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Laufberichte

Marathon auf hoher See

08.05.10

1500 x 800 plus 42 x 42

Was auf den ersten Blick wie eine Rechenaufgabe anmutet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen schnell als Kurzfassung meines heutigen Laufberichts: Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel (obwohl, streng genommen, die Bezeichnung geologisch gar nicht stimmt), 1.500 m lang und 800 m breit, absolviere ich heute meinen 42. Lauf über mindestens 42 km Länge. Wer mich kennt weiß, daß ich schräge Sachen liebe. Und Marathonlaufen auf einem „Fliegenschiß“ mitten im Meer gehört eindeutig dazu. Darüber hinaus war ich bisher noch nie auf Helgoland, also mußte das sein. Ich habe keine Sekunde bereut.

Tja, mit dem Marathon auf Helgoland ist das so eine Sache. Kurz entschlossen mal hinfahren, laufen und wieder heim ist nämlich nicht. Und so erschließt sich auch sehr schnell der neben dem sportlichen Teil touristische Hintergrund der Veranstaltung: Man kommt an mindestens einer Übernachtung, wenn man nicht gerade fliegt, nicht vorbei. Und weil ich keine Hektik mag, packe ich mein Lieschen (eigentlich heißt sie ja Elke, genau genommen Elke Elisabeth, aber Lieschen finde ich viel netter) und komme für drei Übernachtungen.

Eine Anmeldung geht demnach vernünftigerweise nur mit Buchung der Unterkunft. Wer jetzt aber meint, man hätte damit etwas Konkretes ausgesucht, irrt: Man kann nämlich nur eine bestimmte Kategorie angeben und erhält dann die Auskunft, daß die Inselverwaltung ca. vier Wochen vor dem Ereignis mit konkreten Vorschlägen aufwarten wird. Das passiert dann erfreulicherweise auch und letztendlich haben wir ein schönes Hotel mit Traumblick auf die benachbarte Düne gefunden.

Die Überfahrten vom Festland finden mit normalen Booten täglich nur einmal statt, morgens zur Insel hin und nachmittags  zurück. Wer mit einem solchen fahren möchte und sich das Abenteuer des Ausbootens (Umsteigens) in sog. Börteboote gönnen will (weil die Schiffe nicht in den Hafen einfahren können), muß daher sehr früh morgens an einer der Abfahrtsstellen sein. Wir entscheiden uns für den Katamaran von Cuxhaven aus. Der packt die Überfahrt in einem Bruchteil der Zeit, fährt erst am späten Vormittag los (nachmittags macht er an bestimmten Tagen eine zweite Tour) und kann in den Hafen einfahren.

Demzufolge betreten wir bereits am Donnerstag gegen 13.00 Uhr den Helgoländer Felsen. Daß es den überhaupt noch gibt, ist dem Umstand zu verdanken, daß es den Engländern nicht gelungen ist, die Insel, wie beabsichtigt, praktisch komplett von der Landkarte zu tilgen (zumindest alles militärisch Relevante zu zerstören). Zunächst war am 18. April 1945 der damalige U-Boot-Stützpunkt Ziel eines massiven Luftangriffs der Briten, die die Insel in den Folgejahren als Übungsziel für die britische Luftwaffe nutzten. Beim ersten Angriff wurde die Infrastruktur des „Roten Felsens“ komplett zerstört, die Bevölkerung überlebte jedoch fast vollzählig in den unterirdischen Bunkern und wurde später evakuiert. Von den Bombardierungen zeugen noch heute die Bombenkrater im Oberland.

Zwei Jahre später, am 18. April 1947, sollten in einer Sprengung („Big Bang“) sämtliche militärischen Anlagen auf und unter der Insel sowie alte Munitionsbestände vernichtet werden, um so eine weitere Nutzung „Heligolands“ aus militärischer Sicht unmöglich zu machen. Die Sprengung von ca. 6.700 Tonnen Munition (bis heute die größte nichtnukleare Sprengung der Geschichte) erschütterte die Insel mit ihrem Sockel bis in eine Tiefe von mehreren Kilometern und führte zu einer nachhaltigen Veränderung ihres Aussehens.

Wir hingegen sehen unverändert aus und nutzen den Nachmittag zu einer ausgiebigen Erkundung. Zuerst, um das heutige gute Wetter auszunutzen, zur benachbarten Düne und dann natürlich eine Runde auf der Insel per Laufschuh. So gewinnen wir schon mal einen ersten Eindruck von der Laufstrecke und stellen fest daß das, wenn es am Samstag auch nur ansatzweise so böig ist (Windstärke 6-7), eine ganz ganz harte Angelegenheit werden wird. Am Freitag findet dann ab 15 Uhr die Startnummernausgabe in der Nordseehalle statt, für die Helgolandnovizen gibt es um 16 und 17 Uhr Einweisungen in die Strecke.

Friesen bewohnen die Insel seit dem 7. Jahrhundert. Nach wechselnden Herrschaften wurde Helgoland 1807 britisch. Der Poet Hoffmann von Fallersleben dichtete während eines Ferienaufenthalts auf Helgoland am 26. August 1841 das „Lied der Deutschen“ auf die von Joseph Haydn 1797 komponierte Hymne für den römisch-deutschen Kaiser („Gott erhalte Franz, den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz“).

In der Helgoländer Urschrift gab es sogar eine Variante zur dritten Strophe: Stoßet an und ruft einstimmig: Hoch das deutsche Vaterland!, zurückgehend auf ein überliefertes fröhliches Besäufnis. Aber heute wird nur noch die dritte Strophe gesungen, die ersten beiden sind der politischen Korrektheit und teilweise bewußten Fehlinterpretationen zum Opfer gefallen.

Deutschland, Deutschland über alles,
über alles in der Welt,
wenn es stets zu Schutz und Trotze
brüderlich zusammenhält.
Von der Maas bis an die Memel,
von der Etsch bis an den Belt,
|: Deutschland, Deutschland über alles,
über alles in der Welt! :|

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
deutscher Wein und deutscher Sang
sollen in der Welt behalten
ihren alten schönen Klang,
uns zu edler Tat begeistern
unser ganzes Leben lang. -
|: Deutsche Frauen, deutsche Treue,
deutscher Wein und deutscher Sang! :|

Insbesondere der Text der ersten Strophe hat nicht ansatzweise etwas mit braunem Gedankengut zu tun, auch wenn das von diesen ewig Gestrigen gerne anders dargestellt  wird. Wie stand es denn um Deutschland anno 1841? Anders als heute, mancher weiß  das nicht, gab es kein einheitliches deutsches Staatsgebilde. Viele, die sich deutsch fühlten, lebten mit anderer Staatsbürgerschaft in fremden Nationalstaaten und sehnten sich nach einem einheitlichen deutschen Staat. Und der sollte eben alle Deutschen zusammenführen, wo auch immer sie in großer Zahl lebten: An den Flüssen Maas (Holland), Memel (Ostpreußen, heute Litauen), Etsch (Südtirol) oder am Belt (Wasserstraßen zwischen den dänischen Inseln). Und: Deutschland sollte nicht über allen anderen Staaten stehen, sondern es war ihm schlicht und ergreifend das liebste Land der Welt. Wenn die Deutschen zusammenhalten.

 
 

Informationen: Helgoland-Marathon
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