uns liegt wieder der Ortsteil Safferstetten (Ur-Gemeinde), jetzt auch der Ortsteil Egglfing am Inn, der sich aus einem Einödhof entwickelt hat, und führt weiter bis über den Ortsteil Riedenburg. Von dort sind es nur noch wenige Kilometer, bis wir wieder in Bad Füssing und der Johannestherme zum Zentrum des Marathongeschehens kommen.

Im Vorbeilaufen greife ich einen Becher süßen, warmen Tee vom Verpflegungstisch. Die Hälfte kippe ich aus, die andere Hälfte trinke ich aus dem von mir wie eine Schnabeltasse zusammengedrückten  Becher. Zwei Herren, die Schläfen grau meliert, beobachten das Geschehen. Sie erinnern mich an Waldorf und Statler, die Großväter in der Loge der Muppet-Show. Sie klatschen mir wohlwollend zu. Oder haben sie nur Mitleid, dass ich keine Zeit zum Essen und Trinken habe?

So richtig Spaß macht es nicht, wenn der Winter auf sich warten lässt. Nur leicht sind die dunkelbraunen Felder wie mit Puderzucker bestäubt. Laufen beziehungsweise Joggen ist in Kurorten eher eine Randsportart. Jetzt aber begegne ich Fußgängern, die mit ihren Stöcken oder teils elektrisch betriebenen Fortbewegungsmitteln auf dem Nordic Walking Parcours offensichtlich müheloser vorankommen, als heute so manch ein Läufer. Weiter vorne sehe ich ein griechisches Restaurant. Um etwas Abwechslung in meine süße Gel-Speise zu bekommen, stelle ich mir vor, wie ich das Gel mit Gyrosgeschmack langsam in meinem Mund quetsche – das war wirklich eine blöde Idee.

Schon von weitem hebt sich die Johannesbad Therme von den sie umgebenden Feldern ab. Bald 50 Jahre ist es her, dass das Ärzteehepaar Zwick auf ihrem Grundstück auf schwefelhaltiges und zuvor Jahrtausende zwischen Juragestein gespeichertes Thermalwasser in einer Tiefe von über 1000 Meter stießen. Dies war der Beginn der Johannestherme, die 1969 in Betrieb genommen wurde und sich bis heute in Familienbesitz befindet.


Nur baden wäre jetzt schöner


52:52 Minuten stoppe ich für meine zweite 10 Kilometerrunde. Schon geht’s auf die Dritte. Wieder bin ich am markanten schönen alten Holzhaus von Safferstetten. Hier kann ich mir gut vorstellen, wie es wohl vor 1938 ausgesehen haben muss, als die wenigen Bewohner vom Ackerbau lebten und bei einer Probe-Bohrung statt Öl warmes Wasser aus der Erde sprudelte – was aber damals niemanden wirklich zu interessieren schien.

Erst nach dem Krieg erinnerte sich der Landwirt Franz Ortner an die Quelle und legte sie allein für Traktoren- und sonstige Reinigungszwecke wieder frei. Dann erkannte man die Heilkraft des warmen Wassers. Im Stall standen später die Betonbadewannen wie einst die Kühe nebeneinander. Die ersten Erholungssuchenden zahlten pro Bad noch „ein Zehnerl“. In den 50er Jahren wurde hier das erste Kurhaus mit vierzehn Fremdenzimmern und einer Seemannsbar im Keller eröffnet. An gleicher Stelle wird heute gekocht, á la carte versteht sich. Aus dem einfachen Bauernhaus wurde eine Vier-Sterne-Superior Unterkunft. Beinahe jedes Vier-Sterne-Hotel in Bad Füssing unterhält heute seine eigene Therme.

Auf die Idee, sonntags einfach mal so durch die Gegend zu rennen, kam früher niemand. Man ging "nach der Mess" zum Frühshoppen ins Wirtshaus. Dort wurden die Neuigkeiten des Dorfgeschehens bei einem Schweinebraten und einer Maß Bier ausgetauscht. Für manch einen Durchreisenden  standen einzelne Betten bereit; das war so um 1890.

Zurück ins Hier und Jetzt. Enten watscheln über den matschigen Boden. Selbst die Tiere bewegen sich hier kaum, wohl um nicht ihre wertvolle Energie zu vergeuden. Mein Gang entwickelt sich auch zu dem einer Ente. Wieder streife ich den letzten Kreisel, der im Sommer sicher aufwendig bepflanzt ist. Auch hier trotzt eine nackte Frau aus Bronze der Kälte. Kaum habe ich diese hinter mir gelassen, ist es, als wäre ich hier schon länger zu Gast. Das einheitliche und gleichmäßige Braun der Felder verleitet zu meditativer Monotonie. Aus der reißt mich der Hundebesitzer auf der anderen Straßenseite. Er glaubt das große Geschäft seines Vierbeiners vom Rasen. Später vielleicht, denke ich, wackelt er mit seinem neuen Hüftgelenk zum 18-Loch-Golfplatz, speziell modelliert für Golfer mit Gelenkproblemen. Bei einigen Gästen, könnte man glauben, sind die medizinischen Argumente wohl nur vorgeschoben.

