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Laufberichte

Mainz bewegt

14.05.06

Vielleicht retten mich die Unterhaltungskünste der „Mainzer Herzchen“

 

Mainz, eines der fünf Oberzentren des Landes Rheinland-Pfalz, ist eine der wenigen Städte, deren Sportdezernat eigenständig eine Großveranstaltung wie den Gutenberg-Marathon auf die Füße stellt. Sicherlich ist es dabei hilfreich, wenn ein Bürgermeister gleichzeitig auch Leiter des Sportdezernates ist.

 

Hinter der Postadresse am „Jockel-Fuchs-Platz“ verbirgt sich demnach nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch das Marathonbüro selbst. Am Veranstaltungstag befindet sich hier, rund um die Rheingoldhalle, auch der Start- und Zielbereich.

 

Schon in der Teilnahmebestätigung wurde darauf hingewiesen, dass es wegen Umbauarbeiten in und an der Rheingoldhalle zu Beeinträchtigungen kommen kann. Vermutlich aufgrund langjähriger Übung im Improvisieren – schließlich war Mainz bereits zur letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren eine Raststätte für Jäger – hatten die Baumaßnahmen keine wirklich drastischen Einschränkungen für uns Läufer zur Folge.

 

Ebenso einfach wie die Ausgabe der Startunterlagen ist auch die Startaufstellung auf der Rheinallee selbst. Auf eine Einteilung in Startblocks wird verzichtet, lediglich ein paar Schilder am Straßenrand geben Hinweise darauf, wo sich die Läufer anhand ihrer geplanten Zielzeit aufstellen sollten. Dies führt natürlich auch dazu, dass sich etliche Halbmarathonis vor dem Schild mit der (Marathon-)Zielzeit 2:30 Stunden platzieren.

Informationen: Gutenberg Halbmarathon Mainz
Veranstalter-WebsiteE-MailHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Hinter mir stöhnt eine kleine Gruppe von Läufern auf: „Jetzt hat der schon wieder seinen Chip vergessen! Schon zum zweiten Mal!“ Ein junger Mann spurtet aus der Startaufstellung weg in Richtung Parkplätze, der Rest der Gruppe verabschiedet sich ebenfalls aus der Aufstellung und wartet die Wiederkehr des Vergesslichen ab.

 

Obwohl ich mich diesmal etwas weiter nach vorne gestellt habe als sonst, kann ich dem üblichen Gedrängel kurz nach dem Start nicht völlig entgehen. Vielleicht sollten die Mainzer, so wie in anderen Städten, den Start von Marathon und Halbmarathon trennen.

 

Nach nicht einmal 4 Kilometern bin ich schon an der ersten Verpflegungsstation, die auf dem Werksgelände der Firma Schott aufgebaut ist und von dieser betrieben wird. Schon nach dem Passieren des Werkstores höre ich die Stimme des werkseigenen Moderators. Der Mann hätte als Marktschreier sicherlich eine große Zukunft. Die Glasfabrik Schott AG hat in Mainz seit der Umsiedlung von Jena nach dem 2. Weltkrieg ihren Hauptsitz und ist einer der Hauptsponsoren des Laufes. Arbeiter im Blaumann säumen die Laufstrecke und feuern uns an. Entgegen aller meiner Vorsätze nehme ich mir kein Getränk und laufe am Stand vorbei weiter in Richtung Mainz-Mombach.

 

Im dortigen Industriegebiet angekommen frage ich mich, wie ich mich wohl knapp 3 Stunden später fühlen werde, wenn ich wieder hier vorbei komme. Hoffentlich hat dann der Wind aufgehört, der mir nun ins Gesicht bläst. Wie sonst auch, ist in diesem Industriegebiet läufermäßig nicht viel zu holen. Genau die richtige Position für den Mann mit dem Hammer. Warten wir´s ab, vielleicht retten mich die Unterhaltungskünste der „Mainzer Herzchen“, die dort Stimmung verbreiten.

 

Dafür geht im Ortskern von Mombach langsam aber sicher die Post ab. Angefeuert von etlichen ortsansässigen Tambourkorps wird hier schon mal der Mombacher Karneval vorsichtig angetestet.

 

Überhaupt, je mehr wir uns der Innenstadt nähern, desto besser wird die Stimmung am Straßenrand. Im Verein mit Bauwerken wie der imponierenden Christuskirche wird der Lauf immer mehr zum Genuss. Vorbei am Elzer Hof, einem der kulturellen Treffpunkte der Stadt, kommen wir der Altstadt mit ihren engen Gassen immer näher. In der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Innenstadt wurden leider nur die wichtigsten Gebäude wiedererrichtet. Dazu gehören etliche prachtvolle Adelspaläste im Barockstil.

 

In den engen Gassen rund um den Dom mit seiner 1000-jährigenGeschichte ist die Stimmung am Straßenrand ungebrochen gut. Ich nutze die Enge dazu, mich vor der Sonne zu verstecken die praktisch seit dem Start heißer und heißer auf uns niederbrennt.

 

Immer mehr Läufer beginnen damit, mich auf der eintönigen Wendepunktstrecke Richtung Weisenau zu überholen. Irritiert ziehe ich mein Tempo ebenfalls etwas an, bis ich bemerke dass es sich um Läufer des Halbmarathonfeldes handelt, die zum Schlussspurt angesetzt haben.

