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Laufberichte

Tu sueño a una vuelta - Das Glück auf einer Runde

 

Nein, wir haben nach dem Lanzarote Marathon im Dezember nicht auf den Kanarischen Inseln überwintert, um von dort dann das 119-Euro-Angebot Flug, Hotel und Start für Las Palmas mitzunehmen.

Noch müssen wir zwischen den Laufreisen Geld verdienen und konnten erst am Freitag vor dem Gran Canaria Marathon die Flucht aus dem eiskalten und verschneiten München antreten. Gute vier Stunden später landen wir auf der mit über 880.000 Einwohnern drittgrößten Kanarischen Insel. Eine kreisrunde Angelegenheit mit einem kleinen Anhängsel im Norden, auf dem die Hauptstadt Las Palmas liegt.

Der Tourismus ist seit den 1950er Jahren die wichtigste Einnahmequelle der Insel. 1957 landete hier die erste Chartermaschine. Bekannt sind die großen Dünen im Süden mit den Urlaubsorten Playa del Inglés und Maspalomas. Hier kann jeder Urlauber glücklich werden. Trotz Halligalli und Ballermann-Feeling in Playa del Inglés gibt es dort auch viele ruhigere Ecken. Mondäner und moderner sind die großen Resorts an der Südwestküste, seit einigen Jahren per Autobahn an Flughafen und Haupstadt Las Palmas angebunden.

Wir haben uns im vergleichsweise verschlafenen San Augustín ein All-Inclusive-Hotel ausgesucht. Trotz zuverlässigen Bussystems entscheiden wir uns für einen Mietwagen. Damit sind wir am Marathontag flexibler und können die Insel einfacher erkunden. Die Marathonmesse befindet sich auf der Dachterrasse des Einkaufszentrums Las Arenas im Südwesten der Hauptstadt. Parklätze gibt es genug und nach dem Ausfüllen einer Gesundheitserklärung (spanisch oder englisch) kommen wir in den Besitz des kleinen Starterbeutels samt 42-k-Laufshirt, Armband, einer Dose Cerveza sin alcool, Riegeln, Massagecreme und einigen Infos. Die schöne Starterinformation gibt es anscheinend nur zum Download.

Viele Sportskameraden sind unterwegs. Samstags finden die Kinderläufe und ein 3-km-Lauf statt, der viel Zuspruch findet. Die Stadtbesichtigung verschieben wir auf Sonntag und unternehmen lieber eine Autorundfahrt um die Insel.

Gran Canaria wirbt damit,  "der Miniaturkontinent" zu sein. Außer einem Eismeer kann man hier viele Vegetationszonen erleben. Am Montag werden wir in die Berge fahren, um zum Wahrzeichen der Insel, der 80 Meter hohen Felsnadel Roque Nublo, zu wandern. Auf 1.700 Metern geht es los bei 8 Grad, Nebel und Nieselregen. Auf Meereshöhe bei Puerto de Mogán gibt es zur gleichen Zeit strahlenden Sonnenschein und immerhin 19 Grad warmes Meerwasser.
Beim Abendessen am Samstag macht Judith dann ein trauriges Gesicht. Wenig später verschwindet sie im Bad. Auf einen Start mit einer veritablen Magenverstimmung hat sie keine Lust und bleibt sonntags im Bett.

 

 

Also mache ich mich um 6:30 Uhr alleine auf den Weg. Die Haupteinfallstraße ins Zentrum von Las Palmas ist komplett  gesperrt, aber wir Läufer müssen sowieso in den Westen zum Einkaufszentrum. Die Einfahrt in das dortige riesige Parkhaus ist super organisiert: Ankommende Wagen werden in alle Bereiche verteilt, so dass es nirgends zum Stau kommt. Neben mir parkt ein Auto mit einer einheimischen Familie. Der Motor läuft, da ihnen 17 Grad wohl zu kalt sind. Benzin ist auf den Kanaren mit 1 Euro pro Liter anscheinend viel zu billig. Nach dem Lauf werde ich feststellen, dass die Stoßstange meines recht neuen Leihwagens (6.000 km) angefahren und zerkratzt wurde. Das scheint aber hier auf der Insel üblich zu sein. Nahezu alle Autos haben demolierte Stoßstangen. Durch Reisen lernt man andersartige Bräuche kennen.

