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Laufberichte

Romantik auf die harte Tour

 

"Deutschlands härtester Stadtmarathon". Der Slogan lässt aufhorchen. In Heidelberg? Für viele ist Heidelberg der Inbegriff der deutschen Heile-Welt-Stadt, das urbane Synonym der Romantik. Mit intakter mittelalterlicher Altstadt, naturnah eingebettet in eine sanfte Hügel-Fluss-Landschaft. Und  der wohl berühmtesten Schlossruine der Republik. Studenten gibt es zuhauf, Touristen noch mehr. Aber ein Marathon? Und auch noch der härteste?

Blickt man auf Streckenplan und Wegbeschreibung, wird schnell klar, dass die Kategorisierung Stadtmarathon ein wenig "hinkt", liegt der City-Anteil doch bei gerade einmal bei drei Kilometern. Klar wird auch: Selbst im beschaulichen Odenwald können sich Höhenmeter in alpinen Dimensionen aufaddieren. Vor allem aber offenbart sich: Hinter diesem Streckenkurs steckt ein besonderes, hierzulande bislang wohl einmaliges Konzept. Denn die Heidelberger Organisatoren vereinigen die Elemente Stadt, Landschaft und Berg zu so etwas wie einen "Marathon-Hybrid".

Fast 800 Finisher auf der Volldistanz bei der Premiere im letzten Jahr belegen: Das kommt an. Das "Event" spielt zeitgeistgemäß auch bei den Marathonis eine immer größere Rolle. Der verbissene Kampf um Sekunden zur „PB“-Verbesserung passt für viele nicht mehr in die Zeit. Eins sein mit der Natur, etwas Besonderes erleben, dabei durchaus läuferische Grenzerfahrungen machen und natürlich Heidelberg als Sahnehäubchen, das ist es. 

 

Brennpunkt Heidelberger Schloss 

 

Bereits bei der Wahl der Location für Start, Ziel und das ganze Drumherum zeigen die Organisatoren Sinn für Stil und Ambiente. Im letzten Jahr war der Universitätsplatz noch Nabel des Laufspektakels. Heuer ist man „aufgestiegen“, gen Heidelberger Schloss. Hoch thront die einstige Residenz der pfälzischen Kurfürsten über Stadt und Neckartal. Bereits in den Erbfolgekriegen im 17. Jh. wurde das Schloss durch die Franzosen zerstört. Fast schon ein Glücksgriff war, dass es in der Folgezeit nur teilweise wiederhergestellt, in diesem Zustand aber bis heute aufwändig restauriert und konserviert wurde. Erst dadurch hat sie ihren Aufschwung zur weltweit gerühmten Insignie einer romantischen Ruine genommen. Spürbar ist die Magie dieses Ortes vor allem, wenn man erleben darf, wie der rote Neckarsandstein der Gemäuer in der Abendsonne erstrahlt.

Auf dem dichtumlaubten Parkplatz im Steilhang oberhalb von Schlossgarten und Schloss ist ein großes Zelt aufgebaut. Hier treffen sich die Läufer am Samstag zu Messe, Pasta oder auch Kartoffelsuppe und Grillwürsteln. Die Startnummern gibt es obendrauf. Live-Musik spielt und die tolle Kulisse unterhalb dieses Balkonplatzes genießt man am besten mit einem Vorstartbierchen. Ein steiler holpriger Weg führt hier hinauf. Aber damit wir Läufer nicht schon vor dem Start energetisch die Segel streichen, dürfen wir die Bergbahn vom Kornmarkt bis zum Schloss fast umsonst (1 €) nutzen. Auf der Straße vor dem Zelt wird derweil noch eifrig gewerkelt. Denn just hier geht es morgen auch los. 

 

Prolog durch die Altstadt

 

Überaus langschläferfreundlich um11 Uhr ist die Startzeit terminiert. Genug Muße bleibt daher für ein entspanntes Frühstück in der selbst um acht Uhr morgens fast noch nachtschlafenden Altstadt. Die nette und schon früh am Morgen öffnende Casa del Caffe in der Steingasse sei da empfohlen. Heidelberg jenseits des alltäglichen Rummelspuks ist wahrlich ein Erlebnis für sich. Die Ruhe ist aber schon längst wieder dahin, als ich mich, erneut den Bergbahnservice nutzend, mit den  anrollenden Touristenschwärmen gen Schloss chauffieren lasse.