Wenige Kurgäste sind unterwegs. Den meisten, denen ich begegne, haben Gehstöcke oder ziehen mit ihrer S-Klasse auf dem Weg zum Mittagessen auf der Straße gemächlich an uns vorbei. Jeder Kilometer ist ausgeschildert. Leider. Auf einem Werbeplakat bei Kilometer 39 lese ich: „Nur noch fünf Minuten bis Bad Füssing“. Das finde ich nicht witzig. Ein Kilometer weiter noch so eine überdimensionale Plakatwand: „Bad Füssing – wir kümmern uns um Ihre Gesundheit“. Ganz so sicher bin ich mir da im Moment nicht mehr. Die Knochen sind steif und schmerzen, der Kopf sehnt sich nach einer Pause.

Wieder erkenne ich das auffällige Gebäude der Johannestherme. Aaaaah! Eintauchen – abtauchen im blubbernden, wohltemperierten Whirlpool versinken, wegdämmern. Meine Träumerei wird von einem Laufpärchen erbarmungslos ausgenutzt und die beiden ziehen an mir vorbei. Unglücklicherweise, stellt sich später auf dem Siegerpodest heraus, hat die Läuferin meine Altersklasse. Vitale Best-Ager: W50 und 55 sind heute die am stärksten besetzte Altersklassen. In der W25 startet keine Dame. Bei den beiden Teilnehmern auf der 10-Kilometerstrecke mit Jahrgang 1929 kann es sich auch nur um Thermen-Stammgäste handeln, was die altersbremsende Wirkung des Wassers beweisen würde.

Apropos: Auch die beiden älteren Herren vor dem Zieleinlauf sind noch da. Sie sitzen noch immer auf der Bank wie die Großväter aus der Muppet-Loge. Beinahe könnte man sie sagen hören: "Ich bin so erledigt, am liebsten würde ich hier sitzen bleiben.“

 

Rekonvaleszenz

 

Innerhalb von nur knapp vier Stunden bin ich zum Kurgast geworden. Sollte es auch nur einen einzigen Teil meines Körpers geben, der nicht schmerzt, dann möchte ich jetzt wissen, welcher. Eingehüllt in eine Thermofolie trifft mich der Blick einer eleganten Dame mit Silberhaartolle, die mich vom Fenster des Thermen-Cafés aus beobachtet. Mein Gang hat etwas Träges, Bejammernswertes. Jetzt sehne ich mich nur noch nach Wärme und Wasserdampf als Muskel-Regenerationsmaßnahme!

Ein Bouquet von Läuferschweiß und Lavendel wabert unter dem Thermengebälk, in dem es mir fast den Atem verschlägt. Zerknüllt stopfe ich meine stinkigen Socken und das nassgeschwitzte Teamtrikot in den Spint. Der Schmerz der Knochen und die Ursache dessen sind als Andenken der letzten Stunden haften geblieben.
Resümee:

Bad Füssing, ein Ort der Erholung? Wer das gesagt hat, ist den Marathon nicht gelaufen. Dennoch, die „wunderbare Wirkung des warmen Thermalwassers“ und ein eisgekühltes Bier sind vielleicht das Geheimnis meines persönlichen Erfolgs. Daumen hoch!

 

Weitere Beiträge in Zusammenhang mit dem
Thermenmarathon und dem Jubiläum:

 

M4Ybiläums-Trip zum Thermathlon Von Klaus Sobirey

Interview Artur Schmidt / Klaus Duwe

Kommentar zum Jubiläum von Klaus Duwe

 

 

Marathonsieger

 

Männer

1 Mayerhöfer Felix DJK Dasswang 02:37:22.30
2 Wittmann Steffen Laufarena Allgäu 02:39:25.67
3 Fuchsluger Andreas  ASKÖ Waidhofen 02:45:47.90

Frauen

1 Kühnlein Angela Brehm Titan Runners 03:05:54.16
2 Förster Basilia Team Erdinger Alkoholfrei 03:17:05.68
3 Heiml Alexandra Eigner Express 03:21:05.66


Informationen:


MARATHON: Gesamtzeit: 5 Stunden / Höhenmeter: keine / Streckenprofil: Überwiegend Asphalt und Radwege

Wettbewerbe: Neben dem Marathon werden auch ein Schüler- und Jugendlauf, ein 10 Kilometer, ein Halbmarathon und ein Firmenstaffellauf angeboten.

Anreise: Von Frankfurt mit dem Auto ca. 450 Kilometer.
Veranstalter: Johannesbad Holding AG & Co. KG

Ausrichter: SV Pocking 1892, SV Bad Füssing
Temperatur: -1 bis 3°C

Zeitmessung: Einweg Fuß-Chip (im Starterbeutel mit einem Event-Funktions-Shirt)

Preise: 1. Sieger Gesamteinlauf Männer und Frauen: Pokale, Sachpreise sowie 1 Woche Aufenthalt in Bad Hofgastein für 2 Personen (!).  1. bis 3. Sieger jeder Klasse Männer und Frauen gibt es einen Glaspokal. Für alle Finisher des Marathons gibt es eine Medaille.

Angemerkt: Auch ohne ärztliche Verordnung kann man sich ein spezielles Gesundheitsprogramm zusammenstellen lassen: Einstiegs-Check-Up für etwa 40 Euro. Für das Marathon-Wochenende gibt es Sondertarife in ausgewählten Hotels.

Weitere Informationen im Internet: www.badfuessing.de

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Informationen: Johannesbad Thermen-Marathon
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