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Laufberichte

Wenn es Nacht wird in Luxemburg

03.05.08

In den 50er Jahren war Radio Luxemburg für mich als Jugendlicher der einzige Sender, auf dem man „vernünftige“ Musik hören konnte. Da er auf Mittel- und Langwelle ausstrahlte, konnte man den Sender sogar im Urlaub im Süden empfangen. Star-Moderator damals war Camillo Felgen. Wo genau Luxemburg lag wusste ich nicht, interessierte mich auch nicht, die Musik war wichtig.
In der Zwischenzeit ist Luxemburg als Standort von Fernsehsendern ein Begriff. 

Wie ich mir das Land vorstellen muss, war mir bis zu diesem Marathon aber immer noch nicht klar. Das Großherzogtum Luxemburg ist das zweitkleinste Land der EU (nur Malta ist kleiner), grenzt im Westen an Frankreich, im Norden an Belgien, im Osten an Rheinland-Pfalz und im Süden an das Saarland. Von der Fläche ist es vergleichbar mit dem Saarland, hat mit etwa 500.000 aber nur die Hälfte der Einwohner. Die Hauptstadt heißt ebenfalls Luxemburg, hat knapp. 100.000 Einwohner und nach dem Marathon jetzt kenne ich sie genau, denn die Strecke führte so ziemlich in jede Straße der Stadt. Das Land ist dreisprachig: Letzebuergesch, Deutsch und Französisch. Die Menschen sind dadurch wohl offener und wir Deutschen kommen mit unserer Sprache bestens zurecht.

Luxemburg ist vor allem als Finanzplatz bekannt, Dienstleistungen in diesem Bereich verschaffen dem Staat nahezu die Hälfte seiner Steuereinnahmen. Weiterhin ist Luxemburg als Sitz des Europäischen Gerichts- und auch Rechnungshofs bekannt.


Von Stuttgart aus ist Luxemburg über Kaiserslautern und Trier in nicht ganz vier Stunden zu erreichen. Gegen 13 Uhr waren wir in der Stadt, fanden auch gleich das Sport- und Kulturzentrum, genannt d’Coque, in und vor dem sich alles abspielte. Das Sportzentrum heißt so, weil seine Form an eine Muschel (französich Coque) erinnert. Die Halle, in der das Ziel ist, fasst ca. 8.000 Zuschauer.

Wenn man, wie ich, im angegliederten Sporthotel übernachtet, ist das ein Marathon der kurzen Wege: Parkplatz vor der Coque, Zimmer im Untergeschoss, Startnummernausgabe im Foyer der Halle, Start vor und Ziel in der Halle – besser kann man es nicht treffen.


Bereits vor 17 Uhr wanderte ein unendlicher Strom von Menschen Richtung Start und auch wir, Angelika und ich, gingen zum Startgelände vor (oder hinter?) der Coque. Die Atmosphäre war locker, die Sonne schien, Temperatur so um die 21 Grad. Wir stellten uns in den Startblock 4:00 bis 4:15 h, so ist unmittelbar nach dem Start noch etwas Zeit, um zu fotografieren, ich falle also nicht gleich zu Beginn zu weit zurück. Der Kurs bei diesem Marathon ist nicht flach, das Höhendiagramm zeigt doch einige Höhenmeter, insgesamt vielleicht 200 oder etwas mehr. Im Vergleich zu Hamburg (4:41h) rechne ich hier mit einer Zeit um die 4:50 h.


Die sechs Startblocks mit insgesamt 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stehen hintereinander auf der breiten Avenue John F. Kennedy. Die Stimmung ist locker, man scherzt und wartet. Kurz vor 18 Uhr schweben dann zwei Gleitschirmflieger ein und geben mit ihrer Landung vor dem Feld das Zeichen zum Start. Bereits vier Minuten später bin auch ich über der Startlinie.



In Luxemburg starten Marathonis und die „Halben“ gemeinsam. Anders als sonst, sind die Halbmarathonis daran zu erkennen, dass sie auf dem Rücken ein Schild mit dem Aufdruck 21 km tragen. Vom Start weg sind wir von ihnen umgeben, da das mehr als zwei Drittel der Starter sind. Was mir von Anfang an positiv auffällt, ist die Lockerheit der Halben. Stets habe ich den Eindruck, dass die Freude an der Teilnahme vorherrscht, eine gute Zeit ist nicht das Ziel. Kaum jemand drängelt, obwohl ich doch im Startblock mitlaufe, der bei den Halbmarathonis eine Zeit 1:50h oder mehr angibt, also durchaus eine ambitionierte Zeit für einen Freizeitläufer.


