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Laufberichte

Wo der Dreck vom Himmel fällt

05.05.13

Dies wird nun mein 2. Besuch beim Goitzsche Marathon. Vor 5 Jahren beim 3. Goitzsche Marathon waren wir (Dieter und ich) gerade eine Woche nach dem Oberelbemarathon hier gelaufen. Schon damals waren wir erstaunt, was hier aus einem Kohle- und Bernsteintagebaugebiert geworden ist. Damals war vieles noch in den Kinderschuhen und heute können wir sehen, was die Natur mithilfe von engagierten Menschen verändern kann.

Wer die Goitzsche nicht kennt, hier einige Hinweise. Die Goitzsche ist eine Seenlandschaft bei Bitterfeld. Geografisch sind wir etwa 25 km nordöstlich von Halle (Saale) und etwa 35 km nördlich von Leipzig. Viele werden noch das alte Sprichwort kennen, „Bitterfeld, Bitterfeld, wo der Dreck vom Himmel fällt“.

Um die Stadt Bitterfeld war zu DDR-Zeiten viel Industrie sowie ein großes Revier für Braunkohle- und Bernsteintagebau und das Thema Umweltschutz gab es nicht. Das Revier hatte auch den Ruf, die Stadt mit der schlechtesten Luft zu sein. Neben der chemischen Industrie und den Rüstungsbetrieben wurden hier sogar Prallluftschiffe, auch Bimps genannt (ähnlich dem Zeppelin) gebaut.

Die Umweltsünden sind erst in den letzten 150 Jahren durch die Industrialisierung entstanden, denn im Mittelalter lebten hier hauptsächlich Töpfer, Schuster und Tuchmacher. Die damals sehr kleine Stadt hatte auch viele Bierbrauereien und die Bevölkerung lebte von den Handwerkern und der Landwirtschaft.

Wer heute hierher kommt, merkt von den Umweltsünden vor 20 und mehr Jahren nichts mehr. Hier ist ein wunderschönes Naherholungsgebiet entstanden. Im Bereich zwischen der Villa und dem Stadtrand von Bitterfeld ist jedoch schon vieles an der Wasserfront entstanden. Durch ein Projektteam wurde dem Ufer zwischen Marina und dem Stadtrandgebiet von Bitterfeld ein neues und sehr modernes Gesicht gegeben.

Die weitläufige, mediterran anmutende Uferzone mit Badestränden, dem Hafenbecken und der wunderschönen restaurierten "Villa am Bernsteinsee" ist ein Freizeitparadies direkt vor den Toren der Stadt Bitterfeld geworden. Wer die Goitzsche vom Wasser aus genießen will, kann für 9,50€ eine große Seenrundfahrt von 1 ½ Stunden buchen. Wer es rustikal liebt, kann mit der MS Reudnitz, einem alten Zweimaster, Seeräuberfeeling genießen oder auch ganz romantisch darauf heiraten.

Ich erinnere mich noch an den freundlichen Radfahrer, der damals anhielt und uns die Geschichte vom alten Bitterfeld, noch vor der Wende erzählte: Früher war die heutige Seenlandschaft ein Auenwald, dann ein Braunkohle- und auch Bernsteintagebau und nach der Bergbausanierung mit anschließender Flutung ist hier mit 60 Quadratkilometern das größte Landschaftskunstprojekt der Welt entstanden. Von 1908-1991 wurden hier 1.275.000.000 m³ Abraum bewegt und 507.700.000 Tonnen Rohbraunkohle gefördert. Um so eine große Menge an Kohle abzubauen, mussten auf viele Einwohner große Opfer bringen, denn für ein so großes Bergbauvorhaben wurden ganze Orte dem Boden gleichgemacht. Die Einwohner der Gemeinden Paupitzsch, Niemegk, Döbern, Seelhausen und eines Ortsteils von Petersroda mussten umgesiedelt werden. Auf dem Grund der Goitzscheseen liegen sozusagen 5 versunkene Orte.

In der Zeit von 1974 bis 1993 wurde in Bitterfeld auch Bernstein (Tränen der Götter) im Tagebau, zunächst von Hand  mit Schürfhacke und Schaufel und ab 1976 mit maschinellen Hilfsmitteln, abgebaut. Nach diesem Bernsteintagebau ist die alte Bernsteinvilla am Goitzschesee benannt, die Start und Ziel für den Marathon ist. Der Bernstein von Bitterfeld ist Succinit und stammt von Bäumen aus der Tertiärzeit vor ca. 30-50 Millionen Jahren. Succinit hat sich besonders in der sog. "blauen Erde" abgelagert, wo man ihn in offenen Lagern und Minen abbauen konnte. In den 18 Jahren bis zur Einstellung 1993 wurden hier 800t gefördert. Man vermutet, dass noch über 1000t im Boden vorhanden sein sollen.

