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Laufberichte

„Schaun ’mer mal!“

11.06.06

Mein erster "Doppeldecker"

 

Den in meinem Regensburg-Bericht angekündigten „Doppeldecker“ habe ich dieses Wochenende versucht. Samstag der LGT in Liechtenstein, und dann am Sonntag, quasi fast auf der Heimfahrt, steht der Heidenheimer Marathon auf dem Programm. In meinem Entschluss gestärkt hat mich wohl die Ausschreibung, die von dem Marathon als einmalige Chance spricht, durchs Eselsburger Tal und anschließend durch die Landesgartenschau zu laufen.

 

Von Liechtenstein kommend ist Heidenheim via Autobahn 7 schnell und einfach zu erreichen. Die Große Kreisstadt und Mittelzentrum liegt rund 30 Kilometer nördlich um Ulm herum. Nachdem Klaus über die wirtschaftliche Seite Heidenheims berichtet hat und für Wiederholungen eher die Öffentlich-Rechtlichen zuständig sind, gebe ich einen kurzen Einblick in die Geschichte der Stadt:

 

Die erste dauerhafte menschliche Besiedelung gab es ab 1300 v. Chr. In der römischen Zeit ab 85 n. Chr. befanden sich hier im Kastell Aquileia gut 1000 berittene Soldaten. Das Kastell bildete zunächst den östliche Endpunkt des Alblimes. Im Schnittpunkt von fünf Römerstraßen wuchs natürlich die Siedlung.

 

Die erste urkundliche Erwähnung datiert aus dem 8. Jahrhundert. Das Marktrecht wurde 1356 von Kaiser Karl IV verleihen. Über die Herrschaften von Helfenstein kam die Stadt 1448 an Württemberg, später gehörte man für gut 40 Jahre zu Bayern und auch für kurze Zeit zu Ulm. Die Entwicklung von Dorf zu Stadt in wirtschaftlicher Sicht ist auf den Abbau und Verhüttung von Erzvorkommen zurückzuführen. Dieser Wirtschaftszweig verschwand aber zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Auch in der Stoffherstellung (angebauter Flachs auf der Ostalb) erlangte Heidenheim Bedeutung.

 

Doch nun zum Rennen: Da ich mich in Malbun zeitig aus dem Staub mache, kann ich am Vorabend des Wettkampftages noch meine Startunterlagen abholen, die im Erdgeschoß des Rathauses ausgegeben werden. Eine Nudelparty wird in mehreren Gaststätten und Biergärten veranstaltet. Da ich gleich in der Nähe des Rathauses einen kleinen Biergarten finde, beschließe ich, dort eine Pizza zu verdrücken. Auch die wird mir die notwendige Energie für den nächsten Tag bringen.

 

Am Sonntag bin ich dann schon zeitig vor Ort, da ich nicht weiß, wie sich die Veranstaltung auf den Verkehrsfluss auswirkt. Einen Parkplatz finde ich dann gleich in der Nähe des Schillergymnasiums, wo man sich später umziehen und duschen kann. Der Fußweg zum Rathaus dauert wohl keine zehn Minuten. Dort treffe ich Jürgen Teichert aus Nürnberg. Er erzählt mir noch, der wievielte Marathon es bei ihm ist. Die Zahl hab ich natürlich wieder vergessen. Jürgens Eigenart ist es, dass er jeden Marathon nur einmal absolviert. Nun, da kommt er ganz schön in der Welt umher. Später treffe ich noch den Klaus, der mir von der guten Massage in Malbun berichtet. Die „Wasser Schnalzer Schludda Gugga“-Musik marschieren am Rathausplatz auf und unterhalten die Sportler und Zuschauer. 

 

Punkt acht Uhr, zu unserem Glück bei den angekündigten Temperaturen, werden wir mit einem Startschuß auf die Strecke gelassen. Nach wenigen Metern muss ich bereits anhalten. Nicht dass ich nicht mehr kann, nein, das Schloss Hellenstein dient mir als Hintergrund für eine fotografische Aufnahme.

 

Das Schloss wurde 1096 erstmals urkundlich erwähnt durch Gozbert de Halensteine, dessen Sippe möglicherweise in 12. Jahrhundert die Burg Hellenstein errichtete. Zahlreiche Buckelquader in den Mauern des Rittersaales können dieser Zeit zugeordnet werden. Eine wechselvolle Geschichte machte der Bau auch mit. So hatte das Haus Württemberg das Sagen. 1530 wurde gezündelt und in den Folgejahren wiederaufgebaut. Im 30jährigen Krieg natürlich geplündert und im Jahr 1820 die Erlaubnis gegeben, Holz- und Baumaterial von den Innenwänden zu entnehmen. Heute ist das Museum für Kutschen, Chaisen und Karren eingerichtet und es finden jährlich Opernfestspiele statt.

