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Laufberichte

Im Laufschritt über die Schären(hügel)

 

Am Wege nach St. Petersburg mit einem Kreuzfahrtschiff war ich heuer Ende Juni schon einmal in Helsinki. Den Entschluss, mich für den 34. Marathon zu registrieren, habe ich allerdings schon nach meiner Rückkehr von einer Weltreise zu Ostern getroffen. Die Startgebühr war zu diesem Zeitpunkt noch ein klein wenig günstiger.

Mit Ernst Fink und Börni Keiler haben sich zwei weitere erfahrene Laufreaks vom 100 Marathon Club Austria vorgenommen, die eigene Marathonländerstatistik um Finnland zu erweitern. Besonders Ernst ist bestrebt, wenn nicht alle, so doch die wichtigsten Marathons im jeweiligen Land zu finishen und sich anschließend neuen Orten zuzuwenden.

Wir sind ohne Absprache angereist und gehen davon aus, dass wir uns spätestens vor dem Start irgendwo treffen werden. 

Der rund 2 km lange Spazierweg vom Scandic Hotel in der Simonkatu führen mich am Vortag der Reihe nach am Parlament, dem Finnischen Nationalmuseum, der Finlandia Hall und der Nationaloper vorbei. Da der Marathonkurs diese Sehenswürdigkeiten nicht direkt beinhaltet, klicke ich im Stile eines japanischen Touristen kurz mal auf den Auslöser. Fotos kann man fast immer für etwas gebrauchen, und wenn es nur der Beleg ist, dass man dort war. Auf einem Plakat wird angekündigt, dass Conchita Wurst in Espoo am 29.und 30. August 2014 ein Konzert geben wird. Das sollte jeden Österreicher mit Stolz erfüllen, möchte man meinen.

Die Abholung der Startunterlagen in der Töölö Sporthalle nahe dem Olymypiastadion, wo sich das Ziel des Marathons befindet, verläuft bei mir schnell und ohne Stress. Ich wundere mich nur, wie klein im Vergleich zu Marathons mit ähnlich hohen Teilnehmerzahlen von 4000 oder vielleicht 5000 Läufern, die Expo hier ist.

Vermutlich kommen viele einheimische Läufer, laut den Ergebnislisten der letzten Jahre ca. vier Fünftel aller Starter, erst am Samstag knapp vor dem Start des Marathons in die Halle, um sich den Chip und das diesmal violette Ascis-Funktionsshirt  abzuholen.

Die Verkaufsmesse ist sehr bescheiden, muss man anmerken. Dafür sind auf einer blauen Wandtafel mit weißer Schrift alle innerhalb des offiziellen Zeitrahmens registrierten Starter aufgedruckt, meinen Namen finde ich auch. Solche Pappwände mit allen Startern habe ich bspw. auch schon in Chicago, Florenz oder beim New York City Marathon gesichtet.

Beim Stand des Lettland-Marathons bleibe ich stehen, am 25. Riga-Marathon nächstes Jahr im Mai plane ich teilzunehmen. Ich habe ja einen Faible für schöne Medaillen, die Mustermedaillen von vorangegangen Marathons in Riga wirken edel und gediegen.

Ich halte mich nur kurz in der Halle auf, gehe dann nach draußen und geselle mich zu den Läufern, die sich vor den benachbarten Denkmälern der finnischen Weltklasseläufer Lasse Viren und Pavo Nurmi postieren und Fotos machen. Lasse habe ich im Juli 2012 in Prag-Holesovice  beim Emil Zatopek-Gedenkmarathon getroffen. Obwohl 1949 geboren, wirkte er auf mich wie ein Mittfünfziger. Er hat 1972 und 1976 bei den Olympischen Spielen jeweils die 5000 m und 10.000 m gewonnen. Pavo Nurmi war zwischen 1920 und 1928 noch erfolgreicher als Lasse Viren, er verbuchte 24 Weltrekorde.

