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Laufberichte

Gondo lebt

06.08.06

Einen solchen Lauf hatte ich noch nie gemacht!

 

2. Tag Gondo Event 2006


Schon mal vorab – das Gondo Event ist uneingeschränkt zu empfehlen. Eine super Veranstaltung in einer beeindruckenden Landschaft, eine Herausforderung an jeden Läufer, eine Veranstaltung mit hohem Erlebniswert. Ich bin immer noch restlos begeistert, befürchte aber, dass mein Schreibtalent nicht ausreicht, die Vielfalt der Eindrücke auch nur ansatzweise zu beschreiben. Die Bilder helfen vielleicht der Vorstellungskraft, ich möchte aber dringend empfehlen, selbst teilzunehmen und eigene Eindrücke gewinnen!


Zwei Marathons an zwei aufeinander folgenden Tagen – kein Problem, so etwas habe ich schon öfter geschafft, und wenn dabei fast 4000 Höhenmetern zu überwinden sind, macht mir das auch keine Angst - sofern genügend Zeit zur Verfügung steht. Wenn dann so eine Veranstaltung auch noch im Wallis stattfindet, ist der Erlebniswert gesichert.


All diese Voraussetzungen versprach das Gondo Event und so meldete ich mich bereits im Mai an und freute mich auf die Veranstaltung. Freitagmittag fuhren wir, Klaus und ich, in die Südschweiz und weiter Richtung Italien. Gondo, das Grenzdorf war unser Ziel, dort sollte der Lauf am ersten Tag beginnen und dort sollte er am zweiten Tag auch enden.


Wir übernachteten in einem Zivilschutzraum, so wenigsten nennen das die Schweizer, ich kenne solche Räume unter dem Begriff „Bunker“. Der Raum war zwar randvoll mit Stockbetten (3 Etagen), die nahezu alle belegt waren, er war aber bestens belüftet, so dass ich prima schlafen konnte.


Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es dann um 8 Uhr auf die Strecke und nach genau 7:52:26 h und 42,1 km voller Anstrengung in einzigartiger Landschaft waren wir im Rhonetal in Ried-Brig angelangt. Einen ausführlichen Bericht dieses erlebnisreichen ersten Tages hat Klaus geschrieben und kann hier nachgelesen werden. Ich werde daher nur über den zweiten Tag des Gondo Events berichten.

 

Wenige Meter von der Massenunterkunft im Zivilschutzraum in Ried-Brig lag das Hotel Simplon, so dass wir für diese Nacht auf unseren Platz in dem Bunker verzichteten und uns ein Zimmer im Hotel nahmen. Nach einer ausgiebigen Dusche gingen wir zur Turnhalle, wo der Veranstalter ein opulentes Abendessen angerichtet hatte.


Ab 5.30 Uhr gab es am Sonntagmorgen ein Frühstück in der Turnhalle von Ried, zumindest für all die, die die zusätzlichen 10 Franken dafür bezahlt hatten. Danach ging es vor die Halle, denn dort war der Start zum zweiten Marathon. Um 7 Uhr wurde der gestrige Tagessieger losgeschickt und in dem zeitlichen Abstand, mit dem sie hinter dem Sieger von gestern lagen, wurden die nächsten Läuferinnen und Läufer gestartet. Sinn dieser Prozedur ist, dass derjenige, der als Erster in Gondo ankommt, dann auch tatsächlich der Gesamtsieger ist.


Gleichzeitig mit den beiden Ersten starteten auch vier Teilnehmer, die am Vortag das Zeitlimit von acht Stunden überschritten hatten. Sie hatten somit für die heutige Strecke eine halbe Stunde länger Zeit. Für die restlichen Läuferinnen und Läufer war um 7.30 Uhr Start, bis zum Zielschluss um 16 Uhr hatten wir also achteinhalb Stunden Zeit, 30 Minuten mehr als am Vortag.


Bereits auf dem ersten Kilometer, als es noch recht eben aus Ried-Brig hinausging, lief ich ganz am Ende der Läuferschar. Der Vortag war anstrengender gewesen, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich wollte daher den zweiten Tag ganz vorsichtig angehen und erst Mal den ersten Anstieg abwarten, um ein Gefühl für meine Leistungsfähigkeit zu bekommen.


Nachdem es am ersten Tag die ersten 24 Kilometer mehr oder weniger beständig hoch ging und danach die restlichen 18 Kilometer abwärts, versprach das Höhendiagramm für den zweiten Tag mehr Abwechslung, die Höhenmeter verteilten sich besser auf die 42 Kilometer.


