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Laufberichte

Kernige Kinder, fehlende Frauen und satte Sonne

31.08.08

Der Hunsrück-Marathon ist ein Punkt-zu-Punkt-Lauf auf einer ehemaligen Bahntrasse von Emmelshausen über Kastellaun nach Simmern – dem Schinderhannes-Radweg. Als Radweg eher als sanft und ohne unangenehme Steigungen beschrieben, hat er als Marathonstrecke auch nichts Böses, kann aber aufgrund der langen, stetigen Steigungen schon ein bisschen unsanft in den Beinen zwicken.

Die Anfahrt

Zentrum des Marathongeschehens ist die Kreisstadt Simmern, der Metropole des Schinderhanneslandes im Vorderhunsrück. Der legendäre Räuberhauptmann trieb hier Ende des 18. Jahrhunderts sein Unwesen, saß ein halbes Jahr gefangen im heutigen Wahrzeichen der Stadt, dem Schinderhannesturm, floh, stahl weiter und wurde 1803 im nahen Mainz geköpft.

Simmern ist schnell zu finden, der Weg zu den Startunterlagen in der Hunsrückhalle sehr gut ausgeschildert und Parkplätze gibt es reichlich.

Die Startunterlagen

Als ich am frühen Samstagnachmittag in der Hunsrückhalle in Simmern ankomme, füllt sie sich gerade. Die Helfer sind meist junge Menschen mit guter Laune und haben auf die vielen Fragen der Teilnehmer schnelle und kompetente Antworten. In Simmern befindet sich das Ziel des Marathons, von hier fahren am Sonntagmorgen die Busse zum Start nach Emmelshausen. Wer mag, kann auf Anfrage auch dort (im Zentrum am Park - ZAP) seine Startnummer erhalten. 


Das Rahmenprogramm

Ein kurzer Weg führt von der Hunsrückhalle zum Schlossplatz. Hier ist Volksfeststimmung. Es ist gerade 15 Uhr geworden und der Platz ist voller Familien. Aufgeregte Eltern, die ihren Nachwuchs in den Youngster-Rennen auf die Strecke schicken, prägen das Bild. Wie bei den Olympischen Spielen werden die Jungs von den Mädels getrennt starten; die kleinen Athletinnen jeweils zuerst.

Wenn man sich das Teilnehmerfeld des Marathons vor Augen führt, kann man nur hoffen, dass diese kleinen Läuferinnen Geschmack an den Rennen finden und sich als Erwachsene zahlreich auf die 42,195km-Strecke begeben. Nur 21 Frauen werden am nächsten Tag den Marathon laufen. Also los Mädels, gebt alles! Das tun sie. Und die Jungs auch. Höchst amüsiert verfolge ich die Rennen. In den kleinen Gesichtern spiegelt sich Spaß, Unwohlsein, Angst, erwartungsfrohe Neugierde, Ungeduld und Ehrgeiz wider, genauso, wie ich es am Sonntagmorgen bei uns Marathonläufern wahrnehmen kann. Nur dass wir nicht einfach weinen und uns hinschmeißen – auch wenn uns manchmal vielleicht danach ist.

Abends begebe ich mich kurz ins Festzelt zur Nudelparty. Die Partystimmung ist etwas verhalten. Vielleicht bin ich zum falschen Zeitpunkt hier, es gibt keine Musik, kaum jemand unterhält sich… es ist ein heißer Tag gewesen. Auch ich ziehe mich zurück und lasse den Abend mit einem Radler unter dem sternenklaren Himmel ausklingen.  


Der Sonntagmorgen

Gegen 8 Uhr treffen sich die Marathonläufer hinter der Hunsrückhalle und fahren mit dem Bus nach Emmelshausen. Er fährt und fährt und fährt, hm, ist ganz schön weit. Wenn der Bus nicht gleich anhält, könnte es passieren, dass ich keine Lust mehr habe. Neben mir sitzt ein Mann aus Trier. Er war schon oft beim Hunsrück-Marathon und beschreibt mir die Höhen und Tiefen.

Ach, hat da nicht mal jemand zu mir gesagt, dass der Hunsrück ganz locker und einfach zu laufen sei? Ziemlich flach, sogar ein wenig abschüssig? Das gibt `nen Satz heißer Ohren!

Emmelshausen ist ein erst 70jähriger Ort mit viel Kulturprogramm, das sich zumeist im ZAP (Zentrum am Park) abspielt und heute für die Inliner und Läufer der Marathonstrecke geöffnet ist. Hier können einige Voranmelder ihre Startnummern bekommen und einige Helfer beantworten auch hier fröhlich die Fragen der Teilnehmer.

