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Laufberichte

Work-Life-Balance

04.11.12

Fotos: Kay Spamer

Platz da, ich muss zur Arbeit! Das Kostüm in der Reinigung, Laufmaschen in den Nylons und die Schuhe nicht geputzt. Macht nichts, brauche ich heute nicht. Ich werfe mich in den für den Anlass passenden Dress und hetze aus dem Auto hinein ins Bürogebäude.

Dort herrscht Ausnahmezustand. Nichts ist, wie es sein sollte. Menschen hasten über Treppen und durch Gänge. Die Rhythmen der Sambaklänge heizen ein, Versuche, die laufenden Mitarbeiter zu beruhigen, gehen daneben, es geht drunter und drüber - Verbündete werden zu Gegnern…
Du musst mitlaufen, darfst keine Schwäche zeigen, kein Zögern. Wenn dir eine(r) den Weg abschneidet, weil es ihm (ihr) egal ist, ob er dich umrennt oder nicht, dann musst du ruhig bleiben, musst einfach ausweichen und weiterlaufen. Fluchen bringt hier nichts, weil es keinen interessiert, ob du fluchst oder nicht.


Karriereträume


Wir sind beim Indoor Marathon am Hauptsitz der LGA in Nürnberg. Einmal im Jahr wird das LGA Gebäude vom Muff des Alltags befreit. Die LGA ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und beschäftigt sich hauptsächlich mit der Prüfung von Standsicherheitsnachweisen. Ich sag nur „Stiftung Warentest“. Klar, dass der TÜV bei seinen Zertifikaten strenge Kriterien und Normvorgaben zugrunde legt. Gilt es doch, Qualität mit Brief und Siegel zu belegen.

Was hier und heute von uns erwartet wird, liest sich wie eine Stellenanzeige: Hohes Engagement und Ehrgeiz! Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen. Teamfähigkeit, besonders in schwierigen Situationen, z. B. bei Begegnungen im Treppenhaus . Eines sollte man aber in jedem Fall auch noch mitbringen: Begeisterung (und gesunde Kniegelenke). Denn die begehrte TÜV Rheinland Prüf-(Medaille) erhält der, der es schafft, zweitausendvierhundertzwanzig Treppenstufen und vierhundertfünfundfünfzig Höhenmeter zu überwinden - auf einer Distanz von 42,195 Kilometern und über zwei Ebenen durch das Verwaltungsgebäude des TÜV.

Die Auszeichnung „geprüft und für gut befunden“ erhält der, der nach 55 Runden das Ziel erreicht. Aber nur der fitteste, durchtrainierteste und taktische Cleverste wird am Ende das Rennen um das heißbegehrte (Sieger)Treppchen machen. Und wer weiß, vielleicht erhöht das die Beförderungschancen für den, der hier gewinnt?


Casual-Sunday


Die Teilnehmerzahl auf der Marathonstrecke ist auf 120 Teilnehmer begrenzt. Die erste Hürde der Bewerbung ist, wenn auch nur knapp, geschafft. Durch das Nachrückverfahren von der Warteliste, erfahren wir erst zwölf Tage vor Beginn des Marathons von einer Teilnahme. Für eine präzise Vorbereitung viel zu spät. Mit der Erfahrung aus dem Jahre 2006 trauen wir uns aber trotzdem.



Die Straßen im Industriegebiet bei Nürnberg wirken verlassen. Die Büros verschlossen, die Wände der Gänge strahlen weiß, die Türrahmen dunkelblau-metallen.  Auf dem hellgrauen Nadelfilz im Foyer drängeln sich Lauftreffgruppen, Einzelläufer und Schaulustige. Was sind das für Menschen, die heute an einem Sonntag freiwillig Überstunden machen? Wie an einem normalen Arbeitstag sind sie alle hier, die Arbeiter und Angestellten, Emporkömmlinge und Freelancer.
Wie aus einem Großraumbüro schallen Dialekte, fränkisch, schwäbisch, bayrisch und österreichisch, zu mir herüber. Bayern3-Moderator Markus Othmer unterbricht das Gruppenmeeting und ruft die Bürogemeinschaft zum Betriebssport auf. Es ist Sonntag, 11:00 Uhr - das „hochfahren“ meines Organismus‘ fordert mir heute einiges ab. Am liebsten wäre ich noch ein paar Stunden auf Standby geblieben. Plötzlich die Wendung.


Versuchsobjekte im Treppenstufentest


Als riefe jemand „Feuer“, stürzen die Prüflinge des Marathons aus dem Foyer der Ebene 1 los. Zeitgleich starten die Halbmarathonläufer von der Ebene O. Miteinander, nebeneinander oder gegeneinander? Aus den noch eben friedlichen Kollegen, sind Kollegenhasser geworden, jeder ist auf seinem eigenen Karrieretrip.



Mit vollem Körpereinsatz geht es über grauen, hochbelastbaren Nadelfilz hinweg, durch geöffnete Feuerschutztüren, vorbei an blauen Türrahmen mit verschlossenen Türen, weiter durch dezent beleuchtete Gänge. Vor uns das Treppenhaus im schmalen Format. Drinnen ein entsetzliches Bild: Überall Läufer - sie stehen dem Weiterkommen im Wege. Jeder versucht über die Treppe nach unten ins Souterrain zu laufen. Immer tiefer hinein in das Gebäude aus Beton und Stahl. Unten angekommen, 180 Grad Kurve und hinaus auf einen anderen Gang der Ebene O. Der Gang ist lang, nur manchmal wird er kurz unterbrochen durch einen Schlenker auf den parallel sich ziehenden Gang.

 
 

Informationen: Indoor Marathon
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