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Laufberichte

Es hat alles gepasst

09.10.16 Graz Marathon
 

Die Wiener haben es gut: Eine Abordnung des Organisationsteams des Graz-Marathons, allen voran Rennleiter Anton Wippel, kommt am 5.Oktober zum Gigasport in Brunn am Gebirge, ca. 21 km von  Wien entfernt, um den registrierten Läufern die Startnummern frei Haus zu liefern – und Spätentschlossenen eine Nachmeldung zu ermöglichen.

 

 

Vor dem Start

 

 

Eigentlich wollte ich in Sofia laufen, doch gewisse private Verpflichtungen am Samstag veranlassen mich, davon Abstand zu nehmen. Auch bin ich nach dem verlängerten Aufenthalt im Rahmen des Lissabon-Marathons etwas reisemüde und froh, einmal kein ganzes Wochenende dem Hobbylaufsport zu widmen. Auf den Klebezettel für meine noch schlafende Frau schreibe ich am Sonntagmorgen um 6 Uhr: „Bin dann mal weg, komme nach 17 Uhr wieder aus Graz zurück.“

Die Steyrergasse in Graz bei der Remise ist seit Jahren mein Geheimstellplatz – wenn alles schon zugeparkt ist, hier kann man auch noch eine Stunde vor dem Start um 10 Uhr sein Auto abstellen und ist von der Oper kaum mehr als einen Kilometer entfernt.

Es ist kalt, eine Frau fährt mit dem Fahrrad vorbei und meint, es wird heute schön bleiben, aber ich soll mich wärmer anziehen. Zwei Lagen könnten aber wieder zu viel sein, daher ein dünnes Langarmshirt und einen ärmellosen Windbreaker für einen Kälteschub.

Gegen 9 Uhr 30 schlendere ich am Gehsteig die Kleine Zeitung überfliegend, die ja ein Sponsor des Graz Marathons ist, zum Start- und Zielbereich vor der Oper. Ein schönes Gefühl, keinen Stress zu haben. Am Jokominiplatz befinden sich viele Buden, die heute am Sonntag zumindest vormittags noch geschlossen sind. Bald ist wieder Sturmzeit –  darunter versteht man hierzulande den noch in Gärung befindlichen neuen Wein mit einem Alkoholgehalt von ein Prozent aufwärts. Wegen seiner fruchtigen Frische und der geschmacklichen Vielfalt ist der Sturm beliebt. Und an den zahlreichen Würstelstandln gibt‘s dann a echte Krainer mit Senf und Kren. Wann immer ich für Meetings mit Unileuten nach Graz gekommen bin, bei den Buden verweilte ich stets.

 

 

Voriges Jahr regnete es beim Marathon hier in Graz in Strömen – heute haben wir gutes Herbstwetter, dementsprechend gut ist auch die Stimmung. Auch wenn man kein Interesse an Statistik hat, die große Überzahl an roten Startnummern für den Halbmarathon ist so erdrückend, dass die blauen Nummern für den Marathon, in dessen Rahmen sowohl die Steirischen Meisterschaften als auch die Steirischen Akademischen Meisterschaften angesetzt sind, gar nicht mehr auffallen. Das Verhältnis liegt geschätzt ca. bei 5:1, mehr als 3.000 Läuferinnen und Läufer sind für den Gigasport Halbmarathon registriert. Die paar Dutzend  Staffelläufer, die in (auch gemischt) Vierteams die Marathondistanz ansteuern, ändern die Verteilung nicht nachhaltig. Daneben wird noch ein Viertelmarathon etwas zeitversetzt ab 10 Uhr 15 ausgetragen, an dem auch gut 1.500 teilnehmen werden. Auf dem Programm steht weiters ein Cityrun über 5.100 m (einzeln und im Team) sowie bereits am Samstag durchgeführt ein Kids Sprint und ein Active Junior Marathon. Ganz Graz steht an diesem Wochenende im Zeichen, sagen wir lieber im Bann des Laufsports.

Der Moderator von Radio Steiermark macht Stimmung, er hat eine angenehme Stimme – ich höre stets das steirische Regionalradio, wenn ich mich in Neuberg/Mürz aufhalte. Knapp vor dem Start der Elitegruppe begrüßt er Helmut Linzbichler als unseren Mann auf dem Mont Everest. Voriges Jahr hat Kollege Linzbichler, Jahrgang 1941, hier seinen 300. Marathon (inklusive vieler bedeutender und schwieriger Ultramarathons) in 4:51 gefinisht – eine sehr beachtliche Leistung, die in Bezug auf den Alterskoeffizienten eine Laufzeit um 3:21 ergibt (in der Marathonaustria-Datenbank von August Schwab). Heute wird Linzi nur den Halben bestreiten, sozusagen als Training zwischen Frühstück und späterem Mittagessen. Auch seine Frau Britta ist am Start – die Wenigsten sind mit 70 noch so in Form, allen Respekt, kann man sich nur dem Moderator anschließen.