Der Start ist auf 8:30 Uhr festgelegt, zusammen werden die 1.900 Halbmarathonis und 1.100 Marathonis auf den Weg geschickt. Mit meiner Zielzeit von unter 4 h stehe ich im letzten Block. Ja, die Canarios sind schnell unterwegs und lieben auch Bergläufe. Da gibt es sehr viele Wettkämpfe auf den Inseln und bei unserer Rundreise im Gebirge sieht man immer wieder kleine Trainingsgruppen, auch bei besagten 8 Grad und starkem Wind. Neu ist in diesem Jahr ein Einrundenkurs (una vuelta), bei dem wir viele barrios (Stadtbezirke) durchqueren werden.

 

 

Ich verbringe also die ersten Kilometer damit, mich ein wenig vorzuarbeiten. Ein Straßenzug mit großen Gebäuden begleitet uns auf dem zweiten Kilometer, um dann in ein palmengesäumtes Sträßchen samt schönen Villen (barrio Ciudad Jardín) überzugehen. Und schon nach gut vier Kilometern sind wir am Meer. Die riesige Zufahrtsstraße Avenida de Canarias wurde einseitig für uns gesperrt. Es geht nach Süden. Bei km 6 kann man die Kirchen der Altstadt hinter der breiten Asphaltpiste ausmachen, da kommen wir in zwei Stunden hin. Ein Blick auf ein Kilometerschild in der Gegenrichtung zeigt mir, dass wir nun fünf Kilometer bis zum Wendepunkt zurücklegen werden.

 

 

Die Landschaft wird zunehmend trostloser. Schön, dass es auch hier immer mal wieder Zuschauer gibt und es sich alle Streckenposten zur Aufgabe gemacht haben, uns mächtig anzufeuern. Autos müssen sie nicht viele anhalten. Die ganze Stadt wirkt heute autofrei. Die Halbmarathonis wenden, trotzdem bleiben noch viele Läufer für die lange Strecke übrig. Ich versuche unsere Wendestelle in der langestreckten Linkskurve irgendwo in der Ferne auszumachen. Straßenbauer werden feststellen, dass die Stadtauswärtsspur in einem Tunnel verschwindet und die ehemalige Trasse zur Verbreiterung der stadteinwärtigen Fahrspuren verwendet wurde. Generell wurde seit unserem ersten und bislang einzigen Besuch der Insel vor 23 Jahren unheimlich viel Geld in die Infrastrukur gesteckt.

Ich kämpfe mich schön langsam an die Vier-Stunden-Pacer heran. Wendestelle. Einige bekannte Gesichter des 100 MC aus Großbritannien und der Supermarathonis sehe ich. Auch Henry in seinem Lauffrack ist wieder unterwegs. Zuletzt sahen wir ihn im Herbst in Luzern. Der Rückweg erscheint mir wegen der schönen Ausblicke wesentlich attraktiver. Die Häuser des ersten Stadtviertels San Cristóbal kleben am Felshang. Weit in der Ferne sieht man den riesigen Hafen von Las Palmas. Ich habe mich an ein blau gekleidetes Pärchen gehängt. Wahrscheinlich übertreibe ich es da ein bisschen, aber so enteile ich den Vier-Stunden-Pacern. Das Pärchen wird in 3:56 Stunden durchs Ziel laufen.

 

 

Die Verpflegungsstellen alle fünf Kilometer versorgen uns mit  300-ml-Wasserflaschen, Iso, Bananen und Nüssen. Dazwischen gibt es Schwämme in der Form Gran Canarias. Leider vergesse ich, einen als Andenken mitzunehmen.

Der Yachthafen ist bei km 21 erreicht, an der Allee dazu die entsprechenden teuren Häuser. Für uns geht es jetzt Richtung barrio Vegueta, der Altstadt von Las Palmas. Einige Kurven stehen uns dort bevor. Schlimmer noch sind diverse spürbare Höhenunterschiede. Der gesamte Lauf hat so um die 90 Höhenmeter. Kurz nach km 29 eine Wendestelle. Jetzt steht die Sonne hinter uns. Also ist alles gut zu sehen: Die Kathedrale Santa Ana, gebaut in unterschiedlichen Etappen und Stilen von 1497 bis 1821, der Palast des Erzbischofs und gegenüber der Kirche und hinter der Trommelgruppe das historische Rathaus der Stadt. In den Gässchen viele alte Gebäude. Sehenswert die Casa de Colón (Kolumbushaus) wie auch das Centro de Arte Atlántico Moderno.

Und dann wieder auf die wichtigste Einkaufstasse Triana im gleichnamigen barrio der Kaufleute und Handwerker, immer noch weihnachtlich geschmückt.

