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Laufberichte

42 – 55 – 110 - 2420

 

Meine Vereinskollegen können überhaupt nichts mit den rätselhaften Zahlen anfangen. Nur Insider kennen sich aus, wenn es zum Laufen im November nach Nürnberg geht. Der Indoor Marathon in der Landesgewerbeanstalt (LGA) zieht nicht wenige Interessenten auf den Plan, so dass die 120 Plätze für Solisten und die 30 Startnummern für die Teamplayer in Kürze an dem Mann bzw. an der Frau sind. „Bist du net ganz gscheit“, so der  Kommentar eines Freundes im Verein.

Das Ungewisse beim IndoorMarathon, wie schmale Laufwege, Pendelstücke, zig Kurven und vielleicht Harakiri-Überholmanöver im Treppenhaus, habe ich längst hinter mir gelassen. Und viele, die heute an den Start gehen, sind, so wie ich, schon mehrmals durch die Bürogänge des langen Gebäudes in L-Form gewetzt.

Ich reise am Sonntagmorgen auf fast leeren Straßen in die Noris. Lediglich in meiner Heimat stelle ich ein außerordentliches Verkehrsaufkommen von Pferdeanhängern fest. Kein Wunder, der St. Leonhard steht an, und der Heilige ist Schutzpatron der Pferde und des Viehs. Gerade in meiner Heimat und in ganz Altbayern finden heute Leonhardiumzüge statt.

Nürnberg ist schnell erreicht, aber dann muss ich eine Erkundungsrunde drehen, dann das Navi kennt die Schillerstraße 2 nicht. Die Landesgewerbeanstalt, eine Tochtergesellschaft des TÜV Rheinland, erreiche ich nach einer verbotenen Fahrt durch eine Anliegerstraße. Kostenlose Parkplätze gibt es genug.

Eigentlich könnten wir unser Läufchen gleich an die frische Luft verlegen, denn so mild war es im November schon lange nicht mehr. Deutlich über 15 Grad hat die Luft draußen. Und drinnen? Mir werden es sehen und erfahren.

Was ist zu dieser Veranstaltung zu sagen? Zuerst das: Der Indoor Marathon ist die Möglichkeit, sehr günstig einen 42er zu laufen. Bei zeitiger Voranmeldung nimmt man nur 20 EUR pro Läufer. Alle Sportler erhalten Urkunden per Download sowie ein Funktionsshirt und eine Medaille. Die drei schnellsten Läufer erhalten gar ansehnliche Geldprämien. Die Zeitmessung geschieht über einen Chip an der Startnummer.

Die LGA Bayern tritt als Veranstalter auf, als Ausrichter helfen die Sportler des Team Klinikum Nürnberg mit, dass alles in geordneten Bahnen abläuft. Die Regeln werden vor dem Start genau erklärt: Rechts laufen und links überholen und im Treppenhaus gilt Überholverbot. Und öfters mal das Gas herausnehmen, wird uns empfohlen, nicht dass jemand im Sturzflug die Treppen hinunter segelt.

Die Prüfung baustatischer Nachweise, Typprüfungen und Zulassung von Bauteilen sowie die Genehmigung des Betriebs von sogenannten Fliegenden Bauten wie Fahrgeschäften stehen im Aufgabenbuch des öffentlichen Unternehmens.

Als ich das Foyer des Bürogebäudes betrete, sehe ich, dass die Helfer schon ganze Arbeit geleistet haben. Die Laufstrecke ist mit Bändern ausgeschildert, die Zeitnahmetore stehen bereit und viele Läufer sind mit ihren Startvorbereitungen beschäftigt. Bis auf wenige, die das ganze schon erledigt haben und den Autor abfangen: „Du schon wieder,“ spricht Gerhard Wally und lässt seinen Bizeps vor der Kamera anschwellen. Zu den Vielfachtätern gehört auch sicher unser Pumuckl Dietmar Mücke und Lionheart Erwin Bittel. Letzterer hat noch keinen der bisherigen zehn Ausgaben ausgelassen.