 

Kurz vor dem Rathaus erfolgt die Trennung zwischen Halbmarathon und Marathon; ein merklich ausgedünntes Feld passiert anschließend die Linie an der Rheingoldhalle und läuft die steile Rampe hoch auf die Theodor-Heuss-Brücke. Dort, auf der anderen Rheinseite, liegt auf hessischem Boden der zur rheinland-pfälzischen Hauptstadt gehörende Stadtteil Mainz-Kastell.

 

Nach einer Schleife von etwa 5 km durch Kastell und Kostheim geht es über die Brücke zurück in die ehemalige Hauptstadt der römischen Provinz Germania Superior. Kurze Zeit später steigen in Höhe des Kurfürstlichen Schlosses die Teilnehmer des 2/3-Marathons nach 28 km aus dem Lauf aus. Die kompakte Organisation führt dazu, dass auch sie nur einen kurzen Fußweg zurück zu den Duschen an der Rheingoldhalle haben werden. Ich selbst liege fast 5 Minuten vor meinem Zeitplan.

 

Wenig später finde ich mich wieder am Verpflegungsstand auf dem Gelände der Schott AG wieder. Diesmal bediene ich mich ausgiebig und fülle vorsichtshalber die mitgenommene und bisher leere Trinkflasche mit Wasser auf. Die Distanzen zwischen den Verpflegungsständen sind mit 4 Kilometern zwar nicht groß, aber meine Erfahrungen beim Marathon in Rom vor sechs Wochen haben mir gezeigt, dass ein Schlückchen Wasser zwischendurch, wenn schon nicht Wunder, so doch zumindestens Ablenkung bewirken kann.

 

Frisch gestärkt begebe ich mich wieder Richtung Industriegebiet Mombach. Langsam zeigt der Hammermann seine Nasenspitze, der Marathon beginnt. Vor und über mir löst sich eine graue Regenwolke in Nichts auf  - die ersehnte Abkühlung bleibt während es ganzen Laufes den Duschen überlassen, die aus den Gartenschläuchen der Anwohner auf die Läufer niedergehen.

 

Die Verpflegungsstelle an der Industriestraße bietet als einzige Cola an. Ich nutze die Chance und trinke davon, so viel ich kann. Das Koffein-Zuckergemisch holt mich aus meinem drohenden Tiefpunkt heraus und hilft mir bis Ortseingang Mombach über die Runden. Dort ist die Karnevalsession mittlerweile in einen musikalisch untermalten Freiluft-Frühschoppen umgeschlagen.


In der Hartenbergstraße ist wieder eine Verpflegungsstation aufgebaut. Hier gibt es zusätzlich noch das Getränk, das mir angeblich Flügel verleiht. Das durchfeuchtete T-Shirt der jungen Dame, die mir den Becher hinhält, beflügelt meine Gedanken da schon  erheblich mehr.

 

Wieder geht es um die Christuskirche herum und am Eltzer Hof vorbei. Nach dem Abbiegen auf die Große Bleiche leuchtet das vergoldete Pferd auf dem Dach des Landesmuseums vor einem strahlend blauen Himmel. Am Streckenrand jubelnde Menschen, untermalt von anpeitschender Musik, dazwischen die bunten Punkte der Läufer. Ein herrliches Bild.

 

Wenige Minuten später. Kilometer 40, kurz vor dem Dom. Ich bin fertig, völlig erschöpft.  Wie im Nebel laufe ich weiter, nehme die Menschen um mich herum nur noch schemenhaft war. Das Kopfsteinpflaster der sonst so herrlich anzusehenden Augustinerstraße malträtiert meinen Körper, ich bin zu müde um mir die Frage zu stellen, warum ich mir das antue.

 

Einen Kilometer später sehe ich Frau und Tochter am Straßenrand stehen. Kurzerhand fordere ich meine Kleine auf, mit mir zu laufen. Üblicherweise ist die 11-jährige Dame beleidigt, wenn ich ihr Laufstrecken unter 3 Kilometer anbiete – hier galoppiert sie fröhlich los. Schon nach wenigen Metern merkt sie, dass ich unser übliches Tempo nicht halten kann und lässt sich zu mir zurückfallen. Ich selbst beiße die Zähne zusammen und bemühe mich, den letzten Kilometer durchzuhalten. So schwer sind mir 1000 Meter noch nie gefallen.

 

Etwa ab dem Holzturm kann ich das Ziel in wenigen hundert Metern Entfernung sehen. Um mich herum höre ich Menschenmassen, die mich anfeuern und meinen Namen rufen. Vor mir trabt meine Tochter; ich ignoriere das aufkommende Schwindelgefühl, unendlich langsam kommt mir das Ziel näher und näher bis ich unter meinen Füßen die weiche Zieleinlaufmatte spüre. Ich habe es geschafft.


Streckenbeschreibung:

Rund- und Wendepunkt-Kurs. Flach, bis auf die Theodor-Heuß-Brücke keine nennenswerten Anstiege.


Rahmenprogramm:

Marathonmesse in der Rheingoldhalle, dort gibt es auch die Startunterlagen.

 

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon, 2/3-Marathon, Schülerstaffel

 

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde

 

Logistik:

Start- und Zielgelände gut erreichbar. Ausreichend Parkplätze in der Nähe

 

Verpflegung:

Wasser und Frubiase, Bananen.

 

Informationen: Gutenberg Halbmarathon Mainz
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