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Laufberichte

¡Venga, ánimo, vamos!

 

Nach nicht einmal drei km reicht man uns zum ersten Mal Schwämme, die, passend zum Ereignis, die Form der Insel Gran Canaria besitzen, ein wirklich netter Gag. Gute 5 km sind gelaufen, als man uns zum ersten Mal Flüssiges reicht. Verschiedenes gibt es im Becher, ich bevorzuge Wasser, das man uns in Drittelliterflaschen anreicht. Ich finde dieses System prima, so kann ich deren Inhalt in Ruhe während des Laufs leeren und muß beim Trinken nicht hetzen. Ein schöner Park zur Linken grüßt uns mit mehreren Jugendstilpavillons auf unserem Weg in Richtung Vegueta, der Altstadt. Vorher durchqueren wir noch auf der autofreien Haupteinkaufsstraße den Stadtteil Triana, hier stehen viele schöne mondäne Häuser aus längst vergangenen Zeiten, deren prächtige Fassaden wirklich beeindrucken.

Ein echter Hingucker nach einer kleinen Begegnungsstrecke ist auch der Plaza de Santa Ana zwischen Kathedrale und historischem Rathaus, mit dessen Erreichen wir endgültig in der Altstdt angekommen sind. Einige sehr nette Gassen später laufe ich auf Volkmar  vom 100 MC auf. Der Zweiundsiebzigjährige hat schon über 450 Marathons und mehr auf dem Buckel, deren 500 möchte er packen. Also, wer in diesem Alter eine 4:30 laufen möchte – anspruchsvoll genug! - und dann nach 4:22 Std. im Ziel ist, sollte sich darüber keine großen Gedanken machen müssen. Nach zehn km haben wir den alten Teil der Stadt hinter uns und machen uns auf einen längeren, schattenlosen und somit heißen Abschnitt gefaßt.

A propos heiß: Gran Canaria als drittgrößte Insel der Kanaren beeindruckt durch die Vielfältigkeit von Landschaft und Natur. Sie ist fast ein kleiner Kontinent der Gegensätze, mit hohen Dünen und langen feinweißen Sandstränden im Süden, brandungsumtosten Küstengebieten im Norden, Gebirgslandschaften und tiefen, grünen Schluchten in der Mitte, malerischen Dörfern und einer einzigartigen Flora und Fauna. Eine wechselvolle Geschichte, historische Gebäude, Kunst und Kultur wecken unser Interesse.

Obwohl nur rund 100 km westlich der marokkanischen Küste und damit der bekanntermaßen sehr heißen Sahara entfernt gelegen, herrscht auf Gran Canaria, wie auf allen Inseln der Kanaren, ein gemäßigtes Klima. Das liegt am Einfluß der Passatwinde, die von Nordosten herandrängen und an den Inselbergen zum Aufsteigen gezwungen werden. So sorgen sie an deren Nordhängen für zum Teil ergiebige Niederschläge, meist in Form von Nebel. Die Insel ist daher klimatisch in etwa zweigeteilt in den feuchteren Norden (dort liegt Las Palmas) und den trockeneren Süden (hier befindet sich das Touristenzentrum Las Palomas). Die Trockenheit der Südinsel wird durch den Einfluss trockener Winde aus der Sahara noch verstärkt, dieses als Calima bekannte Wetterphänomen reicht von kaum merklicher Temperaturerhöhung bis zu starken Winden mit Sand und einem Temperaturanstieg untertags bis zu 50 °C und in der Nacht bis zu 40 °C.

Die Avda. Marítima entlang des Meeres beglückt uns nicht nur mit hohen Temperaturen, sondern auch mit einem böigen Wind, der sich auf der zweiten Runde noch erheblich verstärken wird. Die Marathonstrecke verläuft hier eigentlich auf der zweispurigen Einfallstraße in den nördlichen Stadtteil hinein, mich jedoch zieht es ans Wasser und somit auf die zehn bis zwanzig Meter parallel davon verlaufende Uferpromenade. Von hier aus habe ich einen noch besseren und vor allem ungetrübten Blick auf den riesigen, langgezogenen Hafenbereich. Zuerst kommen hunderte Sport- und Freizeitboote, danach ein breiter Strand und dahinter der Kreuzfahrthafen. Sowohl die AIDA sol als auch Mein Schiff 4 warten hier auf neue Gäste, letzteres werden wir später am Tag nicht enttäuschen.