Die ehemaligen Restlöcher des Tagebaus wurden durch über einen eigens gebauten Kanal mit der Mulde verbunden. Bereits am 6. Juli 1998 erfolgte der Probebetrieb zur Flutung der Goitzsche. Am 7. Mai 1999 begann die richtige Flutung der Löcher, mit ca. 2,5 m3 (2.500l) pro Sekunde. Heute nach 15 Jahren ist diese Seenlandschaft ein herrliches Freizeitgebiet mit bester Wasserqualität. Durch die Zusammenarbeit von Bergleuten, Künstlern und Landschaftsarchitekten entstand in der Goitzsche auf einer Fläche von 60 km² das weltweit größte Landschaftskunstprojekt. Wir werden noch im Laufe des Marathons an einigen Kunstobjekten vorbeilaufen.

Mein Lauffreund Dieter und ich machen uns am Samstag auf den Weg nach Bitterfeld, das ca. 250km von Kassel entfernt ist. Als wir am frühen Nachmittag in Bitterfeld ankommen, merken wir aber nichts mehr von dem ehemaligen Ruf. Was man aber noch an vielen Ecken merkt ist der „Charm“ der 50-er Jahre. Wir fahren direkt zum Ufer des Sees, denn diesmal gibt es die Startunterlagen im Wasserzentrum, das unweit der Villa am Bernsteinsee liegt. Die Öffnungszeiten sind am Samstag von 15 – 20 Uhr und am Sonntag von 7 – 9:30 Uhr. Nachmeldungen werden noch bis 1 Stunde vor Start angenommen.

Als Laufdisziplinen gibt es: Marathon, Bernsteinlauf (24,5km), 10 km Lauf, 10 km Walking, Halbmarathonstaffeln, Schnupperlauf. Wer sich rechtzeitig anmeldet, kann hier Marathon für 20€ laufen, selbst als Nachmelder zahlt man nur 30€. Die Zeitmessung erfolgt mit dem Champion-Chip, der zur Anmeldung mitgebracht werden muss. Nur der Chip, der vor Ort eingelesen wird, garantiert die Zeiterfassung. Kein Chip, keine Teilnahme. Wer keinen Chip hat, leiht ihn für 30€ Pfand, von dem man 25€ im Ziel zurück erhält. Für den Sammler gibt es zur Erinnerung ein schönes Funktions-Shirt für 15€. Die Zielzeit ist auf 6 Stunden festgesetzt. Wer sich die Marathonstrecke ansehen möchte, hat dazu um 14 Uhr Gelegenheit, denn  gibt es eine Radtour über 3 Stunden direkt auf der Laufstrecke. Anschließend kann man gleich an der Pasta-Party teilnehmen.

Dieter und ich nutzen den Tag und machen einen Spaziergang durch Bitterfeld. Es ist Samstagnachmittag und die Stadt ist leider wie ausgestorben.  So fahren wir nach Mühlbeck-Frielingsdorf. In Mühlbeck haben wir vor 5 Jahren übernachtet, direkt gegenüber der alten Wehrkirche im Gasthof „Mühlbecker Hof“. Solche Art Gasthöfe gab es viele in meiner Kindheit in den 50er Jahren. Der Wirt erzählte uns, dass Mühlbeck das 1. Buchdorf Deutschlands wurde. Vorbilder sind das Urbild aller Buchdörfer Hay-On-Wye in Wales, Redu in Belgien (das erste auf dem europäischen Kontinent) und Bredevoort in den Niederlanden. Mit der Buchdorf-Idee eines Buchdorfes, die 1997 initiiert wurde, sollten Touristen in die Gegend gelockt werden. In 14 Läden werden mehr als 300.000 antiquarische Bücher angeboten. Neben der Gaststube in einem Hinterzimmer befindet sich der Buchladen bzw. das Antiquariat. Wir sind heute im ehemalige Schulhaus, das zig tausend Bücher beherbergt.

Am Abend ist dann im Wasserzentrum die Pasta-Party. Den Abend kann man dann am Hafen in einem der wunderschönen Lokal mit Life-Musik ausklingen lassen. 

 

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Informationen: Goitzsche Marathon
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