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Laufberichte

Kimmscht nach Imscht?

01.07.12

Fotos wurden nicht vergessen, Herbert hat keine gemacht. Red.

Als ich am Samstag in Imst in Tirol ankomme, zeigt das Thermometer 35°C. Bei Übernahme der Startnummern dampft es unterm Zeltdach gewaltig. Die Zeltwände sind wohlweislich hoch gerollt. Per e-mail waren wir Starter tags zuvor über die voraussichtlichen Temperaturen am Renntag informiert worden: 18°C am Start, 35°C im Ziel, nachmittags Gewitterneigung. Na dann. 

Imst ist Keimzelle der SOS-Kinderdörfer, hier ist Hermann Gmeiner begraben. Der Vorarlberger gründete sie, vor allem für verwaiste Kinder in der Nachkriegszeit. 1951 wurde das erste Haus eröffnet. Mittlerweile wird Kindern in 133 Ländern der Welt eine Mutter und Familie in einem der SOS-Kinderdörfer gegeben.

Mit dem Postbus geht es Sonntag früh von Imst zum Start nach Mandarfen. Es ist mit 18 Grad noch angenehm kühl. Planabfahrt ist 06h45. Als ich kurz nach halb sieben am Parkplatz des Schwimmbads von Imst bin, ist ein Bus bereits abgefahren. 200 Leute  werden heute starten. 10 als Staffelstartläufer, die anderen über die klassische Marathondistanz. Es stehen uns 1100 Höhenmeter bergab bevor und 250m bergauf. Wobei die Steilheit des Gefälles die entscheidende Rolle spielt, ob ein Bergabstück beschleunigend wirkt oder bremsend. Und die Frische der Muskulatur natürlich.

07h35, wir sind in Mandarfen, am Ende des Pitztals an der Talstation der Rifflsee-Gondelbahn. Kühl ist es, 14 Grad vielleicht. Die Sonne ist noch hinter den Bergen, der Schnee leuchtet herunter. Nach und nach treffen Sportler mit dem Auto ein. Einige brauchen noch ihre Startnummer, nachmelden kann man sich noch bis 08h00. Für den Transport nach dem Marathon zurück zum Start ist ein Shuttle-Service organisiert. Recht international besetzt ist das Starterfeld, mehrheitlich Deutsche, aber auch Polen, Tschechen, natürlich Südtiroler, US-Amerikaner, ein Finne . . .

Gerhard Wally ist auch da, wir kennen uns vom Über-Drüber-Marathon. Er läuft heute seinen 465. Marathon. Das ist österreichischer Rekord, und er verbessert den nahezu wöchentlich. Elkes Marathonanzahl ist noch einstellig, sie will heute mit einem Lächeln ins Ziel kommen. Der Vorsatz gefällt mir.   

Laute Musik aus der Konserve, damit sicher alle Hotelgäste wach sind und schließlich der Countdown. Das Startsignal ertönt um

08h30, innerhalb einer halben Minute haben alle die Startlinie passiert. Vorerst geht es bergauf, so bin ich schnell aufgewärmt. Ein kurzes Gespräch mit m4y-Anton. Nach anderthalb km sind wir an der Talstation der Gletscherbergbahn und haben etwa 100 Höhenmeter gemacht. Wir laufen eine Schleife und sind nun Richtung Imst unterwegs. Es geht leicht bergab, ich kann verschnaufen. Wir passieren nach 3km unter Beifall das Startgelände und verlassen Mandarfen. 17min bis hierher. Es geht leicht bergab, und nach weiteren 2km erwischt uns die Sonne. In Plangeroß bereits die erste Wasserstelle und Publikumsinteresse.
08h52, km5 Es läuft. Das Gefälle nimmt zu, vor Weißwald (km6) spenden die Berge zu unserer rechten wieder Schatten.