Am Boden ein kurzes Stück verrostete Straßenbahngleise. Zwischen 1890 und 1937 gab es in Las Palmas eine Tram. Geplant war in jüngster Zeit eine Schnellstraßenbahn von Las Palmas nach Maspalomas. Leider hat hier aber die Wirtschaftskrise dem Bau ein Ende bereitet. Und so sieht man viele Linienbusse auf der Autobahn.

Am Nordende der Parque de San Telmo mit seinem modernistischen, mit bunten Kacheln verzierten Eiskiosk. Der schönste Eisstand, den ich je gesehen habe.

Schon seit einiger Zeit habe ich ein Bedürfnis. In der Einkaufsstraße gibt es viele Geschäfte, viele Zuschauer, aber keine Bars oder dergleichen. Da bin ich ganz froh, als ich an der nächsten Verpflegungsstelle auch ein blaues Häuschen finde. Außerdem gibt mir der Aufenthalt die Möglichkeit, den Vierstundentross ohne Gesichtsverlust vorbeiziehen zu lassen. Die letzten zehn Kilometer werden sehr schwer (den folgenden Tag verbringe ich dann im Bett).

 

 

Am Yachthafen geht es wieder auf die Uferstraße. Hier gibt es einen schönen Sandstrand zwischen dem Yacht- und dem großen Industriehafen, der aufgrund der günstigen Spritpreise auch gerne von Frachtschiffen auf der Atlantikroute angelaufen wird. Die vielen Ölplattformen werden hier wohl repariert. Ölbohrungen vor den Inseln konnte eine Bürgerinitiative verhindern mit dem Slogan "Das Öl der Kanaren ist der Tourismus". Der Parque Catalina bei km 35 ist das Eingangstor zur Stadt für Seefahrer und Kreuzfahrtouristen. Eine "Aida" ist zu sehen. Immer mehr Kreuzfahrschiffe legen hier an. Das Einkaufszentrum El Muelle gleich am Pier, davor eine Replik von Columbus' "Niña". Mit so einem kleinen Schiff hat er so eine lange Reise unternommen.

Läufermassen um mich herum. Die dreitausend 10er sind um 11:30 Uhr gestartet und begleiten uns auf den letzten sieben Kilometern. Da kann ich trotz 7:00er Schnitts noch schön überholen. Ein Schlenker nach Osten. Dort sehen wir das Castillo de la Luz, welches seit Anfang des 16. Jahrhunderts den Hafen schützt. Dann noch mal kreuz und quer durch das barrio Santa Catalina. An der Markthalle vorbei. Hier tobt der Bär und stimmt uns schon auf die letzten drei Kilometer ein.

Es geht auf die Promenade am Las-Canteras-Strand, mit seinem goldgelben Sand für viele die größte Sehenswürdigkeit der Stadt. Sichelförmig zieht sich der Stadtstrand die Küste entlang. Als Wellenbrecher dient ein versteinerter Lavastrom weiter draußen. Hier stand die Wiege des Gran-Canaria-Tourismus, bevor man den viel sonnensichereren Süden erschloss. Hier, an der großen Badewanne "la gran Bañera", treffen sich Einheimische, Touristen und Seeleute aus aller Welt. Nicht umsonst sprechen viele von der Copacabana Gran Canarias. Heiße Rhythmen begleiten uns auf unserem Weg. Jede Gemeinde Gran Canarias stellt heute einen Stimmungspunkt. Der Blick reicht bis zum Vulkankegel Gáldar und weiter bis zum 3.700 Meter hohen Pico del Teide auf Teneriffa.

 

 

Weiter gen Ziel. Wo die Lavabarriere fehlt, liegt Cicer, das Eldorado der Surfer. Die lassen sich von uns den Spaß nicht verderben. Hinter den Surfern am Ende der Bucht das Auditorium Alfredo Kraus, benannt nach einem in Las Palmas geborenen spanischen Opernsänger. Rechts davon legen wir die letzten 100 Meter zur Plaza de la Música zurück.

Glücklich im Ziel, auch wenn ich auf der zweiten Hälfte mal wieder 20 Minuten verloren habe. Ich genieße die gute Verpflegung, erwische dabei ein Bier mit Alkohol. Auch Eiswasserbecken soll es hier geben, ebenso Massage- und Duschmöglichkeiten.

Der Gran Canaria Marathon ist ein schöner Stadtmarathon, der sich gekonnt auf jedem Kilometer steigert. Nicht ohne Grund kommen jedes Jahr mehr Lauftouristen hierher und bringen dieses Jahr eine fast 60%ige Steigerung der Finisherzahl.

 

Informationen: Gran Canaria Marathon
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