 

Für die rund 300 Marathonis führt die flache Strecke in südlicher Richtung weiter. In Mergelstetten, nun ist unser Kurs etwas kurvig geworden, rennen wir an der evangelischen Pfarrkirche vorbei. Das Gotteshaus wurde 1843 erbaut. Nach etwa fünf Kilometer geht unser bisher asphaltierter Kurs in einen Kiesweg über. Er bleibt längere Zeit ohne Schatten.

 

In Bolheim (Kilometer 6) trennt sich nun die Strecke. Auf dem Radweg laufen wir nach Anhausen. Im nächsten Abschnitt verengt sich das Tal der Brenz. Unsere Strecke ist nun etwas wellig im Bereich der Bindsteinmühle geworden, dafür haben wir viel Schatten. Momentan bin ich in guter Gesellschaft, denn um Jürgen Teichert hat sich eine illustre Laufgemeinschaft gefunden. So fuhrwerkt Jürgen Sinthofen auch mit einer Digi-Kamera herum und Olaf Schmalfuss ist einer derjenigen, der nach dem Alpin Marathon in Liechtenstein nicht genug hat.

 

Der Olaf war übrigens der, der sich 2005 auf der Lenzerheide auf einem Autoparkplatz im Wolkenbruch  abgeduscht hat. In meinen Bericht, der auch in unserer Lokalzeitung erschienen ist, sprach ich von Herrn X. Y. aus Z. als Flitzer.

 

Bei Kilometer 11 im Eselsburger Tal ist die Wende. Wir rennen auf einem schmalen Steg über die Brenz. Es geht jetzt nach Norden. Bei Kilometer 12 folgt ein 500 Meter langer Wiesenweg. Rechterhand ist eine Felsformation zu sehen. Jürgens Gruppe lasse ich nun hinter mir, denn von hinten hat uns eine Gruppe des SV Zang überholt und da hänge ich mich dran.

 

Bei Kilometer 14, im Bereich von Bolheim, laufen wir durch ein landwirtschaftliches Anwesen. Ich erkenne, dass zwei Mädchen die Schafe aus dem Stall in die gegenüberliegende Wiese treiben wollen. Einer der Mitstreiter lässt im schwäbischen Slang ein „lasst Euere Schafsbeitel im Stall, bis wir vorbei sind“ los. Wer weiss, wie sich Schafe bei vorbei rennenden Läufern verhalten.

 

Anhand der angebrachten großen Kilometerschilder rechne ich auf die Marathondistanz hoch und komme auf 3.30 Stunden. Leider macht mir etwas die gereichte Verpflegung zu schaffen, denn es gibt bisher nur Wasser. Ab Kilometer 15 ist unser Weg nach Heidenheim identisch mit dem Hinweg. Mittlerweile ist der Wind etwas aufgefrischt und kommt von vorne. Na, dann müssen wir halt nicht so stark schwitzen.

 

Über Mergelstetten kommen wir dann wieder in das Stadtgebiet. Von rechts münden die 10-Kilometer- und Halbmarathonläufer auf unseren Kurs. Die sind eine Stunde nach uns gestartet und müssen den Stadtkurs ein oder zwei Mal absolvieren. Am Startgelände sind nun Tausende von Zuschauern versammelt. Echt gute Stimmung herrscht hier. Nach wenigen Ecken und Kanten führt unser Kurs nun in die Landesgartenschau. „Schau, schau“, besagen die angebrachten Fahnen und Plakate. Ein metallenes Tor steht auf, und wir dürfen heute ohne Eintritt hinein. Die folgenden zwei flachen Kilometer können nun mit Gas angegangen werden, denn unzählige Besucher der LGS sparen nicht mit Beifall und Anfeuerung.

 

Bei Kilometer 25, nun im Stadtteil Schnaitheim, überqueren wir abermals auf einem Steg die Brenz. Kurz danach befindet sich eine weitere Verpflegungsstelle. Nachdem die zahlreichen Futterbuden auf der LGS mir Appetit gemacht haben, verdrücke ich das mitgeführte Gel auf einen Satz, nicht ohne erkannt zu haben, dass es nun auch Cola und Bananen gibt. Wir laufen nun auf einem geteerten Radweg wieder Richtung Innenstadt entlang der Brenz. Zahlreiche langsamere Halbmarathonis, die sind bereits auf ihrer zweiten Schleife, kann ich nun überholen.

 

Vor dem Anstieg zur Seewiesenbrücke bei Kilometer 26 werde ich Zeuge einer brenzligen Situation, denn ein Reisebus wendet an dieser Stelle, und blockiert unseren Kurs. Mehrere Läufer fluchen, einer haut mit der Hand an den Buseinstieg. Im Vorbeirennen rufe ich den Busfahrer zu: „Besser aufpassen!“

 

Auf der Brücke haben wir einen schönen Ausblick auf das LGS-Gelände und auch auf unseren Kurs. Nach einem kurzen flachen Stück geht es abermals über eine Radbrücke über die Brenz. Am Anstieg ist eine gut ausgestattete V-Stelle vorhanden, wo ich mir ein Cola hineinschütte und eine Banane verdrücke. Das Gefälle der Brücke auf der anderen Brenzseite hat es in sich, denn wir laufen im Kreisverkehr, immer links herum und mit engem Kurvenradius. Da kann man fast einen Drehwurm bekommen.