09h04, km7 Kurz vor der ersten Lawinengalerie überholt mich Anton. Ich habe auch mein Tempo gefunden, herrliche Landschaft, gute Luft, die Temperatur passt. In Neurur (km9) gibt es zum Wasser auch Iso. Der Autobus hält auf der linken Spur, denn in seiner Haltebucht ist die Labestelle eingerichtet. Die linke Spur wird fast bis ins Inntal runter von relativ vielen Autos befahren. Sie kommen aber meist in Schüben zu etwa 5 Fahrzeugen in beiden Richtungen. Bei Gegenverkehr kann es aber schon einmal knapp werden mit den LäuferInnen. Eine Polizistin am Motorrad, unterm Helm schaut ein blonder Zopf hervor, passt aber auf uns auf. 

09h24, km10 Ich bin zufrieden, alles in Ordnung. Ein kleiner Schluck aus der mitgebrachten Flasche, die Strecke ist noch meist im Schatten der Berge. In der nächsten Lawinengalerie nähert sich ein Auto von hinten. Ohne Licht, das gibt ein ungutes Gefühl. Das sieht auch die Polizistin so und winkt den Lenker für ein klärendes Gespräch an den Straßenrand. Der versteht schnell.

In Piösmes bei km13 gibt es eine kleine Steigung und zu essen und zu trinken. Die Sonne scheint hier auch in den Ort und es wird spürbar wärmer. Dazu kommt, dass meine linke Fußsohle brennt, im Bereich vom Ballen. Ist denn der Asphalt schon so heiß? Ich kann mein Tempo halten.

Die Wiesen sind frisch gemäht, gestern war in der Landwirtschaft Großeinsatz, es wurde Heuarbeit verrichtet. Da muss man schnell sein, denn für heute Nachmittag sind Gewitter angekündigt. Davon ist aber noch nichts zu erkennen. Gerhard überholt mich bei km14 und jubelt, er wirft sich in Pose wie Balotelli nach seinem zweiten Tor beim EM-Halbfinale, lässt aber das Shirt an. Er hat wohl nicht so einen muskulösen Oberkörper wie der schwarze Italiener.

09h48, km15  Eindeutig, ich habe eine Blase auf der linken Fußsohle. Ärgerlich! Mein „Problemfuß“ ist eigentlich der rechte. Wenn es was hat, dann da, nie aber links! Heute ist das anders. Nach weiteren 5min bei km16, nun in der Sonne, können wir uns stärken. Zum Wasser und Iso gibt es auch Bananen. Als ich 1km später mein PowerGel nehmen will, warte ich, bis ich wieder in den Schatten komme. Nun steht ein langes Flachstück bevor. Da sich das Tal hier weitet, sind die Berge nicht mehr hoch genug, außerdem ist die Sonne schon hoch gestiegen. Von Scheibrand nach Hairlach und weiter. Es wird anstrengend. Ich überquere den Pitzbach und freue mich auf den Tunnel vor mir, der noch dazu diesmal etwas länger ist. Schatten!

Am Tunnelausgang wird eifrig fotografiert. Eine Hinweistafel erinnert an Bennie Raich, den erfolgreichen Skirennläufer, der hier aus der Gegend ist. Längst verläuft die Pitztalstraße meist direkt am Pitzbach. Der führt sehr viel Wasser und tost. Im Radio wurde am Vortag die höchste jemals gemessene Temperatur am Sonnblick verkündet: 19°C, Kein Wunder, dass da das Gletschereis schmilzt.  Der Sonnblick ist 3.106m hoch, seit September 1886 gibt es da oben eine Wetterstation, die das Wetter aufzeichnet. 

Gestern habe ich hier Kajakfahrer im Pitzbach gesehen, der heute mehr ein Pitzfluss ist. Für Anfänger ist das sicher nichts, ich fühle mich auf der Straße eindeutig wohler. Kurz vor der Halbmarathondistanz steht ein Streckenposten und gibt per Funkgerät die Startnummern durch, die da an ihm vorbeikommen.

10h22 Für die erste Hälfte habe ich demnach 1h52min benötigt. Hier ist es unangenehm steil. Ab und zu etwas bergab laufen ist ja ganz lustig, das hier ist aber schon etwas extrem. Wobei der Veranstalter eh kein Geheimnis aus dem Streckenprofil gemacht hat. Ist für jeden zugänglich.  Kurz darauf in Wiese ist es flach. Es gibt wieder Wasser, Iso, Bananen und eine Art Stadionsprecher mit Musik, der die paar Zuseher zum Anfeuern ermuntert. Gleich nach der Labe sprüht ein Gartenschlauch Wasser über die Strecke. Freut mich, ich kann meinen Kopf kühlen.  