Nach etwa 1500 Metern bogen wir links weg auf den Stockalperweg, der uns die nächsten zwei Kilometer etwa 400 Meter hoch auf den Schallberg (1.300m) führte. Dabei konnten wir herrliche Blicke in die Saltinaschlucht geniessen, die uns gestern am Schluß der Etappe so zugesetzt hat. Auch heute war der Weg sehr steil und ich war das Schlusslicht unserer Gruppe, die aus Klaus, Jean, Elke und Marianne bestand. Hinter mir nur noch zwei Teilnehmer.



„Würde ich die Strecke heute in der Zeit schaffen?“ Diese Frage ging mir in der ersten Stunde in allen Variationen durch den Kopf und ich machte mir Sorgen. Zum Glück jedoch waren bereits diese ersten Kilometer wieder so abwechslungsreich und spektakulär wie am Vortag, so dass ich die negativen Gedanken irgendwann vergaß und mich einfach nur darüber freute, dass ich hier dabei sein konnte. Immer wieder hatten wir atemberaubende Ausblicke hinunter ins Gantertal und weiter bis Brig im Rhonetal. Erst wenn man so direkt von oben in eine Schlucht blicken kann, bekommt man ein Gefühl, wie viel 400 Höhenmeter sind.



Den Schallberg hatten wir hinter uns gelassen und es ging moderater hoch, teilweise parallel zur Autostraße, teils auf der alten, stillgelegten Passstraße, immer aber in schöner Landschaft. Auf wundersame Weise spürte ich auf diesem Abschnitt wieder mehr Energie und damit auch Zuversicht, die Strecke zu schaffen und auch das Zeitlimit einhalten zu können.


Bei etwa Kilometer 12 lief man ein paar hundert Meter neben der Passstraße, bis zur nächsten Verpflegungsstelle (Rothwald) auf einem Parkplatz an der Straße. Hatte man am ersten Tag recht lange warten müssen bis zur ersten Wasserstelle, waren wir hier schon an der dritten Verpflegungsstelle, die darüber hinaus auch noch mit allem ausgestattet war, was man benötigte.


Wir waren jetzt etwa 1.750 m hoch, nur noch 250 m unterhalb der Passhöhe. Leider aber ging es jetzt erst Mal wieder 250 Höhenmeter abwärts, erst auf einem Asphaltweg, der aber nach etwa 10 Minuten in einen Naturpfad mündete, der weiter abwärts führte bis zur nächsten Verpflegungsstelle bei km 15 (Taferna).



Hier begann der letzte Aufstieg zum Simplon Pass, erst sanft hoch, dann steiler durch eine liebliche bis wildromantische Landschaft. Auf dem steilsten und engsten Pfad, mitten im bewaldeten Hang standen Pferde im Weg, die hier offensichtlich frei laufen durften. Vorsichtig ging ich jeweils an den Tieren vorbei und hoffte, dass sie sich nicht bewegten und mir nicht den engen Platz wegnahmen.


Bald war auch das geschafft und nach weiteren zehn Minuten steilen Anstiegs wurde es etwas flacher, Nebel lag über der Landschaft und alles deutete darauf hin, dass wir bald oben waren.



Seit der letzten Verpflegungsstelle waren auch die Walker (28 km) und die Teilnehmer des Gondo Running (28 km) auf unserer Strecke. Etwa bei Kilometer 25 trennten sich wieder unsere Wege. Wir mussten eine zusätzliche Schleife machen, während und die beiden Gruppen auf direktem Weg weiter nach Gondo liefen.


So weit war es aber noch nicht, wir hatten erst den Simplon Pass erreicht (2006 m, km 17), stärkten uns an der Verpflegungsstation und rannten dann weiter. Tatsächlich, ab hier konnte man wieder joggen. Es ging auf dem Pfad bergab, den wir am Vortag hoch gekommen waren. Jetzt beim abwärts Laufen nahm ich bewusst wahr, wie anspruchsvoll der Untergrund war, ständig musste man auf der Hut sein, nahezu jeder Schritt musste bewusst erfolgen.



Wieder kamen wir am Stockalper Hospiz und dem Barral Haus vorbei, wir passierten einzelne Häuser, liefen über schöne Wiesen und dann wieder auf Wegen, die hauptsächlich aus Steinen zu bestehen schienen. Ganz unmerklich war der Kurs flacher geworden und der Weg besser. Sollte es mir auf diesem Streckenabschnitt tatsächlich gelingen, mal einen fünf Kilometer Abschnitt unter 40 Minuten zu laufen? Meine Gruppe hatte ich weit hinter mir gelassen und der letzte Kilometer verlief auf einer Asphaltstraße. Schade – mit 40:12 min hatte ich mein Ziel knapp verfehlt, aber immerhin mein schnellster 5km-Abschnitt; bei den Passagen bergauf hatte ich dafür auch schon mal 1:12 Stunden benötigt.