Ein paar Meter weiter warte ich gemeinsam mit Albrecht von der LG Sulzburg. Wir schauen uns den Start der Inliner an und plaudern ein wenig. Er freut sich auf den Lauf, die schöne Gegend und über das Wetter. Alles wird gut…


Der Start

Es ist ein übersichtliches Teilnehmerfeld. 227 Männer und 21 Frauen. Schade. Etwas mehr durchmischt gefiele es mir besser.

Los geht`s. Zunächst laufen wir eine Schleife rund um Emmelshausen. Erstaunlich viele stehen klatschend und trötend am Wegesrand. So langsam werde ich wach. Bei Kilometer 4 gibt es die erste Steigung und oben am Berg heftiger Applaus und etwas zu trinken. Tut gut. Es ist gerade kurz nach 9 Uhr und es ist schon mächtig warm. 


Auf dem Schinderhannes-Radweg von Emmelshausen bis Kastellaun

Die ersten fünf Kilometer liegen hinter mir und das Läuferfeld hat sich bereits auseinander gezogen. Die ehemalige Bahntrasse, von der ich mich die nächsten vier Stunden nicht wegbewegen werde, liegt zunächst im Schatten. Ich bin froh darüber, obwohl ich kaum Probleme habe, bei Hitze zu laufen. Manch einer hat bei diesen Temperaturen (es werden noch 29 Grad) Schwierigkeiten, die verlorene Flüssigkeit wieder aufzutanken.

So etwa bei Kilometer 8, bei Leiningen, ist schon die nächste Wasserstation. Quietschrosafarbene Mehrwegbecher werden von großen und kleinen Menschen gereicht. Vor und hinter mir sind stets die gleichen Läufer, man hat sein Tempo gefunden. Ein kurzes Wegstück plaudere ich mit Christian (AK 1 M65). Viel hat er nicht trainiert für diesen Lauf, hat Spaß daran und sich keine Zeit vorgenommen. Der Weltenbummler weiß hoffentlich, was er tut. Immer häufiger laufen wir an Walkern vorbei. Manch einer ist dabei schneller als einige Läufer.

Bei Kilometer 14 passieren wir den Bahnhof Pfalzfeld. Ein gut besuchter Biergarten macht mich kurz neidisch. Ich schnappe mir ein bisschen von der guten Stimmung und laufe weiter. Die alten grünen Zugwaggons können als Schlafwagen gemietet werden, erzählt mir jemand, während wir gemeinsam aus unseren rosa Becherchen schlürfen.

Der Weg bis hierhin ist schön, zwischendurch gibt die Strecke wunderbare weite Ausblicke hinein in den Hunsrück. Mehr ist dazu aber auch nicht zu sagen. Einfach schön. Nichts furchtbar Beeindruckendes, aber auch nichts grässlich Langweiliges.

Zwischendurch lange Steigungen, aber nichts Steiles. Immer wieder schöne Rosabecher mit kühlem Wasser, hügelige Landschaft, schön grün und heute besonders schön sonnig. Und so geht es auch die nächsten Kilometer weiter. Habe ich schon erwähnt, dass mir wahnsinnig warm ist?

Bei Kilometer 25 hört man immer wieder Musik, Lautsprecher, Anfeuerungsrufe. Kastellaun naht. Nach 27 Kilometern wird das Getöse immer deutlicher und dann auch sichtbar. Absperrungen, eine Tribüne…fast habe ich das Gefühl, dass ich schon im Ziel bin. Darf ich hier aufhören? Mir meine wohlverdiente Medaille abholen und mich in irgendeinen kühlen Teich schmeißen? Meine Beine brodeln. Mir geht’s sonst prima. Aber in den Oberschenkeln kocht das Blut, da bin ich sicher. Nee, die sind hier fies: Ich laufe durch die Menge und der Mann am Lautsprecher brüllt mir zu, dass ich die 18. Frau bin. Na toll! Von 21!  

 
Von Kastellaun bis Simmern

In Kastellaun ist heute der Start des Halbmarathons und einiger Schülerstaffeln. Hier tobt die Menge. Der Marktplatz ist voll.

Drei Kilometer südlich der Stadt auf der Pydna sollten in den 80er Jahren als Folge des NATO-Doppelbeschlusses 96 abschussbereite Cruise-Missiles mit Atomsprengköpfen gelagert werden. Im Oktober 1986 fand hier die wohl größte Demonstration der Hunsrücker Geschichte statt. 200.000 Menschen, darunter etwa 10.000 Hunsrücker, protestierten gegen die Stationierung der Raketen.

Zurück zum Laufen, ein viel schöneres Thema. Kaum, dass ich an Kastellaun vorbeigeflitzt bin, wird es plötzlich überall voll. Meine Ruhe ist dahin. Eigentlich bin ich gerade etwas kaputt und die vermeintliche Zielgerade hat mich sowieso schon völlig aus dem Konzept gebracht. Ständig überholt mich jemand. Und ich war bis dahin überzeugt, ein gutes, wenn auch nicht rasantes Tempo zu haben. Gleichzeitig gibt es hier noch eine Steigung, die es in sich hat. Frische Halbmarathonis und Staffelstarter drängeln mich an den Rand.

