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Laufberichte

42 Kilometer durch meine Heimatstadt

13.10.13

Kurz vor km 28 am Rosenheimer Platz noch mal viele Zuschauer und die Möglichkeit zur Stärkung, diesmal auch mit Energie-Gel. Im „Bella Italia“ haben wir gestern bei riesigen Nudelportionen unsere private Pasta-Party veranstaltet. Danach rechts das riesige Kulturzentum Gasteig mit der Münchner Philharmonie. An dieser Stelle befand sich früher der Bürgerbräukeller, in dem das Attentat auf Adolf Hitler misslang. Links gab es noch die Münchner-Kindl-Brauerei, wie viele andere Brauereien am Isarhang gelegen, da man dort kühle Bierkeller anlegen konnte. Über den Kellern wurden dann noch schattenspendende Kastanien gepflanzt und fertig war der Biergarten, in den die Gäste ihr Essen selber mitbringen durften.

Bergab taucht rechts vor uns der Turm des Müllerschen Volksbads auf. Ein neubarockes Jugendstiljuwel, das Ingenieur Karl Müller 1901 den Münchner Bürgern schenkte. Damals das größte und teuerste Schwimmbad der Welt. Besichtigung nur in Badekleidung!

Vor uns die Altstadt von München. Wir laufen über die älteste Brücke, die Ludwigsbrücke, welche die erwähnte Brücke im Norden ablöste. Die „Caribbean Steelband Kolibris“ zieht hier mit ihren Klängen auch viele Touristen an.

Hinter den beiden Isararmen geht es vor dem Isartor nach links und am Deutschen Museum vorbei. Das ist natürlich immer ein Besuch wert. Besonders gefällt mir das Bergwerk tief unter der Isar. Rechter Hand liegt das Deutsche Patentamt und daneben in dem dunklen Hochhaus das Europäische Patentamt. Ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Behörden: Im Europäischen Patentamt Beschäftigte müssen keine Einkommensteuer zahlen. Warum, ist mir auch nicht so ganz klar.

Jetzt ins Gärtnerplatzviertel. Am gleichnamigen Platz ist abends immer Party angesagt. Die Anwohner freut das nicht so sehr. Was die wohl jetzt zu dem Lärm am Sonntagvormittag sagen? Sie sitzen in den Cafés und genießen die warme Herbstsonne bei einem Latte Macchiato.  Auf dem Platz eine Büste des Baumeisters Leo von Klenze, der noch öfter genannt werden wird. Nun geht es an der Schrannenhalle vorbei, eine ehemalige Markthalle mit original erhaltenen Stahlsäulen. Am Viktualienmarkt wird links abgebogen. Wer kurz danach links auf den St.-Jakobs-Platz blickt, kann die neue Münchner Synagoge bewundern.

Am Sendlinger Tor Wende in Richtung Marienplatz. Links in der Häuserzeile die bekannte Asamkirche, ein Rokoko-Kleinod. Kurze Zeit später der frühere Sitz der Süddeutschen Zeitung, jetzt umgebaut zur „Hofstatt“, einem Mix aus Shoppingtempel und Wohnungen. Die neue Filiale des Modehauses Abercrombie und Fitch verbreitet ihren aufdringlichen Parfümgeruch oft bis auf die Fußgängerzone, was schon zu einigem Verdruss geführt hat.

Danach heißt es aufpassen und nicht mit der Bronzefigur von Sigi Sommer zusammenstoßen. Ein Münchner Original, das 40 Jahre lang in der Abenzeitung eine Kolumne über das Münchner Leben und Grantln schrieb.

Nächste Möglichkeit, zwischen Kommerz und Kultur zu unterscheiden: Links der Apple-Store und dann der Marienplatz mit Mariensäule und Altem wie Neuem Rathaus. Das Glockenspiel kann man täglich um 10:00 und 17:00 Uhr bewundern. Wobei die dann intonierte Stadthymne „So lang der alte Peter...“ auch die Erkennungsmelodie des Bayerischen Rundfunks ist.

Nun am Feinkostgeschäft Dallmayr vorbei Richtung Nationaltheater. Wem das Gebäude davor vom Florenz-Marathon her bekannt vorkommt: Die Münchner Residenz ist ein Nachbau des Palazzo Pitti. Am Orginal führt der Florenz-Marathon vorbei. Unbedingt solltet ihr den Blick nach rechts durch die Maximiliansstraße auf das Maximilianeum genießen. Besonders im Sonnenuntergang kommt der Sitz des Bayerischen Landtags gut zur Geltung.

Am Odeonsplatz ist wieder mal richtig Stimmung. Es gibt so viel zu sehen, dass man unbedingt mal ohne Marathon-Hatz vorbei kommen sollte. Viele Nachbauten italienischer Vorbilder sind hier versammelt. Einige davon hat der schon erwähnte Leo von Klenze entworfen. Rechts das sogenannte Bazargebäude vor dem Hofgarten mit dem sonnensichersten Café in München. Sehen und gesehen werden ist hier die Devise.

