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Laufberichte

Am 10.10.10. um 10.10 Uhr der 10. Marathon

10.10.10

Die nächsten Kilometer schlängelt sich der Weg direkt am Seeufer entlang. Die Natur gibt ihr Bestes. Herrlicher Sonnenschein, das Funkeln auf der Seeoberfläche, herbstlich buntes Laub sind einfach atemberaubend schön.

Um Haus Scheppen herum zieht sich die Laufstrecke in einem weiten Bogen. Das *Haus Scheppen* ist ein ehemaliger, adliger Lehnshof  der Abtei Werden im Essener Stadtteil Fischlaken, steht unter Denkmalschutz und ist zum Leidwesen der Stadtkämmerer Eigentum der Stadt Essen.

Viele Ausflügle sind mit Kind und Kegel unterwegs, bestaunen  die Schönheit der Landschaft und auch uns. Mehr als einmal höre ich beim Vorbeilaufen Gesprächsfetzen mit: „So weit?“, „So viele“, „Bis wohin wollen die?“.

Kurze Zeit später sehe ich eine grün gestrichene Brücke am Ende des Sees die Ruhr überspannen. Ein Blick auf meine Uhr stürzt mich erst mal in Verwirrung. Scheinbar bin ich entgegen meiner Planung viel zu schnell unterwegs. Einen knappen Kilometer später werde ich eines besseren belehrt. Die Brücke, die ich gesehen habe ist nicht die Kampmannbrücke, sondern eine etwas weiter unterhalb liegende Eisenbahnbrücke.  Demnach ist alles im Lot. Zu mindestens vom Zeitplan her. Ich fühle mich immer noch gut und meistere die nächsten Kilometer problemlos.

Nun gilt es, die anstehende Wendepunktstrecke zu meistern. War ich früher ein absoluter Gegner dieser Art von Streckenführung, so weiß ich heute deren Vorteil zu schätzen. Ständig gibt es bei den entgegenkommenden Läufern Neues zu entdecken. Etwas pittoresk ist das schon. Links kommen einem die Läufer entgegen, rechts läuft mal selbst und jenseits der Leitplanke braust der Verkehr zweispurig in Richtung Innenstadt.

Irgendwo kurz vor dem Wendepunkt begegnet mir Wolfgang Bernath, ebenfalls M4Y-Autor und infizierter Langstreckenläufer. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Zum Zeitpunkt unserer Begegnung hat Wolfgang ebenso wie ich gerade seinen Fotoapparat gehoben um ein Bild zu schießen. Der Begriff der „rasenden Reporter“ erhält damit eine ganz neue Bedeutung.

Nach den sechs Kilometern der Wendepunktstrecke geht es wieder zurück ans Seeufer. Hübsche Reihen- und Einfamilienhäuser säumen meinen Weg. Vereinzelt haben sich Nachbarschaften zusammen gefunden und nehmen an Stehtischen ihr Frühstück in meist flüssiger, goldgelber Form zu sich. Entsprechend gut ist die Stimmung auf und an der Strecke.

Wenige Meter danach ist es wieder einsam an der Strecke. Das Feld ist jetzt nach etwa 20 Kilometern schon recht weit auseinander gezogen. Außer einigen wenigen Spaziergängern sind nur wir Läufer unterwegs.

Zeit, sich die andern Mitläufer einmal anzuschauen. Leider gelingt es mir nicht, an der Frau mit den blonden Haaren, dem blauen Trikot und den endlos langen Beinen  dran zu bleiben. Scheinbar hat sie ihren Rhythmus geändert und zieht jetzt langsam aber sicher von dannen.

Dafür bleibt der Typ mit dem knallorangen Shirt und dem Legionärskäppi samt Nackenschutz beharrlich vor mir. Mit seinem Trinkrucksack macht er den Eindruck gleich nach dem Marathon noch auf einen Blick in die Sahara zu verschwinden.
Wir Läufer sind schon ein buntes Völkchen.

Hinter Kilometer 22 werde ich dann erwartungsgemäß überrundet. Von hinten nähert sich ein wunderschön in zartem babyblau lackierter PKW von dem aus per Lautsprecher der Führende angekündigt wird. Der Typ ist echt der Hammer, völlig lautlos zieht er in einem Höllentempo an mir vorbei. Kein Laufgeräusch, kein lauter Atem. Manchen Menschen ist schnelles Laufen scheinbar einfach gegeben.