Im Meldebüro werde ich bereits von Petra Schuster und Kerstin Dahlke erwartet. Die beiden haben die Sachen für mich bereits hergerichtet, ich brauche nur noch zu laufen, lachen beide. Petra wird dann später auch im Renngeschehen zu sehen sein, denn sie wird den Halben angreifen. Neben wenig Werbung finden wir in der Stofftüte noch drei Tüten mit Bonbons eines Sponsors.

Nach meinen Vorbereitungen werden wir im Foyer versammelt, denn für das Fernsehen soll noch eine kleine Filmsequenz gedreht werden. Markus Othmer, der Moderator vom Bayerischen Rundfunk, erklärt noch ein paar wichtige Dinge und dann werden wir in den Gang gewiesen, wo unser Startpunkt liegt. Die Halbmarathonis gehen in den Keller, dort beginnt ihr Rennen.

Urplötzlich, ohne Schuss, ohne „auf die Plätze“ jagt die Meute auf und davon. Warum so ein Schnellstart? Vielleicht möchte man im Foyer die Ideallinie am Aufzug erwischen oder nach weiteren knapp 200 Meter eine Pole Position beim Downhill im Treppenhaus? Egal, der Marathon wird erst im letzten Drittel entschieden und vielleicht werden die Geldprämien erst in der letzten Runde ausgesprintet.

Vor dem ersten Treppenhaus muss ich meine Geschwindigkeit nur ein wenig verringern, dann komme ich durch die Engstelle der Türe hindurch. Am Geländer hat man eine Matratze befestigt, als Schutz für die, die die Kurve nicht kriegen. Die Treppen trabe ich einzeln hinunter und nehme nur die letzten zwei auf einmal. Ich bin fast zu langsam, da mir der Gerhard Wally auf den Fersen ist. Wir sind im Keller, es lässt sich wieder gut laufen. Knapp 200 Meter geradeaus, dann laufen wir nach links. Hier kann man später verpflegen, die Helfer stehen schon bereit, haben jetzt in der ersten Runde noch nichts zu tun.

Doch nach weiteren knapp 200 Metern müssen wir wieder ins Treppenhaus. Hier staut es sich schon im Gang zurück. Wenn du dann durch die Treppenhaustüre durch bist, kannst du wieder empor steigen. Zwei Stufen in einem Tritt, jetzt noch ein leichtes, aber wie schaut es in zwei, drei Stunden aus?

Oben auf der Ebene 1 laufe ich nach links weg und bin in einer knappen Minute wieder im Foyer. Eine Runde ist geschafft, als ich durch die Zeitmeßportal renne, was auf der Digitaluhr abzulesen ist. So rund eine halbe Stunde werden wir auf der Marathonstrecke mehr brauchen als „normal“, so ist meine Einschätzung. Mit Gemütlichkeit werden es heute also vier Stunden und wenn es drüber geht, auch egal. Außerdem habe ich vom Vortag noch schwere Beine vom Bayerischen Crossfestival, wo ich mir als Zweiter in der Klasse einen Sixpack Isogetränk auf Hopfenbasis erlaufen habe. Der Wolfgang Wild aus Weiden hat es mir gleichgetan und ist hier im Rennen unterwegs.

Wissen sollte man als Teilnehmer, dass für den Marathon 55 Runden fällig sind, die Strecke natürlich vermessen ist und dass es 455 Höhenmeter sind. Die Halbmarathonis müssen 27 Runden laufen. Mitzählen brauchst du nicht, denn die Zeitmessanlage lässt kein Bescheißen zu und zählt jede Runde mit. Du kannst später sogar noch eine Analyse machen, wie deine Rundensplits sind. Auf einer großen Anzeige werden die gelaufenen und noch zu laufenden Runden angezeigt. Bei uns Marathonis ist es jetzt noch egal, denn wir lassen die Halben ihr Rennen auslaufen, nach zwei Stunden wird es auf der Strecke dann ruhiger. Erst auf der letzten Runde empfehle ich, beim Zeitnehmer nachzufragen, ob man wirklich fertig ist.