Die Läuferinnen und Läufer genießen die jubelnden Menschenmengen und hoffen auf schöne Fotos vor der Feldherrenhalle. Für die, die dem Sightseeing jetzt noch etwas abgewinnen können, geht´s jetzt erst mal nach links in die Maxvorstadt. Auf der Begegnungsstrecke kann man versuchen, bekannte Gesichter zu entdecken. Ich habe Judith immer noch nicht entdeckt.

Nach dem Überqueren der Trambahngleise sieht man rechts die Neue Pinakothek und links die Alte Pinakothek. Letztere wurde im Krieg genau in der Mitte von einer Bombe getroffen. Der Münchner Architekt Hans Döllgast verschloss den Treffer mit reduzierten Details und baute den Innenraum um, sodass man den Treffer noch sehen kann, wenn denn nicht die Bäume den Blick so verstellen würden. Die Kunstwerke sind übrigens zu Kriegsbeginn ausgelagert worden und können jetzt wieder bewundert werden.

Und weil das Reservoir an Kunst damit noch lange nicht erschöpft ist, kann man nach dem nächsten Linksknick hinter der Alten Pinakothek auch noch die Pinakothek der Moderne sehen.

Zum Durchschnaufen lädt hier wieder eine Verpflegungsstelle ein. Wen die  markante Wand vor dem nächsten Gebäude an ein ägyptisches Tempeltor erinnert, der liegt nicht falsch, denn das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst hat sich einquartiert.

Vor einigen Jahren befand sich hier noch der Informatik-Lehrstuhl der TU München. Asbestverseucht, wie sich irgendwann herausstellte. Ich habe dort sechs Jahre lang studiert.

Das folgende Gebäude erinnert wieder an den Nationalsozialismus in der damaligen „Hauptstadt der Bewegung“. Der ehemalige Führerbau beherbergt jetzt die Hochschule für Musik. Danach ein Blick auf den Königsplatz mit seinem schwarzen Obelisken. Gebaut als Ehrenmal für die 30.000 beim Russlandfeldzug Napoleons gefallenen bayerischen Soldaten. Die Bronzeplatten stammen aus den erbeuteten  Kanonen und nicht mehr benötigten bayerischen Geschützen. Gebaut von Leo von Klenze und eingeweiht am 18. Oktober 1833, dem 20 .Jahrestag der Völkerschlacht in Leipzig, deren 200-jähriges Andenken wir dieses Jahr feiern. Auf die napoleonische Besatzung gehen ja viele bayerische Begriffe zurück. So ist das Wort „Ticket“ bei mir verpönt. Wir Bayern sagen dazu Billett. Oder eben Trottoir zum Fußweg.

Jetzt gibt’s mal über einige hundert Meter nichts Aufregendes zu sehen. Das Finanzamt I (Buchstabe A-Bet) lassen wir lieber schnell hinter uns.

Nächstes Highlight: Der Königsplatz ist zu überqueren. Auch wieder viele Bauten von Klenze. König Ludwig I wollte hier sein Isar-Athen verwirklichen: Links die Antikensammlung. Rechts die Glyptothek. Nach der Zerstörung des Gebäudes im Krieg und dem Wiederaufbau kommen die hier untergebrachten griechischen und römischen Skulpturen wieder sehr gut zur Geltung. An schönen Tagen, so wie heute, sonnt man sich an der Wand des Gebäudes. Vor uns die Propyläen. Spannend ist jedes Jahr, ob man links oder rechts daran vorbeiläuft. Das hängt davon ab, wie viele Meter der Veranstalter noch braucht, um auf die 42,195 Kilometer zu kommen.

Danach ein italienisch anmutendes Gebäude: das Lenbachpalais, einst Wohnsitz des Malerfürsten Franz von Lenbach. Ab km 35 umrunden wir das Stammgelände der Technischen Universität. Sie beherbert 35.000 Studierende, wobei viele Lehrstühle den Museen Platz machten und auf den Campus Garching gezogen sind. Ich finde, dass sich das Gebäude mit den zwei Verbindungsbrücken zum Nordbau wunderbar für einen Indoormarathon eignen würde.

Begegnungstelle: Ein letzter Blick auf die Läufer hinter uns und wir sind wieder auf der Ludwigstraße.

Die  nächsten 5 Kilometer sind vom Anfang her ja schon bekannt. Interessant, dass sie jetzt so viel schwerer zu bewältigen sind. An der Giselastraße warten die Fans auf die Läufer. Die Stimmung schlägt immer noch hohe Wogen. Zwischendurch waren ja auch die 10-km-Läuferinnen und -Läufer da.

