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Laufberichte

Hart und traumhaft: Laufreise zu den Glocknerseen

23.07.16

Es gibt Berge, die haben ihre ganz eigene Magie. Selbst wenn man sie nicht näher kennt. Schon beim Klang des Namens schwingt der Nimbus des Außergewöhnlichen, Ehrfurcht einflößenden, Mystischen mit. Wenn man dann auch noch eine Laufveranstaltung darum garniert, dann kann man sicher sein, dass allein schon der Berg die Zugkraft befeuert. Die Schweizer haben vorgemacht, wie man Bergberühmtheiten wie Eiger, Jungfrau, Matterhorn ins Zentrum überaus erfolgreicher (Ultra)Läufe rückt. Und der UTMB rund um den Mont Blanc ist bereits eine läuferische Legende.

Bekanntlich darf sich auch Österreich mit zahllosen alpinen Gipfeln schmücken. Das Prädikat „Berühmtheit“ verdient dabei aber vor allem einer: Der Großglockner, mit 3.798 m Höhe Österreichs Bergprimus. Und so wundert es nicht, dass sich nun auch die Gemeinden Zell am See/ Kaprun nördlich und Kals südlich des Berges daran gemacht haben, einen überaus anspruchsvollen Ultratrail rund um das Glocknermassiv zu kreieren.

 

Die Qual der Wahl  - 110 oder 50 km

 

Die Premiere im letzten Jahr ist, um es bildlich auszudrücken, zumindest partiell ins Wasser gefallen, wurde doch der Ultra wegen drohendem Unwetter nach etwa 16 Stunden abgebrochen. Petrus' Launen sind eben schwer kalkulierbar, erst recht in den Bergen. Und auch heuer verheißt die Prognose wenig Wetterstabilität. Dazu fast ein Meter Neuschnee am Kapruner Törl ein paar Tage vor dem Start – das ist eine echte Herausforderung auch für die Organisation rund um Hubert Resch.

Einiges hat man seit der Premiere getan, um die Veranstaltung noch attraktiver zu machen. Das fängt schon mit dem Streckenangebot an. Drei Distanzen stehen zur Wahl: Wie gehabt der Großglockner Ultratrail (GGUT), als volle Runde mit 110 km und +/- 6.500 HM einmal um das Glocknermassiv herum führend. Daneben der Glocknertrail, die halbe Runde, beginnend ab Kals, 50 km lang mit +2.000/ -2800 HM. Und neu: der Gletscherwelt Trail, über die letzten 30 km des Rundkurses, mit + 1.000/ -2.500 HM. Nicht zu vergessen: Der GGUT 110/2 in der Zweierstaffel mit Wechsel in Kals.

 

 

Der große oder der kleine Ultra – das ist für mich vorab die zentrale Frage. Die erste Hälfte bis Kals hält die technisch anspruchsvollsten und höchsten Passagen, hinauf bis 2.838 m üNN an der Pfortscharte, bereit, Hochgebirge pur mit ausgedehnten Schneefeldern, Fels- und Geröllpassagen. Und allein schon mehr als zwei Drittel der gesamten Höhenmeter. Durch Verlegung des Starts von 18 auf 24 Uhr - eine weitere Erkenntnis aus der Premiere - kann man die schwierigsten und höchsten Passagen der ersten Hälfte nun bei Tageslicht bewältigen und so das Abenteuer auch optisch voll auskosten. Als weiteres Highlight wurde die Stüdlhütte, 2801 m hoch gelegen und quasi auf Tuchfühlung zum Großglockner, in den Kurs integriert. Das klingt verlockend.

Der Nachteil: Nicht ganz so flinke Läufer wie ich müssten weite Passagen der zweiten Hälfte bei Dunkelheit bewältigen. Die führen vorbei an diversen malerischen Hochgebirgsseen. Mit dabei: Der Stausee Mooserboden. Das Bild der gewaltigen Staumauern inmitten der Gebirgs- und Gletscherwelt zu Füßen des 3.203 m hohen Kitzsteinhorns hat mich schon zu Kinderzeiten im Buch „Alle Wunder dieser Welt“ (1968) tief beeindruckt. Von hoch oben kommend führt der Kurs direkt über die Mauern …. Schon immer wollte ich hier einmal hin. Wenn nicht jetzt, wann dann? Zeit wird es, dieses „Wunder“ live zu erleben. Der 50er soll es sein. Zumindest in diesem Jahr.