Ich habe Zeit, mir die Leute genauer anzusehen. Einer hat schon auf ähnlichen Untergrund geübt. Mister Planet-Marathon Franz Schwengler wirbt auch gleich mit seinem Finishershirt für den Great Wall Marathon auf der Chinesischen Mauer. Dort sollen die Stufen deutlich ruppiger, rustikaler und unebener zu belaufen sein. Lustig ist das Team „die gestiefelten Muskelkater“ mit Markus Jauernig und Lisa Heinschild. Dem Markus empfehle ich Geheimtraining, denn die Lisa ist ihm später davongelaufen – auf der Strecke nur, nicht im Leben. Ganz ein anderes Kaliber sind der Pumuckl und Erwin Bittl. Die wollen es wissen, machen Tempo und überholen die Gegner, mich eingeschlossen, schon in der ersten Stunde.

Andere Beobachtungen kannst du im Treppenhaus anstellen. Hinunter mache ich langsamer als hinauf. Denn bergab könnte man ja an einer Stufe hängenbleiben und so mit der Birn die Dämpfungseigenschaft der Matratze testen. Auf diese Weise die Sicherheitsmaßnahmen testen,  können andere. Hinauf steige ich meist zwei Stufen auf einmal. Den Vogel schießt einer aus dem Spitzenfeld ab. Der nimmt drei Mal jeweils zwei Stufen und springt die halbe Treppe zum Schluss in einem Satz hinunter. Mir wird schwindlig vom Zuschauen.

Im Foyer, bisher wurden wir dort von rhythmischer Musik aus der Konserve unterhalten, hat sich die Sambaband Ritmo Candela positioniert, leider ohne ihre Tänzerin. Schade, ich hatte mich schon auf ein schönes Selfie gefreut. Nach einer guten Stunde kann ich sehen, dass ich auf Gesamtrang 26 und Klassenplatz 5 bin. Bin darüber ein wenig erstaunt und hätte mich wegen der vielen Überholungen der schnelleren Läufer weiter hinten vermutet.

Dann die Sache mit der Verpflegung. Jede Runde zuzugreifen, wäre wohl übertrieben. Aber so alle drei, vier Runden empfehle ich schon eine kurze Einkehr. Wasser, Iso, Cola, Kekse, Riegel und Bananen stehen im Angebot, das reicht vollends. Die Becher sind etwa zu einem Drittel gefüllt, das ist genau richtig. Während am Anfang des Rennens noch die meisten aufpassen, so wenig wie möglich zu verschütten, wird es später anders. Teils wird gesabbert, teils werden die Abfallwannen nicht getroffen. Doch das Putzkommando hat alles im Griff, wischt die Nässe auf und räumt alles weg, was herumliegt und herumsteht. Mein Lob und Dank dafür an die Helfer.

Nach gut 1.45 Stunden wird es auf den Gängen ein wenig ruhiger, denn die ersten Halbmarathonis haben fertig mit der Dreherei. Dafür steigt jetzt Anita Kinle mit ihren Schützlingen ins Rennen ein. Toll, wie die Kinder vom Laufclub 21 auf der Strecke mit Spaß und Freude unterwegs sind.

Das Interesse der Medien ist riesig. So sehe ich immer wieder Kameras des Bayerischen Rundfunks in den Treppenhäusern oder auf den Gängen. Und von der Presse verrichtet Peter Ehler laufenderweise seine Arbeit. Im Foyer werden wir immer wieder von Markus Othmer angekündigt. Er ist es dann, der mich auf die Idee mit der Überschrift bringt. Ich höre ihn von 110 Treppenhäusern und 55 Runden reden und ich ergänze das mit den Kilometern und der Anzahl der Stufen.