10h27, km22  Könnte noch eine gute Zeit werden für mich. Die Strecke wird steiler, das Tal enger. Etwas kühler wird es auch. Vorbei an Ritzenried, wo mir der Pitzbach besonders laut vorkommt. Das erste nennenswerte Streckenstück bergauf ist nicht mehr allzu weit weg, ich hoffe auf Linderung meiner Schmerzen auf der linken Fußsohle. Ich sollte wohl den Schuh ausziehen und den Socken straffen!  

Einige der TeilnehmerInnen scheinen sich von den offiziellen Versorgungsstellen abgekoppelt zu haben. Besonders eine fällt mir auf, denn sie wird laufend von Radfahrern versorgt. Aber auch einige private Verpflegungsfahrzeuge gibt es. Wir verlassen den Pitzbach.

10h37, km24  Von nun an geht es bergauf, aber nicht besonders steil. Rechts von der Sonne beschienene Felswände, links Wald. Ich halte Ausschau nach einer Sitzgelegenheit, um mir den Schuh auszuziehen. 2km später auf der Kuppe gibt es wieder was zu trinken, sogar Melonen sehe ich. Ein paar Zuseher und einen Sprecher haben sie da, der versucht, die Läufer in ein Gespräch zu verwickeln. Ich nehme ein Schluckerl Wasser und Iso und laufe steil bergab. Da erspähe ich rechts eine steinerne Stützwand, deren Ende genau meine Sitzhöhe hat. Ich ziehe mir den linken Schuh aus und werde schon gefragt, ob eh alles in Ordnung ist? Ja, geht schon. Ich streife mir den Socken glatt und schlüpfe wieder in den Schuh, mehr kann ich jetzt machen. Weiter geht’s.

Bald bemerke ich, dass ich der Labe bei km26 zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Ich habe viel zu wenig getrunken und bin nun sehr durstig. Die nächste Labe ist noch weit. Die Zeit heute kann ich vergessen! Mittlerweile hat es wohl auch über 30 Grad. Ich brauche Hilfe, bald! Da überholt mich ein privater Versorger. Der wird sicher bald stehen bleiben. Ich weiß schon, wen er versorgt. Das ist meine Rettung! Er ist sehr hilfsbereit und ich kann sogar zwischen Wasser, Mineralwasser und Saft auswählen. Nach einem kurzen Stopp bin ich schon wieder weg. Es geht bergauf, als mein Retter von hinten heranfährt und meine leere Flasche will, zum Auffüllen! Toll!

Aber nur halb voll bitte, sonst wird die Flasche zu schwer. Ich gebe sie ihm durchs Fenster und ein paar hundert m weiter bekomme ich sie halbvoll zurück. Vielen Dank nach Miesbach!

Es geht rauf nach Wenns, km30. Bevor die Labestelle kommt wird von einem Rohrgerüst dreistrahlig Wasser versprüht, angenehm! Wenns zieht sich, es ist warm, dann endlich die Labestelle mit „Stadionsprecher“. Hier gibt es erstmals auch Cola und Red Bull. Ich mache eine lange Pause und trinke viel. Banane mit Melone kann ich empfehlen.

11h20, km31  Hier gibt es die einzige Zwischenzeit. Da liegen noch die Zeitmatten vom  Halbmarathon und Run&Fun um 10 Uhr. Der Sprecher stellt fast überrascht fest, dass hier zwei Österreicher hintereinander die Zwischenzeit auslösen. Denn das halbe Starterfeld kommt aus Deutschland, nur ein Viertel der StarterInnen sind aus Österreich.

Ich habe etwas zu viel Wasser im Magen und wechsle zwischen gehen und laufen, obwohl es jetzt leicht bergab geht. Die Oberschenkel sind längst prall, an die Schmerzen im linken Schuh habe ich mich gewöhnt. Nur gut, dass hier ein kühlender Wind geht. Als es 2km weiter, in Bieracker, wieder etwas zu trinken gibt, habe ich schon wieder Durst. Einen tollen Ausblick hat man von hier! Nach Arzl rein wird es wieder etwas steiler und eine Freiluftdusche verschafft mir kurze Kühlung.