Ich jedenfalls laufe mehr oder weniger munter weiter in Richtung der Regattastrecke und beginne meine zweite Runde um den See.

Lange Zeit geht es direkt am ehemaligen Freibad vorbei, dass 1959 seinen höchsten Zulauf mit sage und schreibe fast 330.000 Badegästen verzeichnete. Wenn man bedenkt, dass es damals kaum Individualverkehr gab, müssen es rosige Zeiten für den jetzt permanent von der Pleite bedrohten öffentlichen Nahverkehr gewesen sein.

Weil die Sanierungskosten für das inzwischen marode Bad zu hoch waren, wurden 1984 alle Schwimmbecken geleert und das Freibad geschlossen. Ein Jahr später wurde das vormalige Bad als trocken gelegtes Licht- und Luftbad wiedereröffnet. Geradezu sensationell: In diesem Jahr wurde schon das Sonnen oben ohne offiziell erlaubt!

Kurze Zeit später geht es wieder über die Brücke nach Werden hinein. So langsam kommt mir Adolf Tegtmeier wieder in den Sinn. In seiner beliebten Fernsehserie „Tegtmeiers Reisen“ handelt eine Folge (Der letzte Fango) von einem Kuraufenthalt. Jeder, aber auch wirklich jeder bekommt von Tegtmeier die Lage seiner Leiden aufgezählt „wenn Se schon mal nootieren wollen…: Ich hab et hier…..hier….und hier“.

Diese Liste könnte ich jetzt fortschreiben. Waden, Oberschenkel, Rücken. So langsam spüre ich, dass ich unter den Lebendigen wandle. Nochmals Tegtmeier: Dat schöhnste Gefühl des Menschen ist – ein Mensch zu sein.“

Strahlend blauer Himmel, ohne jedes Wölkchen. Nur ab und zu brummt ein Luftschiff vom örtlichen Flugplatz kommend vorbei. Ein oder zwei Mal höre ich auch das sonore, mächtige Brummen der drei Sternmotoren einer Ju52 die im stolzen Alter von mehr als 65 Jahren ebenfalls als Touristenattraktion über den See zieht.

Haus Scheppen, Kampmannbrücke. Diese herausragenden Punkte werde ich auf der zweiten Runde nicht mehr zu sehen bekommen. Bei Kilometer 28 ist bei mir die Luft raus. Ich bin total leer, obwohl ich bis Kilometer 23 noch genau in meinem Zeitplan lag und mich gut fühlte. Vor zwei Wochen bin ich noch ohne jede Probleme unter ähnlichen Bedingungen 32 Kilometer gelaufen. Die Woche davor bereiteten mir die 30 Kilometer auch keine Sorgen. Warum klappt es ausrechnet heute nicht? An meiner Vorbereitung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Auch jetzt, 24 Stunden später, habe ich noch keine Antwort auf diese Frage.

Mühselig schleppe ich mich die Treppe zum Stauwehr hoch, um darüber ins Ziel zurück zu gehen, als mich mitten auf dem Wehr ein junges Mädchen anspricht „Geben Sie auf?“ Das tut weh und ich denke, dass sie das auch ein bisschen diplomatischer hätte formulieren können. Aber sie hat ja Recht; Ich gebe auf.

Am Zieleinlauf vorbei schleiche ich mich schamhaft zur Ausgabe der Kleiderbeutel und spüle anschließend meinen Frust mit ein, zwei oder so Bierchen der örtlichen Brauerei herunter. War wohl nicht mein Tag heute.

Auch wenn es bei mir dieses Mal bei mir nicht geklappt hat und mein Marathon Nummer 10 noch nicht vollbracht ist: Der Marathon in Essen ist auf jeden Fall eine Reise wert.

Sieger

Männer

1 Renault, Neil (GBR)  Edinburgh AC 02:18:23 
2 Meyer, Manuel (DEU)  TV Wattenscheid 02:20:00
3 Pyka, Dennis (DEU)  LG TELIS FINANZ 02:21:51

Frauen

1 Krull, Silvia (DEU)  LG Lage Detmold 02:45:59
2 Frey, Dorothea (DEU)  EK Schwaikheim 02:48:07
3 Hofmann, Fakja (DEU)  LG Telis Finanz Regensburg 02:51:18 

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