Diese Kilometer um die 30 mag ich, weil sie so ruhig und besinnlich sind – was ich meist eher nicht bin. Nun werde ich da völlig rausgeschmissen. Ganz abrupt. I´m not amused! Okay, ärgern gepaart mit körperlicher Anstrengung ist nicht gesund. Also muss ich umdenken. Ein bisschen muss ich mich aber schon konzentrieren… Die Rettung kommt dann in Gestalt eines kleinen Mädchens. Lisa, etwa zehn Jahre alt, eine kleine Staffelläuferin mit einem herrlichen Gemüt, dümpelt vor mir auf der Strecke vor sich hin und summt ein Lied. Bei der Hitze, in der Unruhe…“Hallo!“ sagt sie und „Ich finde das ganz schön anstrengend.“ Ich komme mir vor wie Exupery mit seinem kleinen Prinzen. Lisa hat viel zu erzählen. Ich verspreche ihr ein Foto und wir laufen ein langes Stück gemeinsam. Sie muss ihr Band irgendwo abgeben. Aber wo, das weiß sie nicht genau. „Dahinten.“ Hm. „Das gebe ich Lisa.“ Ich dachte, sie heißt Lisa. „Ich auch. Lisa steht da irgendwo und dann gebe ich ihr mein Band und dann bin ich fertig. Aber ich glaube, es ist noch weit. Und anstrengend.“ Ich mache ein paar Fotos, sie lacht, ich verabschiede mich und das Lachen begleitet mich noch eine Weile. Danke Lisa! 


Das Gewusele um mich herum hat sich gelichtet, es bleibt bis zum Ziel allerdings belebter und schneller. Ich selbst bin um einiges schneller geworden, obwohl ich mich als so langsam empfunden habe. Einige der Marathonis empfanden es auch als störend, plötzlich aus dem Nichts heraus mit so vielen, vor allem so schnellen Mitläufern konfrontiert zu sein, aber ich habe ebenso viele gesprochen, die dankbar für die Abwechslung waren, die sie durch die Halbmarathonläufer erfuhren. Das wird sicherlich ganz unterschiedlich wahrgenommen.

Das Ziel

Landschaftlich hat sich der Weg auf den letzten Kilometern eigentlich nicht verändert. Es ist eben eine Bahntrasse, und das ist sie auf 37 Kilometern. Kurz vor dem Zielort Simmern ist ein alter Tunnel und damit auch Licht am Ende des Marathons. Man läuft drumherum, ein letztes Mal hoch auf eine Brücke und lässt sich hinab ins Ziel fallen. In Simmern erwartet einen wohl der ganze Hunsrück, zumindest fühlt es sich so an. Die Begeisterung der Zuschauer ist auf der gesamten Strecke groß gewesen und sehr herzlich. Die Bevölkerung scheint den Hunsrückmarathon zu lieben – und hier im Ziel merkt man das noch einmal umso mehr.

Hinter der Zielgeraden gibt es unterschiedliche Bilder: viele, deren Kreislauf aufgrund der Hitze verrückt spielt und einfach glückliche Finisher, die grinsend, sich und die Welt umarmend, den Tag zu Ende gehen lassen. Ich schütte mir jede Menge Apfelschorle rein, spreche noch mit einigen Marathonläufern und mache mich auf den Weg zu meinem Kleiderbeutel.

Geduscht wird im Hallenbad direkt neben der Hunsrückhalle. Wenn es etwas gibt, das ich nach dem Lauf als absoluten Luxus empfinde, dann ist es Schwimmen. Ich habe bereits am Vortag einen Badeanzug und meine Schwimmbrille in den Kleiderbeutel geschmissen und erlaube mir jetzt nicht nur zu duschen, sondern auch schwimmen zu gehen. Keine Angst, ich bin nicht so verrückt, jetzt noch Kacheln zu zählen, einfach nur zwei oder drei Bahnen ziehen und mich und meine brodelnden Beine ins Wasser hängen. Herrlich!!  

Marathonsieger

Männer

1  Diehl, Marco (DEU)    TSV Friedberg-Fauerbach 02:32:37 
2  Wickenhöfer, Olaf (DEU)     02:46:11
3  Christ, Peter (DEU)    X-SPORT Kastellaun 02:48:20 

Frauen

1  Walter, Iris (DEU)    TV 1848 Meisenheim 03:16:02
2  Heidemann, Gaby (DEU)     03:36:07
3  Steinborn, Gulja (RUS)    LG Einrich Katzenelnbogen 03:44:03 

 

Informationen: Hunsrück Marathon
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