 

Der nächste Abschnitt führt uns in die Oststadt, wo leider kaum Zuschauer zu sehen sind. Dafür ist ein Strassenteil aufgefräst. Also aufpassen, denn durch die Längsfräsung und die hervorstehenden Kanaldeckel kann man sich leicht den Fuss vertreten. Gut, dass der Abstecher nicht lange dauert, denn mit Kilometer 30 sind wir wieder im Kernbereich von Heidenheim. Den fehlenden Kilometer erlaufen wir mit einem Zickzackkurs durch die Altstadt, wo wir mitunter einen schönen Anblick auf das Schloss haben. Bei Kilometer 31 ist nun meine erste Stadtrunde vorbei. Die wollte ich ohne große Fotopausen schnell hinter mir bringen.

 

Nach dem Durchlaufen des Zieltores merke ich, dass nunmehr viele Einzelkämpfer unterwegs sind. Denn die Masse der Läufer ist nun als Halbmarathonteilnehmer am Ziel angekommen. Auf in die zweite Stadtrunde. Nach vorne sehe ich keinen Mitstreiter und nach hinten will ich nicht blicken, das könnte nämlich von den Verfolgern als Zeichen der Schwäche gedeutet werden.

 

Im Bereich der LGS sind nun deutlich mehr Besucher unterwegs. Mitunter muss ich ausweichen, aber mein Geschnaufe und Getrappel hören die meisten. Nur einige Ratschkatln hören mich nicht, dann laufe ich halt durch die Grünanlage. Bei Kilometer 36 in Schnaitheim kann ich erste Mitstreiter überholen, die eine Runde im Rückstand sind. An der V-Stelle schütte ich mir dort das kühle Aqua über die Birne. Schwer werden die folgenden zwei Brückenanstiege. Nur keine Gehpause, immer weiter laufen am Anstieg, zumal eine Hochrechnung eine Zeit von unter 3.30 Stunden erbringt.

 

In der ungeliebten Oststadt müssen wir auf der zweiten Runde um rund 500 Meter weiter nach Osten laufen. Am Wendepunkt sind ein paar Zuschauer, die uns anfeuern. Ich lass mich noch mal fotografieren. Danke. Ein paar Meter weiter wird die Zwischenzeit bei Kilometer 39,5 genommen, sie dient hier allein der Kontrolle. Auf dem Weg in die Altstadt hat ein Anwohner seine Anlage ins Freie gestellt. Schmissige Sambarhythmen können wir hören.

Auf dem Rückweg in die Altstadt sehe ich auf der anderen Seite die beiden Jürgens, die ihrerseits noch den Abstecher in die Oststadt vor sich haben. Es folgt noch der Zickzackkurs durch die Altstadt, wo ich einen vor mir laufenden Sportler noch bis ins Ziel antreibe. Mein Zieleinlauf unter dem lautstarken Beifall macht mich glücklich, denn mein kurzfristig geplanter Doppeldecker geht ohne größere Probleme vonstatten.

 

Ein paar Meter weiter werden wir in einen abgesperrten Bereich nach rechts geleitet. Dort erhalten wir ein Finishershirt und sogar eine Medaille. Die Zielverpflegung ist gigantisch. Als erstes sehe ich einen Läufer mit Bier. Neben alkoholfreien Freibier, das liebste Getränk eines Bayern, erhalten wir Landjäger, geräucherte Würste, Brezen, Bananen, Cola, Wasser und Milchgetränke. Nach dem Zielschluss um 13.00 Uhr wird ein verkaufsoffener Sonntag in der Stadt veranstaltet. Ach ja, meine Zeit wollt Ihr auch wissen. Die ausgehängte Liste weist eine 3.27.22 Stunden für mich auf (Gesamtplatz 55), da bin ich wohl die zweite Hälfte schneller als die erste Runde gelaufen.

 

Fazit:

 

Mein „schaun ’mer mal in Heidenheim“ ist überaus positiv verlaufen. Der Kurs ins Eselsburger Tal und die zwei Stadtrunden sind überaus kurzweilig und abwechslungsreich. Gänsehautfeeling im Zielbereich und in der LGS. Schön die Idee, die Landesgartenschau in die Veranstaltung einzubinden. Wenn zwei V-Stellen auf der ersten Hälfte mit Cola und Bananen bestückt werden, dann ist dieser Premierenfehler ausgemerzt. Ich würde mich freuen, wenn der Marathon auch 2007 wieder stattfindet.

 

Informationen: Heidenheimer Marathon
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