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Laufberichte

50 km von Neuhaus nach Blankenstein

09.05.10
Autor: Joe Kelbel

Die Strecke führt weiter die Straße entlang bis zur nächsten Getränkestelle in der "Hab- Acht- Kurve" (km 16,9). Von hier aus wird der auf 8 km der Radweg rechts der Frankenwaldhochstraße (Richtung Steinbach) genutzt. Man kann zwar hier wunderbar laufen, aber leider ist hier ein Stück alter Rennsteig von den Bayern in eine trostlose Asphaltlandschaft verschandelt worden. Aber wenigstens habe ich wieder die Marschierer eingeholt. Dafür überholen mich aber wieder andere Stöckchenschwinger. Beeindruckendes Tempo, alle Achtung. Sigrid und Hajo laufen etwa einen Kilometer vor mir. Ich laufe, falle aber etwa auf Platz 19 zurück.

Am Orteingang Steinbach wird die B 85 (Bier- und Burgenstraße) überquert. Ich träume von einem kühlen Bier, da komme ich auch schon zur Verpflegungsstelle am Hotel "Rennsteig" (km 21,6). Wienerwürstchen mit Senf und Brot, dazu zwei kalte Köstrizer, eine Fettbemme  und ein Brot mit Blutwurst. Der Tag ist gerettet, doch  Tanja und Christian haben mich eingeholt.

Weiter geht's an der Lauenhainer Ziegelhütte vorbei, Wiesen mit leuchtendem Löwenzahn und das große Windrad versetzen mich ins Teletubbie-Land.

Es geht nun über den Schönwappenweg (Grenze zwischen Thüringen und Bayern). Links ist der Grenzstreifen, der von Thüringen gekauft wurde und der sich nun als grünes Band und einzigartiges Biotop durchs Land zieht. Trockene Heidelandschaft kennzeichnet den einztigen Todesstreifen. Einige der kunstvollen Grenzsteine halten mich auf. Alle 50 Meter stehen neue und alte Steine. An jedem Stein steht eine Telefonnummer, dort kann man sich über jeden Stein informieren. Oh hätte ich doch mehr Zeit!

Viele deutsch-deutsche Geschichten hörte ich in den letzten Tagen. Eine davon handelt von der ersten gesamtdeutschen Rennsteig-Grenzweg-Wanderung 1990. Damals gab es Trampelpfade, die durch den löchrigen Zaunpfad führten. Schilder warnten vor den Minen, Grenzsoldaten patrollierten noch, denn offiziell existierte die Grenze noch. Zwei Grenzsoldaten der DDR nahmen an der Wanderung teil. Sie mussten befürchten, auf der bundesdeutschen Fahndungsliste zu stehen, wollten aber unbedingt mitmachen. Sie liefen inkognito, im Notfall wären sie sofort wieder durch den Zaun auf die thüringische Seite gelaufen, um sich dort den Grenzern zu stellen.

Unterhalb des Wetzsteins (mit 792 m höchster Gipfel der Region) geht es weiter, insgesamt 7 mal überschreitet der Rennsteig in seinem östlichen Teil die Grenze zwischen den Freistaaten Bayern und Thüringen. Die Sperranlagen des ehemaligen Todesstreifens lassen sich oft nur noch erahnen. Gut erhalten ist aber an den meisten Stellen der aus speziellen Betonelementen bestehende Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen.

Als der Rennsteig am 28. April 1990 nach 45jähriger Unterbrechung wieder auf seinen gesamten 168 km eröffnet wurde, schien seine alte Grenz- und Einheitssymbolik noch einmal aufzuleben. Im Westen war der Höhenweg über den Thüringer Wald freilich nur noch der älteren Generation ein Begriff, denn bis auf 13 km hatte er zur DDR gehört, die ihrerseits  weitere 40 km zum Sperrgebiet erklärte, sodaß nur ein Rennsteigrest von  115-km-übrig blieb.

Doch jetzt kann ich hier laufen, auf einem weltweit einmaligen Weg. Ich würde gerne noch rumstöbern, es gibt noch viel Beton, Drähte und Stahlstücke in einer wunderbaren Heidelandschaft. Doch Christian, der Sklaventreiber macht Druck. Er macht schnell seine Fotos und fällt dann wieder in seinen eigenartigen Utratrab.

Am Ortseingang von Brennersgrün befindet sich die nächste Verpflegungsstelle (km 29,1). Brennersgrün liegt wieder auf der thüringischen Seite und ist der Inbegriff von Heimatliebe mit all den Kleinigkeiten, die es zu entdecken gibt. Die Gymnastikgruppe hat hier ein Kuchenbuffet aufgetischt, das weltweit einmalig ist. Zwar bekommen die Verpflegungsstellen auf dieser Strecke  die Grundversorgung wie Würstchen, Äpfel, Bananen und Bier von der Rennsteig-GmbH und dem Sponsor Köstrizer  gestellt, doch die Vielfalt an Kuchen, Schnittchen, Rotkäppchensekt und Kräuterschnaps spendieren die freiwilligen Helfer in ihrem Enthusiasmus den Läufern.

