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Laufberichte

Blut, Abenteuer und Milchshake

26.08.12
Autor: Joe Kelbel

oder: Ganz vorne im Hunsrück


oder was?

 

In der Nacht merke ich, dass meine Rechnung nicht aufgeht: Hunsrücker Räuber lassen sich nicht mit einem halben Ring Schwarzwälder Blutwurst ablenken. Kaum hatte ich einen Räuber erschlagen, kam der nächste angesurrt. Nächstes Jahr lege ich die Blutwurst in eine getragene Laufsocke.

Inspiriert hatte mich die Bronze des berühmten Räubers vor dem Schinderhannesturm in Simmern: “Der Schinderhannes mit Kumpan beim Schweinediebstahl 1797”.

Geschwächt durch den nächtlichen Blutraub schleppe ich mich zum Shuttlebus (7:55 Uhr), der uns vom Zielort Simmern zum Startort nach Emmelshausen bringt. Wer in Emmelshausen statt in Simmern seine Startunterlagen abholen will, der kann dies auf dem Faxformular vermerken, welches mit den Startunterlagen zugeschickt wird.

An Schlaf im Bus ist nicht zu denken. Nach 30 Minuten Ankunft in Emmelshausen.
Als vor über hundert Jahren die Hunsrückbahn in Betrieb ging, wanderten die Touristen zum Galgenberg, der 100 Meter vom Haltepunkt der Shuttlebusse entfernt ist. Ein Chinesen-Restaurant mit Namen “Haus zum Galgenberg” steht seit Jahren leer. Am Bahnhof steht das Hotel Waldfrieden. Der Heilpraktiker Pies (genannt der Knochenflicker) baute es 1908. Davor eine Bronze: “Der Knochenflicker mit jungem Patienten.” Witzig, denn die “Touristen” waren Kranke mit Verrenkungen, Brüchen und Hexenschuß, und  die Schmerzensschreie, die durch den Wald hallten, wenn der unsanfte Opa Pies mit seinen kräftigen Händen gebrochene Knochen in die richtige Lage brachte, gaben dem  Hotel den Namen Waldfrieden wohl eher nicht.

Ein breites Angebot bietet der Hunsrückmarathon: Neben den klassischen Distanzen Marathon und Halbmarathon gibt es die Rennen für Schüler und Kinder, Teamstaffeln Funlauf, Skater und Walker. So kann der Veranstalter Ottmar Berg dem gleichzeitig stattfindenden Marathon in Siegen mit Zugpferd Sabrina Mockenhaupt erfolgreich Paroli bieten.

Unter dem Startbogen stehend, schaue ich links und rechts, suche in den Fenstern den Querulanten, der sich jedes Jahr über die Aufstellung der Stahlkonstruktion beschwert. Wie Ottmar Berg berichtet, ist der Streit dieses Jahr ziemlich eskaliert, sodass es beinahe nur den Halbmarathon gegeben hätte. 

Wird Marco Diehl heute zum achten Mal in Serie den Sieg beim Hunsrückmarathon davontragen? In Neun Jahren lief er 116 Marathons. In Barcelona und Wien blieb er unter 2:34, dann die Siege beim Hasetal-Marathon und in Füssen, sowie weitere vier Podiumsplätze in diesem Jahr. Üblicherweise beendet er seine Saison Ende Oktober, um dann vier Monate Kraft zu tanken. Im nächsten Jahr stehen u.a. Antalya und San Francisco auf dem Programm. Als ich ihm flüstere, dass sich hier irgendwo Tobias Sauter (Bestzeit 2:17) versteckt, wird er ein bisschen blass. Tobias wird von Waldemar Cierpinski trainiert, hatte aber in den letzten Jahren Verletzungspech. Wahrscheinlich hat er wegen seines Bandscheibenvorfalls im Hotel Waldfrieden übernachtet.

Manche Spitzenläufer kommen erst Sekunden vor dem Startschuss hinter die Linie, so auch Tobias, der sich wohl hinter dem breiten Rücken des Landtagspräsidenten versteckt hielt und geschickt die Champion-Chip-Matte umsegelt, um ja keinen Frühstart auszulösen.

Schnell geht es hinab in den Ortsteil Basselscheidt. Der Weg “Am Wiebelsborn” erinnert an den Wunderborn, der innerhalb eines Heiligenhäuschens eingefasst war. Die Quelle ist verschwunden, doch Reste der tausendjährigen Wasserleitungen speisen noch die Niederung des Wiebelsbur, allerdings war hier vor 1000 Jahren auch der Friedhof, das Wasser wohl nicht mehr sehr schmackhaft. Hier ist ein kurzes Begegnungsstück der Marathonstrecke. Mir gelingt ein Foto von Tobias (203), dicht verfolgt von Marco.

Es gibt noch ein “Heilbrünnchen” neben der Straße, die wir nun hinauflaufen. Die Wunderwässerchen von Emmelshausen wurden im Mittelalter in Tonkrügen europaweit verkauft. Es werden immer noch Scherben mit Reliefs der Abfüllbetriebe bei Hausbauten gefunden.

Oben im Ortsteil Sauerbrunnen (km 5) fällt das historische Brunnenhaus von 1898 auf, wir biegen auf den Schinderhannes-Radweg ein, die alte Bahntrasse der Hunsrückbahn, unsere Laufstrecke bis zum Ziel in Simmern.

In Lamscheid herrschte vor dem Dreißigjährigen Krieg ein reger Badebetrieb. Auch das Wasser aus der Stahlquelle wurde in Tonkrügen exportiert.

Ein Gedenkstein erinnert an das Unglück von 1907, als die Bahntrasse gebaut wurde und 13 Todesopfer forderte: Ein Arbeiter wird durch einen Bergrutsch verschüttet,  Kollegen suchen nach ihm, Neugierige stehen herum, dann ein zweiter Bergrutsch, 40 weitere Menschen werden verschüttet. Schaurig die Schilderung, wie Helfer einen Mann mit Wasser versorgen, von dem nur noch der Kopf herausschaut.

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Informationen: Hunsrück Marathon
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