Nach rund 40 Runden merke ich die gelaufenen Meter und Kilometer, die Muskulatur mault in den Treppenhäusern gehörig. Man sollte schon vorher das Tempo ein wenig reduzieren und nach den Stufen wieder sachte Fahrt aufnehmen. Meine Restrunden sind bereits einstellig, als ich auf der anderen Seite im Foyer mitbekomme, wie die Zweitschnellste der Frauen gerade ins Ziel stürmt: Ulrike Mayer-Titanic, äh, Tancic.

Mittlerweile muss jetzt auch  Pumuckl Dietmar Mücke kämpfen. Dabei lebt er heute auf leichtem Fuß – ohne Schuhe und barfuß! Ich kann ihm sogar eine Runde wieder abnehmen. Dann trifft mich der Muskelkrampf auf der vorletzten Runde im Treppenhaus hinauf. Mein Frohlocken ist nicht druckreif. Der Volker Drexler mustert mich kurz, stellt die Diagnose („Bei dir geht’s gleich wieder“), und lässt mich stehen. Nach fünf Sekunden Dehnen und fünf Meter gehen kann ich wieder antraben und beschließe nach der letzten Runde mein Rennen.

Ich verbleibe kurz im Foyer und lasse meine Runden kontrollieren. Der Helfer von Bibchip nickt auf meine entsprechende Frage. An der Anzeigetafel sehe ich, dass ich mich sogar um einige Plätze noch vorarbeiten konnte. 4.06.04 Stunden, 21. Platz gesamt und Dritter der M55, ich bin zufrieden.

Dann mache ich mich auf zur Ehrenrunde im Spazierschritt und motiviere die Läufer, die noch einige Runden vor sich haben. Jetzt kann ich noch das eine oder andere Motiv einsammeln, denn vorher war das ohne Behinderung fast nicht möglich. Unten im Keller bedanke ich mich bei den Helfern an der V-Stelle, den Aufpassern in den Treppenhäusern und den Sanis. Ihr seid Spitze!


Sieger Männer:
1. Marco Sturm, SWC Regensburg/Team SCOTT, 3.09.24
2. Thorsten Siegl, TEAM AR SPORT Asperg, 3.11.52
3. Johannes Weiser, Freaky Friday Runners Bamberg, 3.28.29

Sieger Frauen:
1. Sonja Huber, TG Viktoria Augsburg, 3.35.45
2. Ulrike Mayer-Tancic, LG TELIS FINANZ Regensburg, 3.36.58
3. Alice Pulfer, Laufbasis Allgäu, 3.40.24.

Teilnehmer:
Gesamtteilnehmer 120 Einzelläufer, 30 Staffeln. Mehr Teilnehmer verträgt die Strecke nicht. Tatsächlich sind fast alle Gemeldeten erschienen.

Streckenbeschreibung:
Auf Ebene 1 Filzboden, unten Noppenboden, 2 Treppenhäuser.

Wettbewerbe:
Marathon, Halbmarathon, Staffellauf.

Zeitnahme
Bibchip (Transponder in der Startnummer).

Auszeichnung:
Große Goldmedaille, Funktionsshirt, Urkunde für alle. Geldpreise für die 3 schnellsten Damen und Herren. Das alles für 20 EUR Startgeld.

Logistik:
Reichlich Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe. Startnummern können bereits Freitag und Samstag zuvor abgeholt werden, am Starttag ab 08.00 Uhr. Duschmöglichkeiten und  Kleiderablage im abgetrennten Bereich.

Verpflegung:
Verpflegungsstation auf der Ebene 0 mit Iso, Wasser, Cola, Bananen, Riegel, Keksen.

Zuschauer:
Viele Zuschauer im Foyer, sachkundige Moderation, Sambagruppe

Nächster IndoorMarathon:
Am 06.11.2016. Interessierte sollten sich frühzeitig anmelden, denn die Startplätze sind Wochen vorher ausgebucht.

 

Informationen: Indoor Marathon
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