War das Startgelände gestern Nachmittag noch ein Hort der Beschaulichkeit, so erwartet mich jetzt dicker Trubel. Kein Wunder: 1.400 haben sich zur Teilnahme angemeldet, sei als als Einzel-, Duo- oder Teammarathonläufer oder auch zum neuen 10 km-Himmelsleiter-Trail. Allzu viel Auslauf hat man hier oben nicht, aber in der relaxten, lauschigen Umgebung, bei einem Schwätzchen und dampfendem Kaffee ist das auch gar nicht nötig. Erst kurz vor elf gemahnt uns der Startmoderator, in den umzäunten Startkanal einzuchecken. Drei verschiedene Startblöcke, je nach avisierter Zielzeit, gibt es, die zeitversetzt im Siebenminutentakt starten.

Aus Hunderten Kehlen werden die letzten 10 Sekunden herunter gezählt, dann heißt es „Leinen los“ und der erste Block spurtet davon. Nur eine Straßenkurve weiter kann man sich bereits davon überzeugen, warum die Blockbildung Sinn macht. Denn schon stürzt sich die Meute einen  geschotterten Zickzacksteig, schmal und steil, gen Schlosspark hinab. Bei größerem Andrang müsste man wohl befürchten, dass sich der motivierte Läuferpulk bereits hier wie Lemminge ins Verderben stürzt.

Im Schlossgarten angelangt, gilt es diesen einmalig, auf einem streng rechteckig ausgerichteten Kurs zu umrunden. Dabei können wir vortesten, wie es sich anfühlt, vorbei an wehenden Fahnen durch den vorbereiteten Zielkanal ins von Strahlern erleuchtete Ziel einzulaufen. Offen gesagt: Zu fühlen ist da noch nicht viel. Denn eigentlich bin ich im Moment noch wie alle anderen heiß auf das anstehende Lauferlebnis. Spannender ist da schon der Blick gen Schloss, an dessen wuchtigen  Außenmauern und Türmen wir fast auf Tuchfühlung vorbeiziehen.

Von unserem Parkrundkurs werden wir auf einen Pfad gelotst, der zunächst moderat direkt zu Füßen der Wehrmauern entlang führt, um dann, erneut in engen Serpentinen, steil in Richtung  Altstadt abzufallen. Das geht ja schon gut los!

Unten angekommen, geht es über kopfsteingepflasterte Gassen hinein in die  historische Altstadt, und das nicht verschämt irgendwo am Rand, sondern mittendurch über die zentrale Hauptstraße. Heidelbergs autofreie Flaniermeile lockt mit zahlreichen Gelegenheiten, bei Shopping und Gastronomie sein Geld los zu werden, darunter so berühmt-berüchtigte wie Käthe Wohlfahrts Christmas Store. Uns entlockt sie angesichts einiger Zuschauer einen beschwingten Zwischenspurt.

Sightseeing kompakt steht für den nächsten Kilometer auf dem Streckenprogramm. Mit dabei sind etwa das geranienbehangene Rathaus und die gotische Heiliggeistkirche, Begräbnisstätte der pfälzischen Kurfürsten, am Marktplatz. Durch das Brückentor mit seinen beiden markanten barocken Rundtürmen, einst Teil der mittelalterlichen Stadtmauer, treten wir hinaus auf die Karl-Theodor-Brücke. Alte Brücke wird sie auch schlicht genannt, eingedenk der 200 Jahre, die sie auf dem Buckel hat.

Die ersten drei Kilometer liegen hinter uns, als wir über diese Brücke den Altstadtkern verlassen und den Neckar queren. Es lohnt sich hier, den Blick zu wenden. Denn die Postkarten-Panoramakulisse der Altstadt, überragt von Kirchtürmen und Schloss vor den laubbewaldeten Hängen des Königstuhls, ist ohne Zweifel eines der optischen Highlights des Streckenkurses.

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Informationen: Trail Marathon Heidelberg
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