Die Coque liegt im Nordosten der Stadt, in einem weitläufigen Gebiet (Kirchberg Plateau) inmitten von Banken und auch europäischen Institutionen, wie man unschwer an den repräsentativen Gebäuden sehen konnte. Die ersten neun Kilometer wurden wir kreuz und quer durch und um das Gebiet geführt, kamen mehrmals an der Coque vorbei, liefen immer wieder ein Stück der Startgeraden in die eine, dann wieder die andere Richtung und schwenkten jeweils wieder zwischen die Häuser. An verschiedenen Stellen begegnete man den vor uns liegenden, oder später sah man dort diejenigen, die hinter einem lagen. Immer wieder kam man an einer Trommlergruppe vorbei und wurde so bereits hier auf das Motto des Marathons eingestimmt: Samba und afrikanische Trommeln.


Bei etwa Kilometer 4,5 gab es an der Coque den ersten Verpflegungspunkt mit Wasser, Iso, Bananen und Orangen. Das Gedränge hielt sich in Grenzen und nach einem Becher Wasser ging es weiter hin und her in dem Gebiet, bis man kurz nach Kilometer acht nochmals an der Verpflegungsstelle vorbeikam, diesmal aber von der anderen Richtung.

Ein letztes Mal ging es auf die Startgerade, die wir dann aber, kurz nach Kilometer neun, in Richtung Stadt entlang liefen und bei Kilometer 10,5 auf die Brücke kamen, die den großen Graben vor der Stadt überspannte. Bereits kurz vorher waren uns die ersten Halbmarathonis entgegen gekommen. Sie hatten hier nur noch einen Kilometer bis ins Ziel, die mich umgebenden Halbmarathonis noch elf und ich noch 32.



Bei Kilometer 11 hatten wir die Stadt erreicht. Bereits bis hierher gab es erstaunlich viele Zuschauer. Jetzt aber standen sie dicht gedrängt, empfingen uns begeistert und minutenlang liefen wir durch ein Spalier von Menschen, die erst weniger wurden, als wir auf unserem Weg in den nördlichen Stadtbereich waren.
Das erste Mal ging es jetzt ernsthaft hoch, jederzeit noch gut zu joggen, für viele der Freizeitläufer aber war hier Gehen angesagt. Warum soll man sich auch anstrengen, man will doch Spaß haben. Auch die Läuferinnen und Läufer der Teams, bei denen sich jeweils vier die Marathonstrecke teilen, waren nicht verbissen bei der Sache, sondern waren vereinzelt auch ins Gehen übergegangen, nur wenige überholten.

Die Kilometer 12 bis 15 liefen wir durch Wohngebiete mit schönen Häusern, denen man den Wohlstand der Bewohner ansah. Die Zuschauer saßen oder standen vor ihren Häusern, an verschiedenen Stellen gar in Massen und ein paar Trommlergruppen machten uns Beine. Ab Kilometer 13 wurde es wieder eben und bald ging es bergab bis hinunter in das Zentrum.


Mehr als einen Kilometer lang schlängelten wir uns dort durch den Stadtpark, liefen dann durch eine Fußgängerzone und erreichten bei Kilometer 17,5 den Rathausplatz. Hier trennten sich die Wege der Halbmarathonis von uns. Ab jetzt wurde es deutlich einsamer um mich herum. Da aber auch noch die Teamläufer mit dabei waren, nicht ganz so ruhig, wie ich befürchtet hatte.


Wieder ging es aus dem Zentrum hinaus, diesmal nach Westen. Obwohl wieder vorwiegend Wohngebiet, standen auch hier noch jede Menge Zuschauer an der Strecke und unterstützten uns mit wohlwollenden Zurufen oder Beifall und feierten einen schönen Tag. In der Tat war es für die Zuschauer ein angenehmer Tag, mit Sonne und blauem Himmel, den man gemütlich auf einem Stuhl verbrachte. Mir aber war es zu warm, ich schwitzte und hoffte auf die Dunkelheit, in der es sicher kühler würde.