Christian lädt sich einen Berg Kuchen auf  die linke Hand und scheucht mich drohend durch das Waldgebiet "Hohe Tanne" (720 m). Der Rennsteig überquert die Straße an der Kompostieranlage in Richtung Grumbach und führt über das Feld nördlich des Ortes. Christian immer noch mit Kuchenstückchen hinter mir, laut hustend, wenn er den Puderzucker einatmet.

Nach 2,5 km durch den Wurzbacher Forst erreicht man die Verpflegungsstelle Rodacherbrunn,  die von der Familie Schwarz betrieben wird. Hier bin ich gerettet, denn außer dem wichtigen Schwarzbier gibt es gute Thüringer. Tochter Schwarz kommt alljährlich angereist, um den Eltern hier bei der Rennsteigwanderung zu helfen. Laut schimpfend kommandiert sie ihre Eltern rum. Ich grinse, es ist perfekt.

Der Kulmberg (726 m) wird auf einem Waldweg südlich umgangen. Die Strecke überquert die Straße oberhalb von Schlegel und es geht vom Waldrand über einen Feldweg hinab zum Ortsausgang. Hier befindet sich die letzte Getränkestelle (km 43,0).  Die Wanderstrecke führt über einen absolut einmaligen Wiesenweg..

Neben der Straße weiter und an der Ausspanne am Wiesenbühl (km 45,6) kreuzt die Verbindungsstraße Lichtenberg - Lobenstein den Rennsteig. Donnergrollen mahnt uns zur Eile, es beginnt zu regnen, 75 % der Wanderer sind weit abgeschlagen hinter uns.  Dem Schotterweg folgend erreichen wir den Ort Kießling und nach 2,5 km entlang der Straße geht es weiter bis der Schotterweg in einen schmalen Wanderweg übergeht. Es geht bergab und Tanja und Christian hängen mich ab.

Vorbei an den "Drei Eichen" und dem Denkmal "Der Rennsteigwanderer" bergab durch Blankenstein bis zum Ziel. Steil, sehr steil, dann noch Treppen, dann ist das Ziel  in Blankenstein am Selbitzsteg, direkt an der Saale, dem Beginn des Rennsteigs, nach 52,6 km erreicht.

Salutschüsse der örtlichen Phantasie-Trachtengruppe begrüßen die  Läufer, die sich an Köstrizer, Wurstbrötchen und Fettbemme laben.

Liebe Leser, ich habe begriffen, daß es Nordic-Walker gibt, die nichts mit den bunten Kugeln  gemeinsam haben, die man stöckchenschleifend in den Parks sieht. Ich habe begriffen, dass es Marschierer gibt, die extrem gut drauf sind. Und ich möchte, dass ihr begreift, dass der Abschnitt zwischen Blankenstein und Neuhaus zu den allerschönsten des Rennsteiges gehört.

Denn ein Problem habe ich: Nächstes Jahr soll diese Wanderung von Blankenstein nach Neuhaus führen, das wäre für uns Westdeutschen eine Anreise, die nochmal 2 Stunden länger dauern würde. Blankenstein hätte statt Finisherparty mit Frühjahrsmarkt nur ein bißchen Startaufkommen, mehr nicht.

Zudem soll diese Wanderung am Samstag stattfinden, wenn Läufer und Walker sowieso genügend Programm haben. Grund ist, daß die Miete für die Guts-Muths-Halle am Sonntag eingespart werden soll. Doch die wird  sonntags  nur für die Startnummernausgabe genutzt und wäre entbehrlich.

Sollte mein Artikel Appetit geweckt haben, diesen interessanten und wunderschönen Teil des Rennsteiges zu erkunden, so schreibt an die Organisation des Rennsteigvereins. Sollten sich genügend Läufer und Walker finden, die gerne nochmal sonntags einen draufsetzen, anstatt nachhause zu fahren, so wäre ich überglücklich. Anstelle „50 km Nordic-Walking/Wanderung“ wäre eine Bezeichnung wie „Grenzlauf“ auch für Läufer interessant.

Die Organisation des  Rennsteiglauf mit all seinen Events ist gewaltig und absolut Weltklasse.

Mein besonderer Dank geht an die zahlreichen freiwilligen Helfer, die bis zu 11 Stunden (so ist das Zeitlimit beim 50 km Walk ) die Sportler ganz liebevoll versorgt haben.

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Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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