Linkerhand voraus ist nach der Marine-Einrichtung schon das hohe, runde Hotel zu sehen, aus dem Elke uns mittlerweile ausgecheckt haben dürfte (ich kann hinterher aber noch duschen und das Schiff somit wohlriechend entern). Vorher jedoch kommen der nördliche, unterirdische Busbahnhof, über dem sich ein riesiges Zeltdach erstreckt und rechterhand dahinter mit dem Centro Comercial El Muelle ein großes Einkaufszentrum. Vor dem Hotel werde ich dann das erste Mal mit der Gestalt der Gattin belohnt, die dort ganz zufällig als mobile, bestellte Jubelabteilung steht. Nur noch kurz laufen wir in nödliche Richtung, und nach einem etwas längeren Begegnungsverkehr haben wir am Plaza Ingeniero Manuel Becerra den nördlichen Wendepunkt erreicht, gute 16 km sind geschafft.

Auf Höhe der Rückseite unseres Hotels spulen wir noch einige Füllmeter ab, aber auch die werden nicht langweilig, denn immer wieder stehen einige Einheimische, aber unschwer erkennbar mehr Touristen, zum Anfeuern parat. Venga (komm, komm!), ánimo (nur Mut!), vamos (auf geht's!), schallt es an vielen Ecken. Der Wechsel alle zweieinhalb km zwischen Schwamm- und Wasserstationen bzw. regulären Verpflegungsstellen läßt einen die Wärme gut ertragen, zum Meckern gibt es wahrlich keinen Grund. Richtig Spaß machen die paar Bergaufmeter über eine kleine Rampe auf die dem Hafengebiet gegenüberliegende Strandpromenade. Hier ist ein richtiger Hotspot mit entsprechender Geräuschkulisse, super!

Erste sehnsüchtige Blicke werfe ich schon nach rechts, wo jede Menge freie Liegestühle auf dem großzügigen Strand Playa las Canteras mit den heranrauschenden Wellen ein tolles Panorama bieten und schon Vorfreude auf den Zielbogen aufkommen lassen. Der muß jedoch noch gute drei km warten, obwohl ich das Auditorio Alfredo Kraus schon sehen kann. Ach ja, einen zweiten kleinen Halbmarathon muß/darf ich ja vorher auch noch machen! Die Promenade ist echt klasse, man hat dreiviertel von ihr für uns abgesperrt, die Fußgänger müssen sich an den Häusern entlang quetschen. Egal, für uns ist es ein richtiges Schaulaufen. Nach knappen einundzwanzig km müssen wir dann noch vor dem Auditorio mit seinem Zielbereich links abbiegen und beginnen damit Runde 2. Erfreulicherweise bricht nicht die von mir befürchtete Einsamkeit aus, die Strecke ist nach wie vor gut belebt, offensichtlich befinde ich mich in der Abteilung mit den meisten Läufern.

Die zweite Hälfte bietet dann Gelegenheit, den einen oder anderen visuellen Eindruck zu verstärken oder vorher nicht Wahrgenommenes erstmals zu entdecken. Auf jeden Fall wird es nicht langweilig, denn eine schöne Stadtbesichtigung kann man immer zweimal machen. Als wirklich harte Nuß entwickelt sich der Abschnitt am Hafen zum nördlichen Wendepunkt, denn es stürmt mittlerweile ziemlich heftig von vorne und der Seeseite. Hier kommt jetzt alles zusammen: Die vielen, vielen zu Fuß zurückgelegten km der beiden letzten Tage, die große Wärme mit intensiver Sonneneinstrahlung, vor allem aber die viel zu wenigen langen Läufe der vergangenen Wochen, wenn ich ehrlich zu mir selber bin. Entsprechend müde komme ich dann das zweite Mal auf die zweite Strandpromenade, deren letzte gut drei km mir nochmal alles abverlangen.
Mit langsamen, schweren Schritten schleppe ich mich vorwärts, von km-Zeiten unter sechs Minuten habe ich mich längst verabschieden müssen. Trotzdem beruhigt es mich, daß ich immer noch erheblich mehr einsammeln kann, als selber kassiert zu werden.  Dann darf ich endlich geradeaus laufen und erleichtert auf grünem Teppichboden die letzten Meter unter die Füße nehmen.