11h38, km34   Die windstillen Zonen werden mehr, meine Gehpausen auch. Wie es aussieht, haben die anderen aber auch damit zu kämpfen. Ich überlege, im nächsten Jahr besser vorbereitet wieder zu kommen, dann schaffe ich es unter 4 Stunden. Heute sind die Beine zu sehr strapaziert. In Arzl werden die diversen Begleitfahrzeuge abgeleitet, ab hier dürfen sie nicht mehr mitfahren. Hier ist etwas Stimmung, fast ein kleines Volksfest. Die Strecke steigt leicht an und bevor es nun steil bergab geht und es endlich wieder etwas Schatten gibt. Ich will gehen, die Oberschenkel schmerzen, laufe aber langsam. Als mich zwei überholen bleibe ich dran, es könnte sich noch ausgehen.

Km38. Wir überqueren auf einer Talbrücke den Inn. Am Kreisverkehr warten Autofahrer, um von der Polizei in kleinen Dosen durchgewunken zu werden. Wir sind noch hoch überm Inn, müssen aber ganz runter. Wieder ist es steil und ein Rasensprenger am Straßenrand sorgt für lokalen Regenschauer.

Schließlich sind wir an der tiefsten Stelle der Strecke angekommen. Km 39. Wir laufen auf Imst zu, bei der Labe vom GH Neuner - km 39,5 - bekomme ich Wasser und Red Bull.

IMST steht auf dem Ortsschild. Ein Blick auf die Uhr: sieht nicht schlecht aus.

12h15, km40  Leichter stetiger Anstieg nun zum Ziel, ich fühle mich relativ frisch. Gut, dass ich nicht mehr bergab laufen muss. Ich lege ein paar kurze Gehpausen ein, immer mit Blick auf die Uhr und auf eine Südtirolerin, die aus dem Auto raus gecoacht wird. Die will auch unter 4 Stunden ankommen, an der orientiere ich mich.

12h21, km41   Meine Flasche werfe ich weg, die habe ich lange genug mitgetragen. Sie war auch sehr wichtig. 500m vorm Ziel beim Schwimmbad gibt es noch einmal Wasser zu trinken und Wolken ziehen auf! Ein letzter Anstieg. 200m vorm Ziel ein Rechtsknick, ich laufe lächelnd ins Ziel!

12h29, km42,2   Und nun die Hände zum Himmel und tief Luft holen!
Meine drittbeste Zeit: 3h 58min 57sec. -  I gfrei mi, des is klass!

Eine Medaille bekomme ich und ein Erdinger ohne Drehzahl. Ich suche mir ein schattiges Sitzplatzerl und leere nach und nach den Becher, während der Schweiß vom Kinn auf den Boden tropft. Je länger ich sitze, umso mehr Freude kommt auf. Als ich mir ein Stück Linzer Torte holen will, kann ich kaum mehr aufstehen. Okay, in zwei – drei Tagen ist der Muskelkater vorbei, ich werde bis Dienstag den Handlauf bei den Treppen nutzen, der Stolz aber wird bleiben.
Nach der Dusche gibt es noch Nudeln und ein weiteres Getränk. So gestärkt mache ich mich auf den Heimweg, mit meiner neuen Medaille überm Innenspiegel und einem guten Gefühl.

Im Startgeld von € 55,- ( + € 3,- Chipmiete) für Spätanmelder waren inklusive:                            

Eine Busfahrt durchs Pitztal,

eine sehr schöne Strecke mit ca. 1100 Höhenmeter bergab und 250 Höhenmeter bergauf,

besonders im zweiten Teil sehr viel Sonne,

Funktions-Shirt mit dem Datum und Logo nur gegen Aufpreis,

Finishermedaille, Sporttasche mit Lauf-Logo,

Viele Labestellen mit bemühten, freundlichen Helfern,

Duschen + Zielverpflegung

 

Informationen: Gletschermarathon Pitztal
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