Vorerst aber mussten die bestens ausgestatteten Verpflegungsstellen herhalten, die zum Glück alle ca. 2,5 Kilometer kamen. Meist trank ich Wasser, nahm nur ganz selten von dem angebotenen Isogetränk. Auch von den verschiedenen Riegeln, oder den Früchten nahm ich nichts.



Bei Kilometer 22 hatten wir wieder die Innenstadt erreicht, liefen ein zweites Mal durch den Stadtpark und machten uns noch mal auf nach Westen durch Wohnstraßen mit schönen Häusern, mit vielen Zuschauern und Kindern, die abgeklatscht werden wollten und immer wieder eine Trommlergruppe, die man bereits lange vorher hörte, bevor man sie sah und auch noch viele Meter, nachdem man sie passiert hatte. Einige Zuschauer nahmen die Gelegenheit wahr und tanzten zu den Rhythmen der Musik. Vermutlich hatte jede Familie in Luxemburg zumindest ein Mitglied in einer Trommlergruppe, anders konnte ich mir diese Menge an Musikgruppen nicht erklären.

Als wir uns ab Kilometer 29 wieder der Innenstadt näherten, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt und als wir bei Kilometer 30,5 auf der schönen alten Brücke Adolpe den tiefen Graben überquerten, war es nahezu dunkel und die beleuchteten Gebäude vor uns und in der Ferne bildeten ein stimmungsvolles Panorama. Auch die Temperatur war jetzt deutlich kühler und sehr angenehm.


Gleich nach der Brücke lag linker Hand das repräsentative Gebäude der Staatssparkasse. Wir liefen auf der hell beleuchteten Avenue de la Liberté dran vorbei, uns entgegen kamen die Teilnehmer, die die 3,5 km lange Schleife über den Hauptbahnhof bereits hinter sich hatten. Wir zweigten nach rechts weg und kamen an einer Grünfläche mit hohen Bäumen vorbei. Ganze Krähenvölker saßen wohl auf den Bäumen und krächzten beinahe ohrenbetäubend. Ob die das immer so machten, oder es nur ein Protest gegen uns Ruhestörer war?

Wir liefen bei Kilometer 33 auf den stimmungsvoll beleuchteten Hauptbahnhof zu, schwenkten kurz vorher links weg und waren bald wieder auf der Avenue de la Liberté und an der Staatssparkasse. Die Trommlerguppe vor dem Gebäude dort spielte immer noch unermüdlich. Erst als wir im Bogen nach rechts hinter das Haus schwenkten, wurden die Klänge leiser und waren bald nicht mehr zu hören. Ein angenehmer Wechsel zwischen Trubel und Stille, die ich auch in Biel so schätze.

Auf der Vaduc-Brücke ging es wieder über den Graben und Punkt 22 Uhr passierten wir auf dem Boulevard Roosevelt die Kathedrale, was uns durch das zehnmalige Schlagen der wohlklingenden Glocken bewusst wurde.
Ich liebe ja solche Läufe in die Nacht hinein, man erlebt einen Wechsel der Atmosphäre an der Strecke nach dem es dunkel geworden ist. Hier bei diesem Marathon erlebte ich es besonders intensiv. Man lief nicht mehr in einem großen Pulk, aber auch nicht alleine. Stets waren noch viele Läuferinnen und Läufer vor und hinter mir, weiterhin die beleuchteten Straßen, Gebäude und der Blick auf entfernt liegende Sehenswürdigkeiten. Dazu kamen die Glockenklänge der Kathedrale – einfach toll.

 


Auch als wir jetzt ein letztes Mal mitten in das Zentrum liefen, war die Stimmung eine andere als tagsüber. Die Zuschauer standen immer noch in Mengen an der Strecke, Kinder hielten uns die Hände entgegen, man saß oder stand vor der Kneipe und schaute uns zu und klatschte Beifall – die Leute waren jetzt in Feierlaune.

Bei Kilometer 37 lag dann die Stadt, die wir so oft auf vielen Straßen durchquert hatten, hinter uns, es ging über die lange Brücke wieder hinaus zur Coque, die wir bei Kilometer 38,7 erreichten und umrundeten. Es ging vorbei an vielen feiernden Menschen und bei Kilometer 40 liefen wir wieder auf der Startgeraden.
Nun hieß es, noch mal Geduld zu haben. Bei km 41 war die Wende, es ging zurück auf der anderen Straßenseite bis wir kurz vor km 42 ein paar hundert Meter lang auf der mit Kerzenlicht gesäumten Straße bis zur Halle geführt wurden.
In der Halle wurde man dann unter Diskomusik und entsprechender Beleuchtung vom Beifall der vielen Zuschauern auf den Rängen bis ins Ziel geführt – ein passender, stimmungsvoller und krönender Abschluss.