Was bin ich froh, es hinter mir zu haben! Ich sehe ein Mäuerchen und schon sitze ich darauf in der Sonne, lasse Beine und Seele baumeln und die hinter mir Einlaufenden, die ich sonst gerne noch knipse, sind mir jetzt gerade so etwas von egal. Dafür unterhalte ich mich nett mit einer hier wohnenden Norwegerin, die heute ihren ersten Marathon gelaufen ist und wissen möchte, ob das auch mein erster war. Bevor ich in Gefahr gerate, mich aufzuplustern, fügt sie hinzu, daß das ihr erster außerhalb eines Ironman war und sie endlich mal wissen wollte, was sie so ohne Schwimmen und Radfahren draufhat. Sachen gibt’s! Übrigens hat sie mit der GPS-Uhr eines anderen Herstellers genau wie ich exakt 43 km gemessen, das gibt es also nicht nur in Füssen.

Ein für mich langer Weg ist es dann hinter das Auditorio zum Medaillenempfang. Ein tolles Teil erhalte ich heute, wirklich klasse, die Inselform wird auf meiner heimischen Wall of Fame auffallen. Ich verpflege noch ein wenig und mache mich, da Elke und ich uns offensichtlich verpaßt haben, auf den gut drei km langen Rückweg. Der allerdings tut meinem lädierten Geläuf sehr gut, bekanntermaßen ist ja Bewegung nach dem Lauf das Beste, das man tun kann. Am Hotel haben wir uns dann wieder und können uns der zumindest bei mir wohlverdienten einwöchigen Wellness hingeben.

Die Kombination aus vorhergehendem Lauf und anschließendem Urlaub hat sich im Nachhinein als gelungene Kombination herausgestellt. Auch das Hotel liegt super zentral in alle relevanten Richtungen. Noch ein Tipp am Rande: Wer kein Hotel mit Shuttleservice buchen möchte, nimmt am besten den Linienbus (Nr. 60) zwischen Flughafen und Hafenbereich. 2,95 € für 19 km und 35 Minuten Fahrt sind echt geschenkt.

Wir begeben uns jetzt aber erst einmal auf das zu Portugal gehörende Madeira, der Heimatinsel von „CR7“, dem Ausnahme-Fußballspieler Christiano Ronaldo. Darüber wird Euch gewohnt gut und kompetent der „kleine Klaus“ erzählen, der genau hier am kommenden Wochenende den Marathon bestreiten wird. Ich beneide ihn schon heute. Über La Palma, Teneriffa und Fuerteventura werden wir schließlich wieder nach Gran Canaria zurückkehren. Inklusive des Marathons ausdrücklich zum Nachmachen empfohlen!

Streckenbeschreibung:
Zweimal zu durchlaufender, attraktiver 21,1 km-Kurs mit rund 140 Höhenmetern. Start und Ziel am Auditorio Alfredo Kraus. 6 Std. Zeitlimit.

Startgebühr:
Je nach Anmeldezeitpunkt 30 – 50 € (inkl. T-Shirt).

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde übers Netz.

Logistik:
Start und Ziel vor dem Auditorio Alfredo Kraus, bei dem auch die Marathonmesse stattfindet.

Verpflegung:
Alle 5 km mit verschiedenem Flüssigen und Festem. Zusätzliche Schwamm- und Wasserstationen.

Zuschauer:
Recht ordentlich, wenn auch bei den Einheimischen steigerungsfähig. Viele Touris.

 

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Informationen: Gran Canaria Marathon
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