Die wenigen Häuser des winzigen Weilers Egga waren erreicht und damit auch die nächste Verpflegungsstelle, an der ich mich nicht lange aufhielt, um meinen Vorsprung nicht zu gefährden. Am Vortag waren wir von Simplon Dorf auf dem direkten Weg hoch nach Egga gekommen. Heute mussten wir eine Schleife auf einer autofreien Straße laufen, immer moderat abwärts, so dass ich das erste Mal an diesen beiden Tagen über längere Zeit mein normales Marathontempo laufen konnte. Nach knapp 3,5 Kilometern war das Vergnügen aber schon wieder zu Ende, es ging steil hoch und hinein nach Simplon Dorf.



An der Verpflegungsstation im Ort hatten mich meine Verfolger Elke, Marianne und Klaus wieder eingeholt. Gemeinsam ging es dann weiter abwärts, bis wir in der Gegend von Gabi die Gondoschlucht erreicht hatten. Weiter hinunter war nicht mehr möglich, jetzt musste der am Morgen vom OK-Chef beim „briefing“ angekündigte schwere Aufstieg kommen. In der Tat, es ging hoch, steiler als alle Anstiege dieses Tages. Für die folgenden drei Kilometer und vielleicht 600 Höhenmeter hoch nach Furggu benötigten wir fast eine ganze Stunde. Je höher wir kamen, desto stärker wurde der Wind und ich war froh, dass ich heute meine Jacke mitgenommen hatte.


Endlich, bei Kilometer 35 war die Höhe erreicht und dankbar nahmen wir das Angebot der Verpflegungsstation an, bevor wir uns auf den Abstieg machten. Etwa 1.000 Meter tiefer lag Gondo, unser Ziel. Entsprechend steil ging es abwärts. Das Ende des Laufes vor Augen, ignorierte ich alle Beschwerden, die das Abwärtslaufen bewirkte und versuchte, so schnell als möglich zu laufen. Wieder gelang es mir, mich ein wenig von unserer Gruppe abzusetzen.


Klaus unterhielt sich noch eine Weile mit unseren Begleiterinnen, ließ dann die Frauen hinter sich und schloss zu mir auf. Gemeinsam gaben wir uns Mühe, das Tempo zu halten, sprangen sozusagen über „Stock und Stein“ abwärts. Wir passierten noch eine Verpflegungsstation und hatten dann auch bald Kilometer 40 erreicht. Eine Stunde zeigte meine Uhr für die letzten 5 Kilometer. Das konnte nicht sein, war es doch ausschließlich bergab gegangen. Zwar konnte man auf den schmalen, steilen Pfaden nicht allzu schnell laufen, aber so langsam waren wir dann aber ganz sicher nicht. Irgendwas stimmte mit der Ausschilderung nicht.


Weiter ging es in flottem Tempo und bald hörten wir in der Ferne die Lautsprecherdurchsagen aus dem Zielbereich. Trotzdem dauerte es noch viele Minuten, bis wir endlich den sehr steilen Pfad bis hinunter nach Gondo geschafft hatten und nach wenigen flachen Metern glücklich ins Ziel einlaufen konnten.


Einen solchen Lauf habe ich noch nie mitgemacht! Das waren 84 Kilometer voller Anstrengung, aber auch 84 Kilometer in schönster Landschaft und einer Fülle von Erlebnissen. Unsere Gesamtzeit von 15:40 Stunden kann vielleicht etwas über die Anstrengung aussagen, aber nichts über den Erlebniswert und nichts über die phantastische Landschaft - das muss man selbst erleben!


Einmalig auch, wie man in Gondo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 2-Tage-Event feierte und deren Leistung würdigte. Jeder Finisher wurde aufgerufen, bekam eine Urkunde und ein Riesen Stück Käse oder eine Geschenkpackung Wein. Die ersten Drei jeder Altersgruppe bekamen sogar einen Geldpreis! Dass ich auch einmal dabei war und den zweiten Platz belegte, möchte ich der Vollständigkeit halber auch berichten.

 


Das Fest im voll besetzten Zelt ging noch lange weiter. Für die weit Angereisten standen für eine weitere Übernachtung die Zivilschutzräume zur Verfügung. Wir machten uns auf den Heimweg – die Pflicht rief -  aber Gondo, da sind wir (Klaus und ich) uns einig, werden wir so schnell nicht vergessen. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr an gleicher Stelle wieder.

 

Informationen: Gondo Marathon
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