Während alle schon in ihren Blöcken stehen, begebe ich mich ganz nach vorne zur Elitegruppe – internationale Spitzenläufer sind nicht am Start, es sind sozusagen lokale und nationale Größen mit einer Ausnahme: der eingebürgerte Keniate Edwin Kemboi Kipchirchir mit einer Bestzeit von 2:12:58 beim Rotterdam Marathon 2013 ist auf den Sieg wohl programmiert. Bei den Frauen ist die Tirolerin Andrea Weber vom SV Reutte als Favoritin mit einer sub 3 h-Finisherzeit einzustufen. Ich knipse eifrig, drei älteren Damen aus Italien bin ich dabei im Wege – eine sagt dauernd „tropo alto“ – sie hat Recht, so sehe ich mehr – ich antworte: „Bisigno fotos per una gazetta“ – wenn‘s auch nicht so ganz stimmt. Auch die Grazer Oper bildet ein gutes Fotomotiv. Hier wird gerade Wagners Musikdrama Tristan und Isolde gespielt – das Haus selbst ist im neobarocken Baustil errichtet und wurde 1899 eröffnet.

 

 

Mein Rennverlauf

 

 

Auch den zweiten Block, der um einige Minuten später startet, warte ich ab – froh sind die Damen dann, als ich abziehe und mich zu den nun aufrückenden Blöcken 3 und 4 begebe – ich steige seitwärts über die Absperrung und stelle mich dazu. Die seit dem Start laufende Uhr zeigt bereits knapp 9 Minuten an – ich drücke meine Garmin bereits 2 ½ Minuten vor der Mattenberührung, um einen guten Polster zu haben – schließlich zählt ja die Nettozeit.

 

 

Der Marathonkurs wurde im Vergleich zum letzten Jahr nicht geändert – wir starten dicht gedrängt in westliche Richtung, über den Opern- und Joanneumring geht es entlang der Radetzkystraße auf die gleichnamige Brücke über die Mur, benannt nach dem Feldmarschall Graf Radetzky, einen bedeutenden Heerführer Österreichs im 19. Jahrhundert. Als ich 1973 den Wehrdienst absolvierte, spielte die Militärmusik in der Türkkaserne den von Johann Strauß (Vater) komponierten Radetzkymarsch bei Paraden. Mit diesem Marsch wird traditionell das in alle Welt ausgestrahlte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beendet.  

Nun geht es ein Stück am linken Flussufer über den Grieskai die Mur aufwärts, einen guten Kilometer sind wir schon gelaufen. Halb rechts erblickt man in einigen Hundert Metern Luftlinie den 123 Meter über den Grazer Hauptplatz liegenden Schlossberg, einem wuchtigen Fels aus Dolomitgestein, der den Kern der historischen Altstadt bildet. Der oben befindliche Uhrturm gilt als Wahrzeichen von Graz: Man kann mit der Schlossbergbahn hinauffahren und dort auch den Glockenturm, die Schlossberg-Kasematten, den 98 m tiefen Türkenbrunnen und alle Reste der Grazer Burg besuchen – der Uhrturm ist als Kern der Altstadt von Graz Teil des UNESCO-Welterbes der Stadt.

Über die Erzherzog Johann-Brücke, benannt nach dem habsburgischen Feldmarschall, in der Revolutionszeit von 1848/1849 deutscher Reichsverweser und 1859 in Graz bestattet –  für ihn wurde der berühmte Jodler „Wo i geh und steh, tuat mir's Herz so weh um mei Steiermark...“ komponiert – verläuft der Kurs weiter in die Murgasse zum Hauptplatz. In der Sackgasse intoniert ein Damenchor das Stück eines Musicals, ich denke es stammt aus „A Chorus Line“, doch beim Vorbeilaufen bleibt keine Zeit genau hinzuhören. Zuschauer sind nicht viele anzutreffen, in der Innenstadt sind um 10 Uhr vormittags auch noch nicht so viele Menschen unterwegs.

Durch die Sackstraße verläuft der Marathonkurs nun entlang des Kaiser Franz Josef Kai die Mur aufwärts, zu unserer Rechten der Schlossberg, bevor es scharf nach rechts Richtung Osten in die  Wickenburggasse geht. Mir fällt ein Halbmarathonläufer auf, der auf der Rückseite seines Shirts die Aufschrift „Gimpelrunner Dresden“ mit einer Abbildung dieses landläufig auch Blutfink genannten Vogels trägt. In meiner Volksschulzeit wurden vermeintlich dumme oder begriffsstutzige Kinder nicht selten vom Lehrer „Gimpel“ genannt.

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Informationen: Graz Marathon
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