Üblicherweise schreibe ich ja in meinen Berichten immer wieder über meine Zwischenzeiten. Während ich diesen Bericht geschrieben habe, ist mir das überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Der Lauf war von den vielen Läuferinnen und Läufern geprägt, denen so eindeutig die Zeit nicht wichtig war, sondern nur das Teilnehmen und Ankommen. Der Vollständigkeit halber hier jedoch meine Zeit: Halbmarathon nach etwa 2:22 h, Endzeit 4:44:37 h. Ich war mit mir zufrieden.
Das war ein ganz außergewöhnlich schöner Stadtmarathon. Die Strecke führt von außerhalb hinein ins Zentrum und dann sternförmig von da aus in alle Richtungen, so dass man tatsächlich meint, man habe die Stadt jetzt kreuz und quer durchlaufen und jede Straße zumindest zwei Mal gesehen. Auch die vielen Musikgruppen an der Strecke, deren rhythmische Trommelmusik man auf den vielen Passagen durch die Innenstadt und auch den entfernteren Passagen immer irgendwo hörte, trugen zum unverwechselbaren Erlebnis bei. Die Zuschauer waren in Mengen da, unterstützten uns freundlich und man hatte immer den Eindruck, als ob sie den Marathon zumindest genau so genossen, wie wir. Und für mich als weiteres Highlight noch die knapp zwei Stunden Lauf in der Dämmerung und in der Nacht.

All das wurde von einer perfekten Organisation begleitet. Bereits im Vorfeld bekam man ausführliche Unterlagen zugeschickt, die Verpflegung war durchweg perfekt – Cola ab Kilometer 30 und nach dem Zieleinlauf ein großes Angebot an Früchten, Nüssen, Kuchen und Sandwiches – und die Coque bietet mit seiner Infrastruktur einen perfekten Start- und Zielbereich.

Luxemburg kann ich nur empfehlen. Wem es in Berlin und Hamburg gefällt, sollte es nicht versäumen, auch mal in Luxemburg zu laufen.


Streckenbeschreibung

Welliger „Rundkurs“, mit vielleicht 200 Höhenmetern kreuz und quer durch die attraktive Stadt.

Zeitnahme

Champion-Chip, mehrere Zwischenzeiten, jeder Kilometer ist angezeigt.

Rahmenprogramm

Marathonmesse (Coque) mit Startnummernausgabe von Donnerstag bis Samstag. Am Freitag Pasta Party im Bereich der Marathonmesse (Coque) und Sambafestival in der Altstadt Luxemburgs. Nach dem Lauf Party in der Halle bis in den Morgen hinein.

Weitere Veranstaltungen

Halbmarathon, Team-Marathon, Minimarathon
Wer für den Marathon gemeldet war, konnte noch während des Laufs auf den Halbmarathon umschwenken.

Auszeichnung

Medaille 

Logistik

Im Sport- und Kulturzentrum (Coque) alles übersichtlich und weiträumig.

Kosten

Marathon: 34 bis 53 Euro, je nach Anmeldedatum, Nachmeldungen 60 Euro
Halbmarathon: 19 bis 38 Euro, je nach Anmeldedatum, Nachmeldungen 45 Euro
Teammarathon: 95 Euro, Nachmeldungen 110 Euro; vier Läufer teilen sich die Strecke (11,1-9,2-13-8,9 km)
Minimarathon: 7 Euro, Nachmeldungen 10 Euro

Verpflegung

Ab km 5 alle 2,5 ein Verpflegungsstand mit Früchten, verschiedenen Riegeln, Wasser und Iso, nach dem Zieleinlauf, Erdinger Freibier, weitere Getränke, Kuchen, Nüsse, Sandwich

Zuschauer:
Unglaublich viele Zuschuer sorgen für eine tolle Stimmung an der Strecke

Statistik

Finisher Marathon 1.338, Halbmarathon 4.142 und 344 Teams

 

Informationen: ING Night Marathon Luxemburg
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