Ich komme am Renntag erst gegen 14.30 Uhr in die Nähe des Startbereiches. Es bleibt noch Zeit, mich ins Stadion zu begeben, um einen Blick von den Tribünen oben ins Oval zu werfen. Conny, die Lebensgefährtin von Ernst Fink, erblickt mich. Wir setzen uns kurz zusammen, machen drinnen und draußen noch einige Gruppenfotos.

Auch Börni Keiler, der Dritte im Bunde, taucht auf. Börni hat sich eine gute Zeit für Helsinki vorgenommen, ihm ist wie Ernst und Conny einiges zuzutrauen. Mir haben Lauffreunde schon öfters bestätigt, dass man sich wegen der vielen Steigungen in Helsinki eine eher langsamere Zeit erwarten sollte. Ich wäre mit 4:45 zufrieden, denn mein Doppelpack in Rajec und Kainach (44 km und 1800 HM) letztes Wochenende hat Substanz gekostet.

Das Wetter am Start ist bestens, es hat angenehme 20 Grad. Ich stelle mich neben Börni, Ernst ist mit Conny etwas weiter hinten. Laut Platzsprecherin sollen mehr als 4000 Läufer aus 54 Nationen anwesend sein. Es geht los, für mich heuer schon das 24. Mal.

Ein Marathonstart macht mich nicht mehr nervös, schließlich kann ich inklusive 5 Ultras und nach meiner eigener Statistik schon auf 200 gefinishte Bewerbe über 42,195km verweisen. Außerdem wäre es öde, würde man nur für die Statistik in der Welt herumfahren und  viel Geld ausgeben, um auf flachen Kursen in 4 ½ bis 5 Stunden einmal die Marathondistanz zu laufen. Dahinter steckt mehr, Marathonlaufen ist noch immer Mythos. Man will sich etwas beweisen, man hat ein immer wiederkehrendes Ziel vor Augen, nämlich den emotionalen Moment zu spüren und dann wissen, dass man es wieder geschafft hat. Manche nennen es Sucht, andere Hobby. Viele aber lachen darüber und sagen dazu ein in Wien oft gebrauchtes jiddisches Wort, nämlich „meschugge“, also verrückt.

Ich blicke hinüber zu Börni, der hat einen Gang zugelegt, sein Anfangstempo liegt über 10 km/h. Ich muss ihn gleich auf dem ersten Kilometer ziehen lassen. Der Kurs führt um das Stadion herum, bald darauf noch vor Kilometer 2 rücken Ernst und Conny auf. Die haben es aber heute eilig, denke ich mir. Es herrscht gutes Laufwetter, ich befinde mich im 4h-Stunden-Finisherfeld, daher empfinde ich mein Lauftempo auch zu hoch.

Die Schleife verläuft weiter entlang des Tiergartens, die Strecke ist wegen der Bäume links und rechts ab Kilometer 2 zeitweise im Schatten. Man fühlt sich gleich wieder wohler, denn bei richtigen Hitzemarathons ist meine Finisherzeit stets deutlich langsamer.

Eine 5-Mann-Jazzkappelle mit gebügelten weißen Hemden und weißen Kappen spielt für die Marathonläufer auf.  Bald schon kommen wir zur Helsinkingatu, wo sich bei Kilometer 3 schon die erste Labestation befindet. Ich bin auf 5km-Laben eingestellt, ich bleibe nicht stehen.

Im Programmheft  werden exakt alle 5km-Punkte angeführt, doch wer außer einem Finnen merkt sich die z.T. auch unaussprechlichen Namen der Straßen entlang des Kurses. Meine Schwedisch-Kenntnisse sind zwar gut, doch Finnisch basiert auf einer anderen Sprachfamilie während man als Deutsch Sprechender die Ähnlichkeiten in der Bedeutung und Grammatik beim Dänischen, Norwegischen oder Schwedischen bald bemerkt. Der Vorteil hier in Helsinki und ganz Finnland ist, dass man Straßennamen auch in Schwedisch auf Karten und Stadtplänen anführt. Daher kann man sich so leichter orientieren.

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Informationen: Helsinki Marathon
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