 

Startpunkt Kaprun / Kals

 

Alle Wege führen nach Kaprun. Und zwar zunächst einmal für jeden Teilnehmer des Laufspektakels. Auf dem Salzburger Platz im Ortszentrum ist eine kleine Zeltstadt aufgebaut. Hier bekommen wir am Freitagnachmittag unsere Startnummern und dürfen uns mit einer kleinen Expo auf den Lauf einstimmen. Vorher muss man allerdings vor den gestrengen Augen der Pflichtgepäck-Kontrolleusen bestehen. Zwei Jungs haben nur ihr frisch gekauftes Signalpfeiflein dabei und dürfen gleich wieder den Rückzug antreten.

Für alle Läufe ist in Kaprun das Ziel, der Start allerdings nur für die Teilnehmer des GGUT. Zur Geisterstunde werden sie auf die Laufreise geschickt. Doch auch für die Glocknertrailer ist die Nacht nur eine kurze. Denn schon um 4 Uhr starten vom Schaufelberg-Parkplatz vor der Sommerrodelbahn die drei Shuttlebusse, die uns im Konvoi zum Startpunkt nach Kals chauffieren. Schnell wird es ruhig im Bus. Doch für ein Nickerchen bleibt nicht viel Zeit. Die Bergsilhouetten heben sich im ersten Morgenlicht ab, als der Bus gegen 5 Uhr die Serpentinen hinauf ins Kalser Hochtal nimmt.

Noch beschaulicher als Kaprun ist Kals (1.324 m üNN). Die knapp 1.200 Einwohner verteilen sich auf diverse Kleinsiedlungen im Kalsertal, deren „Kapitale“ Ködnitz und hier der für uns schon präparierte Musikpavillon unser Anlaufpunkt ist. Wundervoll sind die Lage und Umgebung, ein friedvolles, stilles Bergidyll. Damit ist es allerdings am frühen Samstagmorgen vorbei. Bei 300 Startern liegt das Teilnehmerlimit des Glocknertrails – und 310 sind gemeldet. Damit ist der Glocknertrail der Hauptmagnet der Veranstaltung. Vorbereitet ist man nicht nur auf die Starter des „Halben“, sondern auch auf die nun schon seit Stunden durch die Bergwelt tapernden 230 GGUT´ler. Für sie ist in Kals eine sogenannte „Große Verpflegungsstelle“ eingerichtet. Aber noch ist keiner da und die Vorbereitungsarbeiten laufen auf Hochtouren.

 

 

Ein kurzes Briefing um 6:30 Uhr gibt uns den letzten theoretischen Schliff, dann verlagert sich das Treiben aus der durchaus gemütlichen Halle nach draußen, auch wenn selbst Minuten vor dem Start niemand Anstalten macht, vor der Startlinie Aufstellung zu nehmen. Angenehm unaufgeregt läuft das ab, selbst als der Countdown ertönt und sich der Läuferpulk um Punkt 7 Uhr ins Tal ergießt.

Einen knappen halben Kilometer preschen wir auf Asphalt taleinwärts. Weit reicht der Blick durch das grüne Tal mit seinen versprengten Siedlungen und einsamen Kirchlein. Um uns herum leuchten die Berggipfel in der Morgensonne, nur hier unten im Tal wollen die Schatten der Nacht noch längst nicht weichen. Noch schattiger wird es, als wir auf einen Naturweg gelotst werden, der sich schließlich als Pfad stetig durch den Wald nach oben windet. Mein Puls rast, das Tempo ist hoch. Neben uns donnert der Kalsterbach durch das Tal und übertönt jegliches Schnaufen. Über viele Kilometer hinweg, bis weit in die Höhe, wird der Bach uns durch die Bergwelt begleiten.

Nach 2 km lichtet sich der Wald. Vorbei geht es am Campingplatz, den unübersehbar ein Heer von VW-“Bulli“-Fahrern in Beschlag genommen hat. Alle zwei Jahre findet in Kals ihr traditionelles Großglockner-Treffen statt. Im Moment dürften die Fahrer aber primär noch damit beschäftigt sein, die Folgen des nächtlichen Feierns zu bewältigen. Einige Zuschauer erwarten uns zu meiner Überraschung vor dem Hotel Taurerwirt, nun schon in fast 1.500 m Höhe. Auf den ersten Blick scheint das Kalser Tal hier zu Ende zu sein. Aber eben nur auf den ersten Blick. Eine große Tafel verkündet: Nationalpark Hohe Tauern. Und ein zunächst breiter Naturweg führt von hier hinein in eine tief in den Fels geschnittene Schlucht.

 
 

Informationen: Großglockner Ultra-Trail
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