Bei der Band dunghill, die auch dem letzten Halbmarathonläufer noch aufspielen wird, queren wir den Elisabethplatz mit einem netten Markt, an dem es nicht so touristisch zugeht wie auf dem berühmten Viktualienmarkt. Das weiße Gebäude vor uns ist eine Gewerbeschule. Links davon das staatliche Gisela-Gymnasium. Hier ging der Fleischermeistersohn Franz-Josef Strauß zwei Jahre zur Schule, bis es ihn auf das humanistische Maximiliansgymnasium zog, wo er 1935 das bayernweit beste Abitur ablegte. Ich hingegen habe meine gesamte Gymnasialzeit im „Gisela“ absolviert, benannt nach Gisela von Österreich, Tochter von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth.

Es ist nicht mehr weit, aber die Strecke zieht sich. Viele Zuschauer; die Tische vor den Cafés sind vollbesetzt. Bei km 39 musste ich bei meiner ersten Marathonteilnahme feststellen, dass es ein, zwei Meter bergauf geht. Danach bin ich ins Stadtmuseum gegangen und habe mir ein Holzmodell angesehen: Fürwahr, es handelt sich um die letzten Ausläufer des linken Isar“hoch“ufers.

Für viele Läufer kommt als letzte Rettung die Verpflegungsstelle bei Kilometer 40. Noch mal Kraft tanken. Danach kann man den Fernsehturm sehen.  Kurz vor Kilometer 41 macht uns Peter Kroul jedes Jahr neuen Mut: „Nur noch 1.200 lockere Meter“. Diesen Satz werde ich nie mehr vergessen und denke an ihn bei allen   Marathon-Zielsprints. Wie oft hat Peter Kroul ihn wohl schon gesagt?

Im Angesicht des Olympiastadions möchte ich den beiden 4:30-Pacemakern aus dem Jahr 2009, von denen einer auch Andreas hieß, noch mal von Herzen danken. Ich war ratzeputz fertig und malte mir schon einen frühen Tod durch Herzversagen aus, als mich die beiden zwischen sich nahmen und Richtung  Ziel pushten. Auf meine leise hingehauchten Angstschreie gaben sie nichts. Ich beendete den Marathon mit 4:29:xx und bin ihnen auf ewig dankbar.

Am Olympiasee vorbei geht es in Richtung Marathontor. Es ist fantastisch: die Lightshow im Tunnel und der  Jubel der vielen Zuschauer! Noch eine halbe Runde durchs Stadion, dann winkt als Belohnung eine schöne Medaille mit der Form eines Lebkuchenherzens.

Und schließlich das Ausruhen auf dem olympischen Rasen oder dem, was davon noch übrig ist. Bestens versorgt mit alkoholfreiem Weißbier, Brezeln, Obst und Joghurt - und das alles fast ohne Wartezeiten. Für mich ist das der schönste Zieleinlauf und Versorgungsbereich der Welt. Über uns das weltberühmte Zeltdach. Die Sonne scheint auf uns, so wie sie es seit 14 Jahren immer am Marathontag getan hat.

Ich unterhalte mich mit Italienern, auf Platz drei der teilnahmestärksten Nationen. Sie kommen per Reisebus  und schwärmen von der perfekten Organisation und Streckenführung. Fabio aus Bergamo ist heute in München seinen ersten Marathon gelaufen. Der Anteil ausländischer Sportler ist seit dem letzten Jahr um 11% gestiegen und beträgt jetzt fast 25%. Mit fast 20.000 Teilnehmern, davon fast 8.000 Marathonis und 550 Marathonstaffeln, wird ein neuer Rekord aufgestellt.

Unser Freund Hugh hat mit seinen Gehhilfen eine neue persönliche Bestzeit aufgestellt und freut sich auf London im nächsten Jahr. Als Engländer mit einer Zeit von 3:21:48 ist ihm seine Startnummer sicher. Die anderen M4Y-Läufer: Judith ist zufrieden. Herbert hat die Strecke gut gefallen und Anton ist wahrscheinlich nach einer Dusche in der Olympiaschwimmhalle schon lange auf dem Heimweg.

Der Fernsehturm strahlt im Sonnenlicht. Wir genießen ein kühles Bier und die gute Stimmung.

Ich liebe diesen Marathon und ich liebe diese Stadt. Und irgendwann laufen wir auch mal in andere Stadtviertel. Es gibt in München noch so vieles läuferisch zu entdecken. Das wird die Sportstadt München doch hinbekommen?

Und wer ausgeruht und gestärkt ist, muss jetzt nur noch die Stufen aus dem Stadionrund hinaufklettern. Unten kommen immer noch Marathon-  und später die Halbmarathonläufer ins Ziel.

  

Ergebnisse Deutsche Marathon-Meisterschaften

 

Männer

1 Schauer, Frank Sportclub Magdeburg  2:18:56
2 Bräutigam, Marcel GutsMuths Rennsteiglaufverein Suhl 2:20:51
3 König, Christian Glückauf Sondershausen 2:20:52

Frauen

1 Optekamp, Silke PSV Grün-Weiß Kassel  2:41:53
2 Galuschka, Julia LG TELIS FINANZ Regensburg 2:44:43
3 Klein, Sandra  Sg Wenden 2:46:50 
 

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